Mbandaka. Der neunte Ebola-Ausbruch hält den Kongo in Atem. Die Einwohner befinden sich im Alarmzustand. Die WHO setzt auf einen neuen Impfstoff.

Vor vielen Geschäften sind Wassercontainer, Plastikschüsseln und Desinfektionsseife aufgetaucht. Die Kunden sollen sich ihre Hände waschen, bevor sie den Laden betreten. Und selbst alte Bekannte, die sich auf der Straße treffen, verneigen sich nur noch, statt sich wie üblich die Hände zu schütteln. An den Piers am Kongofluss, wo die Boote in die Hauptstadt Kinshasa ablegen, bilden sich derweil lange Schlangen vor weiß gekleideten Gesundheitsbeamten. Mit ihren Temperaturmessgeräten, die Pistolen ähneln, checken sie einen Fahrgast nach dem anderen. Wer hat Fieber?

Seit Tagen ist in Mbandaka nichts mehr, wie es war: Seit in der kongolesischen Provinzhauptstadt die ersten Infektionsfälle mit dem tödlichen Ebola-Virus registriert wurden, befinden sich die etwa 1,2 Millionen Einwohner im Alarmzustand. Den Schulkindern werde eingebläut, Körperkontakt zu vermeiden, sagt Grundschullehrer Jean Mopono (53): „Ansonsten bleibt uns nichts anderes, als zu beten, dass sich die Seuche nicht weiter ausbreitet.“

Meist waren die Herde im Urwald versteckt

Mindestens vier Einwohner Mbandakas seien bereits infiziert worden, meldete das kongolesische Gesundheitsministerium am Wochenende: In der weiteren Umgebung stieg die Zahl der Verdachtsfälle auf 46 an. Wie bei Ebola-Epidemien üblich, sind mit 26 Personen schon viele davon gestorben.

Körperkontakt meiden und Hände waschen: Die Menschen in Mbandaka haben ihr Verhalten verändert.
Körperkontakt meiden und Hände waschen: Die Menschen in Mbandaka haben ihr Verhalten verändert. © REUTERS | Kenny-Katombe Butunka

Seit Wissenschaftler den Erreger 1976 erstmals identifizierten, ist dies der neunte Ebola-Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo: Meistens waren die Seuchenherde tief im Urwald versteckt. Die Sorge um eine unkontrollierte Ausbreitung erschien unbegründet. Mit der Ankunft des Virus in Mbandaka ist das anders geworden. Die Gefahr für das gesamte Land – vier Mal so groß wie Frankreich – sei nun sehr groß, erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO. Einen medizinischen Notstand von internationaler Bedeutung wollte die Genfer Behörde aber nicht erklären: Noch sei die Epidemie unter Kontrolle zu bringen, befand der Schweizer Seuchenforscher Robert Steffan.

Am Ende starben 11.300 Menschen

Hoffnung macht den Experten, dass die Reaktion auf den Ausbruch diesmal nicht so zögerlich ausfiel wie vor drei Jahren in Westafrika: Damals war die WHO noch monatelang nach den ersten gemeldeten Ansteckungsfällen untätig geblieben. In dem dicht besiedelten Küstenstreifen Liberias, Guineas und Sierra Leones breitete sich das Virus wie ein Steppenbrand aus – bis 26.000 Menschen infiziert waren, von denen 11.300 starben.

Aus diesem Fiasko hat die UN-Gesundheitsbehörde offenbar Lehren gezogen: Vor zehn Tagen, gleich nach Bekanntwerden des ersten Falls, reiste WHO-Chef Ghebreyesus in den Kongo, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen. Inzwischen sind mehrere Dutzend WHO-Experten und Hilfskräfte der „Ärzte ohne Grenzen“ in den Nordwesten des Landes gereist und haben sowohl in Mbandaka wie in dem über 150 Kilometer entfernten zweiten Seuchenherd Bikoro Isolierstationen eingerichtet. Zudem wurden Thermometer, Schutzanzüge sowie 300 robuste Plastiksäcke in den Kongo geflogen.

Angeblicher Erfolg bei der Epidemie in Westafrika

In den Säcken sollen die äußerst ansteckenden Toten begraben werden. Denn die in weiten Teilen Afrikas verbreitete Gewohnheit, Verstorbene ausführlich zu waschen und sich mit Umarmungen von ihnen zu verabschieden, trägt zur rasanten Ausbreitung der Seuche bei: Nicht weniger als sieben Familienangehörige eines Polizisten, der als einer der ersten Infizierten in Bikoro beerdigt wurde, sollen inzwischen gestorben sein.

Besondere Hoffnungen setzen die Seuchenbekämpfer in einen Impfstoff, der in den vergangenen acht Jahren entwickelt worden ist und bei der westafrikanischen Epidemie angeblich mit Erfolg eingesetzt wurde. Die WHO transportierte mehr als 5000 Portionen des „rVSV-ZEBOV“ genannten Stoffs in die Hauptstadt Kinshasa: Die ersten Pfleger und Ärzte – wurden am Montag in Mbandaka geimpft.

Es wurde eigens eine kleine Landebahn gebaut

Das Präparat stellt die Einsatzkräfte allerdings vor Herausforderungen: Es muss bei Temperaturen zwischen minus 60 und minus 80 Grad Celsius aufbewahrt werden, was leistungsfähige Kühlschränke erfordert, die es nur in Kinshasa gibt. Die WHO muss den Impfstoff deshalb mit einer Luftbrücke einfliegen: In Bikoro wurde dafür eigens eine kleine Landebahn geschaffen. Geimpft werden sollen außer dem medizinischen Personal auch Personen, die mit Erkrankten in Berührung kamen: Dafür müssen Begegnungsdiagramme erstellt werden, für die Rechercheure auf Motorrädern in schwer zugängliche Gebiete fahren. Bisher sollen sich mehr als 600 Personen auf diesen Listen befinden: Zu ihnen muss der tiefgekühlte Stoff notfalls mit dem Helikopter gebracht werden – ein zeitintensives Unterfangen.

Hinzu kommt: Die Wirksamkeit des in Kanada entwickelten und später vom US-Pharmakonzern Merck erworbenen Impfstoffs ist umstritten. Während des Seuchenausbruchs in Westafrika war eine Gruppe Pflegender damit behandelt worden, niemand wurde angesteckt. Ob das aber auf das Präparat oder auf die Vorsicht der Gruppe zurückzuführen war, ist offen. Insgesamt will die WHO mehrere Tausend Kongolesen impfen. Epidemiologen aber warnen: „Wir sollten unter keinen Umständen alles auf eine Karte setzen“, sagt Nahid Bhadelia von der „Boston University School of Medicine“.

Ebola - tödliches Fieber

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