Berlin. Apple und Google bieten bald Funktionen an, mit denen sich die am Smartphone verbrachte Zeit kontrollieren lässt. Was können die Tools?

Nichts hat unseren Alltag in den vergangenen zehn Jahren mehr verändert als das Smartphone. Doch die vielen Möglichkeiten, die die kleinen Technik-Wunderwerke bieten, haben eine Kehrseite: Sie fressen Zeit. Eine Studie von Ernst and Young aus 2017 ergab, dass die unter 30-Jährigen im Schnitt täglich drei Stunden am Smartphone verbringen, die 30- bis 40-Jährigen knapp zwei Stunden. Die Nutzung anderer Geräte wie Tablet, Notebook oder Desktop-PC ist dabei nicht mitgezählt.

Bewusst ist das vermutlich längst nicht allen – schon gar nicht, welcher Anteil dieser Zeit sinnvoll verbracht oder aber verdaddelt wird. Doch bei all den Möglichkeiten – immer erreichbar, immer produktiv, immer unterhalten – kann auch wieder stärker in den Blick genommen werden, was davon eigentlich gut tut und was nicht. Digitale Achtsamkeit nennt man das.

Diese Erkenntnis ist auch bei den Smartphone-Giganten Google und Apple angekommen, deren Betriebssysteme Android und iOS die überwiegende Mehrheit von Smartphones und Tablets abdecken. In ihren kommenden Betriebssystemen sind deshalb Funktionen eingebaut, die es erlauben, die eigene Handy-Nutzung zu überwachen und gegebenenfalls einzuschränken. Wir haben „Bildschirmzeit“ (Apple) und „Digital Wellbeing“ („digitales Wohlbefinden“, Android) bereits ausprobiert. Auch Facebook hat eine entsprechende Funktion für Facebook und Instagram versprochen, bis zum Redaktionsschluss war sie jedoch noch nicht verfügbar.

„Bildschirmzeit“ in iOS

In wenigen Wochen dürfte Apple seine neuen iPhones vorstellen – und mit ihnen die neueste Version seines Mobil-Betriebssystems, iOS 12, veröffentlichen. Neugierige Nutzer können die Beta-Version schon jetzt auf ihrem Smartphone oder Tablet testen. Zu finden ist sie in den Einstellungen unter dem neuen Eintrag „Bildschirmzeit“.

Was kann man messen?

In „Bildschirmzeit“ bekommt man zunächst einen groben Überblick, wie lange das Gerät heute bereits genutzt wurde. Im Test gab es dabei bereits den ersten Schock: über eine Stunde, dabei ist es nicht mal Mittag. Ein farbiger Balken verrät, wie sich die Nutzung zusammensetzt: 37 Minuten soziale Netzwerke, 14 Minuten Spiele, neun Minuten Produktivität, wie etwa das Mailprogramm, und noch einige Minuten in anderen Apps, die im Überblick nicht genannt werden. App-genau erfährt man es, wenn man noch einmal auf den Überblick tippt. Hier listet das Gerät alle Apps nach Nutzungsdauer auf, sodass sich auf den ersten Blick die größten Zeitfresser identifizieren lassen. Neben den Werten für den laufenden Tag können hier auch die der vergangenen Woche angezeigt werden.

Weiter unten auf der Detail-Seite findet sich ein weiterer interessanter Wert: die Zahl der Smartphone-Aktivierungen. Sie beschreibt, wie oft man das Gerät in die Hand genommen und entsperrt hat. Im Test lag die Zahl an manchen Tagen bei über 100 Aktivierungen. Laut den Daten der Bonner Forscher des „Menthal Balance“-Projekts (menthal.org), die mithilfe einer App das Nutzungsverhalten von rund 60 000 Nutzern überprüft hatten, greifen Nutzer im Schnitt ganze 88-mal pro Tag zu ihrem Handy.

Die letzte Tabelle auf der Detail-Seite gibt an, welche App wie oft eine sogenannte Notification abgesetzt hat. So nennt man die Hinweisfenster, die auf dem Bildschirm aufploppen, wenn etwa eine Whats­App-Nachricht eingegangen ist – mit ihnen buhlt das Handy auch dann um unsere Aufmerksamkeit, wenn wir es nicht in der Hand haben. Deshalb lassen sich die Notifications hier direkt für jede App anpassen oder gleich ganz abschalten.

Was kann man machen?

Wer die Smartphone-Nutzung einschränken möchte, hat in „Bildschirmzeit“ zwei Möglichkeiten: Mit „Auszeit“ wird ein Zeitraum bestimmt, in dem sich außer dem Telefon selbst keine Apps nutzen lassen. Es können aber weitere Ausnahmen eingerichtet werden. Unter „App-Limits“ dagegen lassen sich bestimmten App-Gruppen, etwa sozialen Netzwerken oder Spielen, tägliche Zeitkontingente zuweisen. Ist die Zeit aufgebraucht oder die Auszeit aktiv, werden die entsprechenden Apps ausgegraut. Versucht man sie trotzdem zu starten, kann man allerdings auf „Limit ignorieren“ tippen. Wahlweise erinnert iOS nach einer Viertelstunde erneut an das Limit oder ignoriert es für den Rest des Tages.

Und die Limits lassen sich auch zur Kontrolle des Nachwuchses einsetzen: Wird nämlich bei der Einrichtung der Schalter „Am Ende des Limits blockieren“ aktiviert, geht ohne zentral festgelegten Code nach Ablauf der Zeit nichts mehr. Zeigen sich die Eltern gnädig und geben den Entsperrcode ein, können sie wählen, ob die jeweilige App damit 15 Minuten, eine Stunde oder den ganzen Tag freigeschaltet bleiben soll. Übrigens: Die Limits lassen sich auf Wunsch geräteübergreifend einstellen. Damit wird auch die verdaddelte Zeit – etwa auf einem iPad mit derselben Apple-ID – hinzuaddiert.

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    „Digital Wellbeing“ in Android

    Google hat seine neuste Android-Version 9 zwar bereits vergangene Woche veröffentlicht, die spannende Funktion zur digitalen Achtsamkeit ist aber noch nicht enthalten. Sie soll im Herbst als Update nachgeliefert werden. Wir haben die derzeit noch englischsprachige Beta-Version ausprobiert.

    Was kann man messen?

    Nach der Installation taucht in den Einstellungen der Punkt „Digital Wellbeing“ auf. Auch hier gibt es einen Überblicksbildschirm, der die Gesamtnutzungsdauer des Tages aufzeigt und sie in Minuten pro einzelner App aufschlüsselt. Anders als bei Apple sieht man hier direkt, wie oft das Smartphone entsperrt und wie oft Notifications ausgespielt wurden. Unter dem Punkt „Dashboard“ sind die Apps, ihre Nutzungshäufigkeit und -dauer außerdem einzeln aufgelistet.

    Was kann man machen?

    Bei Google sind die Möglichkeiten der Selbstbeschränkung deutlich übersichtlicher. Tippt man im Dashboard auf eine einzelne App, lässt sich ein „App-Timer“ festlegen. Ist die hier täglich festgelegte Zeit erreicht, wird das App-Symbol ausgegraut und das Programm lässt sich nicht mehr starten. Eine Ausnahme wie bei Apple gibt es nicht. Wer eine App nach Ablauf des Timers trotzdem nutzen möchte, muss diesen in den „Digital Wellbeing“-Einstellungen entfernen. Als elterliches Kontrollinstrument taugen die Timer aber nur sehr bedingt, denn es gibt keinen Code, der das Abschalten verhindern könnte.

    Die zweite Option, die Nutzer zum Abschalten animieren soll, ist „Wind Down“ (etwa „ruhiger werden“). Hier lässt sich einstellen, dass zu einer bestimmten Zeit die „Nicht Stören“-Option aktiviert wird und auf Wunsch die Display-Anzeige zudem auf Schwarz-Weiß wechselt.

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