Berlin. Osteoporose betrifft offiziell sechs Millionen Deutsche – doch bei vielen bleibt die Krankheit unerkannt. Welche Therapien wem helfen.

Wenn die Knochen schwinden, merken wir es häufig nicht: Die sogenannte Osteoporose entwickelt sich schleichend schon ab Mitte 30. Deshalb spricht der Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose zwar von sechs Millionen Betroffenen in Deutschland, doch zugleich von einer hohen Dunkelziffer – weil die Krankheit oft unerkannt bleibt. Experten erklären zum heutigen Weltosteoporosetag, was bei porösen Knochen hilft.

Knochen sind sensible Gebilde: Für ihren Stoffwechsel brauchen sie zum Beispiel Kalzium, Vitamin D oder auch das Hormon Östrogen. Werden diese Bedürfnisse ignoriert, schwindet mit der Zeit die Knochenmasse. Wer etwa raucht, Alkohol trinkt, extrem viel Sport treibt oder untergewichtig ist, beeinflusst seine Knochen zusätzlich negativ.

Risiko, dass eine Rippe beim Niesen bricht

„Chronische entzündliche Erkrankungen der Gelenke oder des Darms und die Einnahme von Medikamenten, etwa gegen Epilepsie, sind weitere Risikofaktoren für eine Osteoporose“, sagt Dr. Thomas Brabant, Leiter des klinisch-osteologischen Schwerpunktzentrums am Krankenhaus St. Joseph-Stift in Bremen, und erklärt: „Mit der Zeit verlieren die Knochen im Inneren an Struktur. Das geht schon mit etwa Mitte 30 los, verstärkt sich dann bei Frauen, deren Körper in den Wechseljahren immer weniger Östrogen produziert. So kommt es, dass sie zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr bis zu 40 Prozent der Knochenmasse verlieren können – bei Männern sind es im gleichen Zeitraum rund zwölf Prozent.“

Äußere Merkmale können so aussehen: Die Wirbelsäule sackt zusammen, der Rücken rundet sich, und der Mensch fühlt sich wackelig auf den Beinen. Das Tückische ist aber, dass viele Menschen die Anzeichen nicht bemerken, weil sie keine Schmerzen haben. Dadurch wächst die Gefahr, dass bei den geringsten Anlässen ein Knochen bricht – der Ellenbogen beim Aufstützen, eine Rippe beim Niesen oder sogar die Hüfte bei einem Sturz.

Wie fest die eigenen Knochen sind, das kann man messen lassen: Bei der sogenannten DXA-Untersuchung werden Aufnahmen mit unterschiedlich dosierter Röntgenstrahlung gemacht. Die Krankenkassen zahlen eine solche Dichtemessung allerdings nur zu einem Bruchteil, deswegen fallen in der Regel 40 bis 45 Euro an, die der Patient selbst zahlen muss.

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    Hormontherapien in den Wechseljahren

    „Solche Frakturen sind das große und zunehmende Problem – vor allem bei älteren Menschen, die häufig nicht mehr auf die Beine kommen“, sagt Professor Andreas Kurth, Chefarzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie am Gemeinschaftskrankenhaus Mittelrhein in Koblenz. Er befasst sich wissenschaftlich mit der Wiederherstellung von funktionsgestörten Zellen, Gewebe und Organen – auch bei der Osteoporose.

    Kurth ist der Meinung, dass Östrogen seine Schutzfunktion bei Frauen auch nach den Wechseljahren behalten und innerhalb einer Hormonersatztherapie gegeben werden sollte: „Nach neuesten Analysen ist diese längst nicht so negativ einzuschätzen, wie es die ‚Women’s Health Initiative‘-Studie vor rund 15 Jahren nahelegte.“

    Die Autoren hatten damals unter anderem von einer größeren Brustkrebsgefahr durch Hormontherapien in den Wechseljahren berichtet. Mittlerweile haben die Wissenschaftler die damaligen Ergebnisse ihrer Studie auch selbst relativiert. Demnach zeigen sich aktuell mehr positive Effekte durch die Behandlung – die Knochen bleiben beispielsweise länger stabil. Für Patientinnen, die eine Hormongabe in der frühen Zeit der Menopause nicht vertragen, gebe es aber auch alternative Medikamente, die Einfluss auf den Östrogenspiegel haben, erklärt Kurth.

    Yoga und Pilates bringen Knochenstoffwechsel in Schwung

    Osteoporose selbst wird in der Regel mit Tabletten behandelt, die einmal pro Woche eingenommen werden und Bisphosphonate enthalten – Substanzen, die den Knochenabbau bremsen. „Aber wir gehen individuell auf unsere Patienten ein, berücksichtigen den Lebensstil, die körperlichen Voraussetzungen und den Tagesablauf“, sagt Kurth. „Wer etwa Nierenprobleme hat, bekommt beispielsweise alle halbe Jahre eine Spritze mit einem Antikörper. Die Substanz wird nicht über die Nieren abgebaut.“

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      Osteologe Thomas Brabant ergänzt: „Zu einer wirksamen Osteoporosebehandlung gehört auch ein Training der Muskelkraft und -leistung. Gezielte Belastung bringt den Knochenstoffwechsel des gesamten Körpers in Schwung – zum Beispiel in einer medizinisch begleiteten Trainingstherapie, aber auch bei Yoga und Pilates.“ Darüber hinaus bräuchten Knochen Vitamin D – in Absprache mit einem Arzt über ein Nahrungsergänzungsmittel. Ein Spaziergang in der Sonne reiche nicht aus.

      Gute Kalziumlieferanten sind Milch, Spinat und Brokkoli

      Auch mit der Ernährung lässt sich ein Beitrag für die Knochengesundheit leisten. Als Faustregel gilt laut Brabant: „Mediterrane Kost mit wenig Fleisch.“ Gute Kalziumlieferanten seien bestimmte Gemüsesorten wie Spinat oder Brokkoli, vor allem aber Milch, Joghurt oder Hartkäse sowie kalziumreiche Mineralwasser.

      Immer wieder machen auch sogenannte Probiotika von sich reden – eine Studie zeigt laut der Fachzeitschrift „Medical Tribune“, dass sich bei Frauen, die solche Laktobazillen einnahmen, der Knochenschwund verringerte. „Das wird sicher spannend für die Vorbeugung werden, da muss allerdings noch einiges an Forschungsarbeit hineinfließen“, meint Brabant.

      Um die vielfältigen Therapieansätze bei Osteoporose künftig bestmöglich einsetzen zu können, entwickelt Professor Andreas Kurth mit seinem Ärzteteam ein Programm, in dem verschiedene Disziplinen wie Hausärzte, Orthopäden, Rheumatologen und Geriater (Altersexperten) zusammenarbeiten. Anfang 2020 soll es in Deutschland eingeführt werden.