Berlin. Faltbare Displays und Fünffach-Kamera: Smartphone-Hersteller zeigen derzeit faszinierende Neuerungen. Aber braucht man die wirklich?

Auf dem Mobile World Congress (MWC), der weltgrößten Mobilfunkmesse in Barcelona, zeigen nahezu alle relevanten Hersteller noch bis Donnerstag ihre Handy-Neuheiten. Damit legen sie meist auch den Grundstein für Erfolg oder Misserfolg im laufenden Geschäftsjahr.

Über elf Jahre nach Einführung des ersten iPhones ist der Smartphone-Massenmarkt reich an Anbietern – und arm an Alleinstellungsmerkmalen. Deshalb versuchen Samsung, Huawei, LG und Co. in diesem Jahr, mit aller Macht aufzufallen – ob mit einem Falthandy oder einer unfassbaren Zahl verbauter Kameralinsen. Wir geben einen Überblick, welche Techniktrends sinnvoll sind.

Displays zum Knicken

Das wohl größte Aufsehen erregten in diesem Jahr die Smartphones mit faltbarem Display: Samsung zeigte seine Version – das Galaxy Fold – bereits vor Messestart am Mittwochabend. Am Sonntag legte der chinesische Hauptkonkurrent Huawei mit dem Mate X nach.

In der Form ähneln sich die Geräte durchaus: Aufgefaltet zeigt das Galaxy Fold ein großes, in der Diagonale 7,3 Zoll messendes OLED-Display. Beim Mate X beträgt die Schirm-Diagonale sogar 8 Zoll. Beide lassen sich in der Mitte falten.

Bei Samsung werden die Bildschirmhälften aufeinandergefaltet. Dann ist auf der Vorderseite noch ein zweites schmaleres Display nutzbar.

Das faltbare Galaxy Fold von Samsung hat seinen Preis: 2.000 Euro werden für das Smartphone fällig.
Das faltbare Galaxy Fold von Samsung hat seinen Preis: 2.000 Euro werden für das Smartphone fällig. © dpa-tmn | Samsung

Bei Huawei klappt man die Rückseite des Geräts zusammen, der große Schirm auf der Vorderseite wird dann quasi zu zwei Displays, eines vorne, eines hinten. Beide Geräte sind zusammengefaltet wenig handlich. Sie dürften sich, auch wegen ihrer Höhe und Dicke, in den meisten Hosentaschen störend anfühlen.

Beide Geräte haben noch etwas gemein: Sie sind für die Allgemeinheit wohl zu teuer. Samsung will das Galaxy Fold ab Mai für etwa 2000 Euro verkaufen, Huawei das Mate X „ab Sommer“ sogar für 2300 Euro.

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    Neben den beiden Branchenriesen haben auch andere Hersteller ihre Falt-Geräte zumindest angekündigt: TCL – dessen Smartphones werden unter den Namen Alcatel und Blackberry vermarktet – zeigte mehrere Prototypen mit faltbarem Display. Sie sollen aber erst 2020 erscheinen.

    Und auch der chinesische Smartphone-Hersteller Oppo postete bereits Bilder von Prototypen im Internet. Die Technologie ist beeindruckend – doch der Nutzen des vergrößerten Bildschirms ist im Alltag gering. Gleichzeitig sind auch die zusammengeklappten Geräte nicht handlicher als klassische Smartphones.

    Das V50 ThinQ lässt sich auseinanderklappen und bietet Platz für ein zweites Display.
    Das V50 ThinQ lässt sich auseinanderklappen und bietet Platz für ein zweites Display. © dpa-tmn | LG

    Weitere Bildschirm-Formate

    LG wagte mit seinem V50 ThinQ (Preis und Verfügbarkeit noch unbekannt) einen anderen Ansatz: Das Telefon lässt sich ebenfalls auseinanderklappen, bietet dann aber schlicht ein zweites Display. Sonys Versuch Aufsehen zu erregen, ist noch subtiler: Hier wurden die Handys im Format länglicher. Das Topmodell Xperia 1 (ab Juni, 949 Euro) kann Kinofilme auf dem 6,5 Zoll großen OLED-Display mit 4k-Auflösung im 21:9-Format zeigen – und ragt garantiert aus jeder Hosentasche.

    Kameralinsen

    Huawei hat es bereits im vergangenen Jahr mit dem Mate 20 Pro vorgemacht: Eine Hauptkamera mit drei Kamera-Linsen ist der neue Oberklasse-Standard. Entsprechend finden sich auf den neu vorgestellten Geräten von Samsung, LG, Sony, Xiaomi und anderen neben dem bisherigen Doppelkamerastandard „Weitwinkel“ und „Zoom“ nun auch eine Superweitwinkelkamera auf der Rückseite.

    Das mag keine Sensation sein – immerhin gibt es den Nutzern aber mehr Möglichkeiten bei der Wahl der Perspektive und hat damit einen Alltagswert. Das finnische Unternehmen HMD Global, das die Rechte an der Smartphone-Marke Nokia besitzt, trumpft bei seinem Nokia 9 PureView (ab März, etwa 700 Euro) sogar mit fünf Kameras auf der Geräterückseite auf.

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      Das Nokia 9 PureView hat auf der Geräterückseite fünf Kameras.
      Das Nokia 9 PureView hat auf der Geräterückseite fünf Kameras. © dpa-tmn | Andrea Warnecke

      Allerdings ist der Ansatz ein anderer: Statt verschiedene Brennweiten anzubieten, arbeiten die fünf Kameras – zwei davon schießen Farbbilder, die übrigen drei monochrome Bilder – zusammen, um noch bessere Fotos zu machen. So kann etwa nachträglich die Schärfeebene im Bild verschoben werden.

      Ob das wirklich so gut funktioniert wie behauptet, muss ein Test zeigen. Die Technologie aber sieht vielversprechend aus.

      Turbo-Funk ohne Empfang

      5G, die Nachfolgetechnologie von LTE, steht überall in den Startlöchern. Egal ob Samsung, Huawei, LG oder Xiaomi – sie alle zeigen auf dem MWC auch Geräte-Varianten, die den rasend schnellen Datenfunk empfangen können. Nach Deutschland werden die Smartphones allerdings 2019 nicht so schnell gelangen.

      Das ist auch nicht schlimm, denn außer in wenigen Testnetzen wird 5G in diesem Jahr in Deutschland noch nicht nutzbar sein. Das dürfte frühestens 2020 kommen.

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        Erweiterte Realitäten

        Eine weitere Technologie etabliert sich unter den Top-Smartphones: die „Time of Flight“-Kameras (ToF). Sie messen, wie lange ein ausgesendetes Infrarotlichtsignal braucht, um von einer Oberfläche reflektiert zu werden und errechnen daraus ein dreidimensionales Bild ihrer Umgebung. ToF-Kameras lassen sich etwa sehr gut dazu nutzen, um eine sichere Gesichtserkennung zu gewährleisten.

        Andererseits können sie auch als 3D-Objektscanner gebraucht werden – oder AR-Apps verbessern – und so etwa den gefilmten Raum ausmessen oder virtuelle Möbelstücke noch besser im Raum positionieren. In diesem Jahr kommen einige Top-Geräte, etwa das LG G8, das kommende Galaxy S10 5G (ab Sommer, noch kein Preis) oder das Xiaomi Mi Mix 3 5G (ab Mai, 599 Euro) mit einer solchen Kamera auf den Markt.

        Günstiger und teurer

        Ein weiterer Trend zeigt sich in den Preisen: Etablierte Smartphone-Hersteller trauen sich, immer mehr Geld für ihre Flaggschiff-Geräte zu verlangen. Nicht nur die Falthandys sind mit 2000 Euro und mehr äußerst teuer, auch die regulären Top-Geräte kosten mittlerweile oft knapp 1000 Euro oder mehr.

        Gleichzeitig drängen chinesische Hersteller wie Xiaomi auf den europäischen Markt und verlangen erheblich weniger Geld. Das neue Xiaomi Mi 9, das sich in vielen Belangen durchaus auf Augenhöhe mit Samsungs neuem Galaxy S10 bewegt, kostet nur knapp 500 Euro – etwa die Hälfte eines Galaxy S10. Hier wird das Jahr zeigen, ob einige Hersteller die Preisschraube nicht überdreht haben.