St. Petersburg  - . Das souveräne 3:0 von Mitfavorit Belgien gerät an einem denkwürdigen Fußball-Tag fast zur Nebensache. Torjäger Lukaku vergießt erst Tränen und lässt anschließend Tore sprechen.

Mit viel mehr Symbolik hätte man diesen Abend in St. Petersburg aus der Sicht von Romelu Lukaku nicht mehr aufladen können. Erst weinte Belgiens Rekordtorjäger um seinen kollabierten Teamkollegen Christian Eriksen aus Dänemark.

Dann kniete er gemeinsam mit seinen Teamkollegen vor dem Anpfiff als Zeichen gegen Rassismus, anschließend grüßte er nach einem Tor Eriksen mit den Worten „I love you, Chris“ und zum Abschluss erzielte er beim ungefährdeten 3:0 (2:0)-Auftakt bei der Fußball-EM gegen Co-Gastgeber Russland noch ein weiteres Tor.

„Ich habe vor dem Spiel viele Tränen für Christian Eriksen vergossen. Es war schwer für mich, mich zu konzentrieren“, sagte Belgiens Matchwinner (10./88. Minute), der im Verein bei Inter Mailand gemeinsam mit dem 29 Jahre alten Dänen spielt. Eriksen war bei der Partie gegen Finnland kurz vor der Halbzeit kollabiert, noch auf dem Rasen wurden Maßnahmen zur Reanimation eingeleitet. Erst später folgte die Entwarnung: Der dänische Verband schrieb, Eriksen sei „wach“, sein Zustand stabil. Das Spiel wurde nach einer längeren Unterbrechung fortgesetzt, Dänemark verlor 0:1.

„Ich werde ihm auf jeden Fall eine Nachricht schicken, aber er muss nicht sofort antworten. Ich hoffe, es geht ihm gut, für seine zwei Kinder, die ihn brauchen“, sagte Lukaku, der gleich seinen ersten Treffer nutzte, um den ganz persönlichen Liebesgruß ins weltweite TV-Signal zu schicken. „Ich widme ihm diese Leistung“, fügte der 28-Jährige an. Das übrige belgische Tor erzielte der eingewechselte Dortmunder Thomas Meunier (34.).

Nationaltrainer Roberto Martínez schilderte, wie sehr sein Team vom tragischen Ereignis in Kopenhagen mitgenommen war. „Es herrschte tiefe Trauer. Wir haben es live gesehen - wir wollten fünf Minuten später unser Teammeeting beginnen. Das Letzte, worüber wir reden wollten, war Fußball. Es war ein Schock, es gab Tränen“, schilderte der Spanier. Zu einer möglicherweise kurzfristigen Absage erklärte Martínez, so etwas liege nicht in seiner Macht. „Ich bin nur der Trainer von Belgien. Wir müssen immer auf die Anweisungen warten.“

Die Anweisung lautete diesmal, dass vor 26 264 Zuschauern in der Arena gespielt werden soll. Pfiffe der Fans, extrem laute Musik aus den riesigen Boxen und die üblichen Zeremonien: In St. Petersburg hätte man nicht unbedingt merken können, was wenige Momente zuvor im anderen Spiel der Gruppe B passiert war.

Neben der psychischen Belastung für sein Team, in dem viele Eriksen persönlich kennen, nimmt Martínez auch ein weiteres Personalproblem mit. Außenverteidiger Timothy Castagne zog sich nach einem Kopfzusammenstoß eine doppelte Augenhöhlenfraktur zu und ist für den Rest des Turniers außer Gefecht. Sein Vertreter Meunier zeigte gegen Russland aber große Klasse, traf kurz nach seiner Einwechslung zum 2:0 und legte später auch noch das 3:0 von Sturmstar Lukaku auf. Zum EM-Auftakt waren Kevin De Bruyne (Gesichtsoperation) und Axel Witsel (Rückkehr nach Achillessehnenriss) nicht mitgereist.