Heerenveen. Vor dem Auftakt der durch die Corona-Pandemie stark beeinträchtigten Saison ist die Stimmung unter den deutschen Eisschnellläufern angespannt. Ein offner Brief offenbart den Frust einiger Sprinter. Und die Bedingungen in der Blase übertreffen alles bisher Gekannte.

Eisschnellläufer werfen dem Verbandspräsidenten Einschüchterung vor - und DESG-Chef Matthias Große kündigt Konsequenzen an.

Wenige Stunden vor dem Start der ohnehin durch die Corona-Pandemie verkorksten Kurz-Saison kracht es gewaltig in der Deutschen Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft.

Vier Eissprinter hatten mit ihrem Brandbrief die Turbulenzen ausgelöst. Von "offensichtlich menschlichen Verfehlungen und persönlichen Racheplänen" war in dem Brief die Rede, in dem die Verbandsführung um Große vor allem wegen mangelnder Kommunikation und der Ausbootung von Sprint-Bundestrainer Danny Leger attackiert wird.

Claudia Pechsteins Lebensgefährte Große will sich das nicht bieten lassen. "Diese Art und Weise wird Konsequenzen haben", kündigte er in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstag) an. Die Sportler verstünden dies als "Einschüchterungsversuch", sagte Hendrik Dombek der Zeitung. Der Münchner gehört neben Joel Dufter, Jeremias Marx und Stefan Emele zu den Unterzeichnern des Briefes.

Dabei ist die Ausgangssituation vor dem Saisonauftakt ohnehin alles andere als einfach. Kein Stadtbummel, kein Shopping - nur Hotel und Eishalle. Das erwartet die Sportler in den nächsten fünf Wochen in Heerenveen. "Trotz aller schwieriger Bedingungen, ich bin froh, dass es endlich losgeht", sagte Nico Ihle (35) zum verspäteten Auftakt der Saison mit einer Europameisterschaft unter strengsten Hygieneregeln.

In der Blase sollen neben der EM auch zwei Weltcup-Wochenenden und die WM im Februar durchgezogen werden. Alle Sportler wurden nach der Anreise auf das Coronavirus getestet und durften ihre Hotels nicht verlassen, bis das negative Ergebnis feststand. "Dass wir rund 20 Stunden auf die Ergebnisse warten mussten, hat unseren Trainingsplan doch ziemlich durcheinander gebracht", gestand Helge Jasch. Der Teamchef, der als kommissarischer Cheftrainer fungiert, unterstrich, dass die ISU hart gegen alle vorgehen wird, die sich nicht an die Regeln halten: "Wer in einem Café erwischt wird, ist raus."

Es sei wirklich "Wahnsinn, was man alles zu beachten" habe, sagte Ihle. "Mit diesen extremen Sicherheitsvorkehrungen muss man erstmal klarkommen." Am Donnerstag erfolgte der zweite Corona-Test, ständiges Fiebermessen und das tägliche Ausfüllen eines vierseitigen Online-Formulars zum Gesundheitszustand sind verpflichtend, um überhaupt in die Trainingshalle zu kommen.

Die Thialf-Arena und das Van-der-Valk-Hotel in Sneek sind somit in den nächsten 35 Tagen die einzigen Orte, an denen sich die deutschen Athleten aufhalten dürfen. Essen, Schlafen, Fernsehen und einige Brett- und Computerspiele mit seinem Zimmergefährten Dufter werden neben den Trainingseinheiten den Tagesablauf von Ihle bestimmen. Der dreifache Vater ist sich daher noch nicht sicher, ob er überhaupt bei der WM zum Abschluss der Blase vom 11. bis 14. Februar noch dabei ist. Der Vize-Weltmeister von 2017 über 500 Meter will erstmal seine Ergebnisse bei den Weltcups abwarten und danach entscheiden.

Mit großem Frust ist hingegen Joel Dufter angereist. Dass der Vertrag seines Heimtrainers Leger nicht verlängert wurde, schmerzt den WM-Achten aus Inzell sehr. Selbst den Wechsel in ein ausländisches Team will der 25-Jährige nun nicht mehr ausschließen.

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