Berlin. Facebook macht einen auf Tinder und führt demnächst eine Dating-Anwendung ein. So will sich das Netzwerk vom Marktführer abgrenzen.

Eigentlich, das wissen Branchenkenner, ist so ein Dienst schon längst fällig. Doch angesichts des Zeitpunkts sorgte Konzernchef Mark Zuckerberg jetzt doch für eine Überraschung: Mitten im größten Datenschutzskandal der Firmengeschichte will Facebook eine eigene Online-Partnervermittlung einführen. Das gab Zuckerberg auf der Entwicklerkonferenz F8 in San José bekannt.

Das Vorhaben an sich ist äußerst erfolgversprechend. Facebook ist sozusagen der Ur-Dienst derer, die sich übers Internet austauschen wollen. Und der größte Anbieter: Die Zahl der monatlich aktiven Nutzer beläuft sich auf aktuell rund 2,2 Milliarden Mitglieder. Gut 1,45 Milliarden Facebooker loggen sich täglich ein.

Facebook will langfristige Beziehungen aufbauen

Zuckerberg sprach von einem enormen Potenzial. 200 Millionen Facebook-Nutzer gäben aktuell an, dass sie Alleinstehend seien – „also gibt es hier ganz klar etwas zu tun“. Der Dienst solle helfen, langfristige Beziehungen aufzubauen, nicht nur kurzfristige Flirts, sagte Zuckerberg mit deutlichem Seitenhieb auf Tinder.

Die Dating-App des Branchenprimus Match avanciert immer mehr zu einer Börse für One-Night-Stands – kurz „Ones“ – nach Sex suchender Großstädter. Bei Tinder entscheidet ein Wisch nach rechts oder links, ob es zu einem „Match“, also einem Flirt, kommt. Die geplante Facebook-Funktion scheint ähnlich niedrigschwellig zu werden, zumindest was die Kontaktaufnahme betrifft.

So soll das Flirten auf Facebook funktionieren

Erste Einblicke in die Facebook-Funktion gab Chris Fox, Produkt-Vorstand bei Facebook. Demnach soll es für das Flirten auf Facebook künftig eine gesonderte Dating-Startseite geben, auf die man über ein Herz auf der Schaltfläche kommt. Dort könnten sich Nutzer ein gesondertes Profil anlegen, das aus mindestens dem Vornamen und hochgeladenen Fotos besteht.

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    Auf der Dating-Seite werden dann beispielsweise Veranstaltungen und Gruppen eingeblendet, die der Nutzer gezielt aktivieren kann. Potenzielle Flirtpartner müssten dies ebenfalls tun. Dies ermögliche, dass sich Menschen im nächsten Schritt bei Veranstaltungen oder an Orten treffen, für die sie gemeinsame Vorlieben haben, erklärte Chris Fox.

    Will man mit einem anderen Dating-Nutzer Kontakt aufnehmen, klickt man eines der Fotos an und schreibt eine Nachricht dazu. Der Dienst soll zunächst kostenlos sein.

    Privatsphäre und Datenschutz sollen Vorrang haben

    Angeblich habe der Schutz von Daten und der Privatsphäre oberste Priorität. So soll das Dating-Profil nicht für die Facebook-Freunde eines Nutzers sichtbar sein – und sie sollen auch nicht als potenzielle Partner vorgeschlagen werden, hieß es. Antwortet der Angeschriebene, landet die Nachricht in einem privaten Postfach im Dating-Bereich.

    Das Postfach soll keine Verbindung zum Facebook Messenger oder zu Whatsapp haben, versicherte Fox. Ihm zufolge lassen sich ausschließlich Text-Nachrichten senden, Fotos oder Videos könnten nicht verschickt werden. Ob Facebook auch auf sein riesiges Wissen über die Mitglieder zurückgreifen will, um Partnervorschläge zu machen, blieb unklar. Weitere Details sollen in den kommenden Monaten veröffentlicht werden.

    Nur fünf von 44 getesteten Apps sind „akzeptabel“

    Was den Datenschutz angeht, schneiden die meisten Dating-Apps katastrophal ab. Bei einem Test der Stiftung Warentest (März-Ausgabe) erhielten lediglich fünf der 44 geprüften Apps die Bewertung „akzeptabel“. Die meisten Apps, so das Urteil der Stiftung Warentest, versenden die Daten ihrer Nutzer an Dritte, darunter große Werbekonzerne – und auch Facebook.

    Zudem werden die Nutzer kaum darüber aufgeklärt, was mit ihren Daten geschieht. Die Datenschutzbestimmungen seien zum Großteil schwammig gehalten, auch fänden sich teilweise juristische Mängel darin. Tinder schnitt besonders schlecht ab: Dort werden Nutzer-Daten sowohl an Facebook als auch an eine Marketing-Firma versandt. In den Hinweisen zum Datenschutz steht, Tinder kombiniere Nutzerdaten mit den Daten Dritter.

    Datenschützer hält neue Funktion für befremdlich

    Konkretes über die neue Facebook-Funktion sei zwar noch nicht bekannt, der bundesweit für Facebook zuständige Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar kündigte aber eine aufsichtsbehördliche Prüfung der avisierten Datenschutzmaßnahmen an, wie er gegenüber dieser Redaktion sagte. „Dass vor dem Hintergrund des aktuellen Datenskandals nun die Nutzer auch Daten über ihre emotionale Befindlichkeit und Präferenzen für Menschen, die sie gern treffen wollen, der Plattform anvertrauen sollen, erscheint befremdlich“, sagte Caspar.

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      Jeder Nutzer solle selbst entscheiden, ob es nicht sinnvoller sei, die Dienste spezieller Dating-Portale in Anspruch zu nehmen, die nicht schon massenweise Daten über den einzelnen Nutzer gespeichert hätten. Diese ließen im Zweifel einen seriöseren Umgang mit den sensiblen Daten erwarten.