Frankfurt/Main. Keller gegen Koch, die Bosse der Landesverbände gegen Keller und nun auch Koch gegen Seifert: Bei DFB und DFL duelliert sich gerade jeder mit jedem.

Die Streitigkeiten bei Deutschlands Fußball-Funktionären haben endgültig eine neue Eskalationsstufe erreicht.

Inmitten aller Spekulationen über einen möglichen Rücktritt des schwer beschädigten DFB-Präsidenten Fritz Keller attackieren sich Vizepräsident Rainer Koch und DFL-Boss Christian Seifert nun auch noch mit Briefen, die nicht nur an die Vereine gingen, sondern unmittelbar an die Medien durchgestochen werden und somit breite Aufmerksamkeit erhielten. In einem Antwortschreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, konterte Koch dabei sämtliche Vorwürfe des Profilagers um Seifert.

Die DFL bat zuvor in einem Brief, der ZDF und "Kicker" vorliegt, um eine Erklärung von Koch, ob er sich bezüglich möglicher Pläne der DFL und Zukunftsplänen von Seifert geäußert habe. Man löse die Probleme des Deutschen Fußball-Bundes "nicht durch den Aufbau imaginärer Feindbilder und abenteuerlicher Verschwörungstheorien", ließ Seifert den Vizepräsidenten wissen.

Inmitten der Funktionärsschlammschlacht, in der DFB-Boss Keller und Generalsekretär Friedrich Curtius zuvor am Sonntag bereits das Vertrauen der Landes- und Regionalchefs entzogen bekamen, ließ eine Antwort von Koch nicht lange auf sich warten. In fetten Buchstaben und zudem unterstrichen schrieb er auf der ersten von acht Briefseiten: "Ihre entsprechende Behauptung, mittlerweile bundesweit in allen Kanälen medial bestens gestreut, ist frei erfunden."

Doch damit nicht genug. Jurist Koch, der sich mit dem Profilager und Präsident Keller akut im Clinch befindet, legte nach: "Ich bitte Sie, diese Behauptung nicht weiter zu erheben und wäre dankbar für eine baldige Richtigstellung." Koch, der auch Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes ist, kämpfe "für die Anliegen des Amateurfußballs", der es sich wünschen würde, vom Profilager so unterstützt zu werden, wie dieser den Profifußball "seit nunmehr über 12 Monaten durchgängig unterstützt".

Die vergangene DFB-Konferenz von Potsdam wirkte wie ein Beben. Die Chefs der Landes- und Regionalverbande entzogen nicht nur Keller und Curtius das Vertrauen, sondern schwächten auch Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge, die zwar das grundsätzliche Vertrauen, aber auch zahlreiche Gegenstimmen erhielten. Das von den Bundesliga-Vertretern angeführte Profilager führt derweil dauerhaft Streitigkeiten mit Koch und vor allem Curtius.

Koch warf der DFL und Seifert nun gar vor, die 2019 beim Bundestag aufgenommenen Strukturveränderungen beim DFB nicht tatsächlich zu unterstützen. Die derzeitige Debatte bestätigten Kochs Eindrücke, dass der Ligaverband die Änderungen "nur vordergründig mitgetragen" habe und "nie umsetzen" wollte, sondern weiterhin Veränderungen wolle, die am Ende nachteilig für den Amateurfußball sein dürften", schrieb Koch.

Inmitten dieser Grabenkämpfe gerät selbst der Nazi-Vergleich von Verbandsboss Keller, für welchen dieser sich nun vor dem DFB-Sportgericht verantworten muss, kurzzeitig zur Nebensache. Der 64 Jahre alte Winzer ist dennoch noch stärker unter Druck geraten und muss Sanktionen befürchten, nachdem die Ethikkommission ihre Ergebnisse an das dreiköpfige Gremium unter dem Vorsitz von Hans E. Lorenz verwiesen hat. "Mit einer Entscheidung ist noch im Mai zu rechnen, allerdings nicht in dieser und auch nicht in der nächsten Woche", sagte Lorenz der Deutschen Presse-Agentur.

Nach ZDF-Informationen will sich Keller in den kommenden Tagen zu seiner Zukunft äußern. Trotz seiner heftig kritisierten verbalen Entgleisung gegenüber Koch, den er auf der DFB-Präsidiumssitzung am 23. April mit dem früheren Nazi-Richter Roland Freisler verglichen hatte, erbat sich DFB-Boss Keller bislang Bedenkzeit über einen möglichen Rücktritt.

Vor dem Abschied steht dagegen Schatzmeister Osnabrügge, der im Führungsstreit dem Curtius-Lager zugeordnet werden kann. Der Funktionär werde auf dem nächsten DFB-Bundestag 2022 nicht mehr antreten, twitterte das ZDF. Nach dpa-Informationen hatte Osnabrügge dies bei der Konferenz in Potsdam angekündigt. Der DFB war für eine Stellungnahme dazu zunächst nicht zu erreichen.

Kellers Gegenspieler Curtius, mit dem der Präsident seit Monaten eine öffentliche Fehde austrägt, hatte bereits am Vortag seine Bereitschaft zu einem Rückzug aus dem Amt signalisiert. Er stehe für Gespräche "zu konstruktiven Lösungen für den DFB jederzeit zur Verfügung", teilte der Generalsekretär mit. "Dies umfasst selbstverständlich auch meine Funktion."

Die DFB-Ethikkommission hatte auch zwei Anträge gegen Curtius beraten. Es handelt sich dabei zum einen um die Umstände im Zusammenhang mit der fristlosen Kündigung von Kellers Bürochef und zum anderen um die Weitergabe eines Schreibens von Keller an den Medienberater Kurt Diekmann. Auch diese Ergebnisse wurden dem Sportgericht vorgelegt, von einer Einstellung war hier nicht die Rede.

Zur Bewertung des Keller-Eklats nahm das Sportgericht unter Leitung von Lorenz am Dienstag seine Arbeit auf. Das Verfahren inklusive einer möglichen mündlichen Verhandlung über eventuelle Sanktionen sei "nicht öffentlich", teilte der 71-Jährige mit.

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