Gelsenkirchen. Schalke verfolgt sportlich die Politik der kleinen Schritte. So wird auch das 1:1 gegen Union Berlin eingeordnet. Der erste Punktgewinn in der neuen Saison macht etwas Mut für die kommende Mammut-Aufgabe beim Revierrivalen BVB. Und die Ultras erinnern schon mal daran.

Eine kleine Gruppe von Ultras stimmte die Mannschaft des FC Schalke 04 auf ihre Weise schon mal auf das anstehende Revierderby bei Borussia Dortmund ein.

"Das war okay heute", lautete die Ansage des Wortführers am späten Sonntagabend vor den Stadiontoren Sport1 zufolge. "Ihr müsst aber fürs Derby noch ein paar Prozente mehr draufpacken." Für das "wichtigste Spiel im Jahr". Sollte sich das weiterhin verunsicherte Team nicht mindestens so präsentieren "wie heute", beim 1:1 gegen Union Berlin, "dann sehen wir uns wieder. Dann wird es aber nicht so friedlich."

Die klare Ansage: "200 Prozent! Von jedem! Für Schalke. Auf geht's!" Das war aufmunternd gemeint - und auch nötig. "Das geht zu weit", befand hingegen Fanforscher Gunter A. Pilz. Im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe sah er "eine rote Linie überschritten. Ich kann mir gut vorstellen, dass so eine Situation einschüchternde Wirkung auf junge Spieler hat. Das kann sogar gestandene Profis einschüchtern. Die Verantwortlichen des Vereins müssen sich jetzt schützend vor die Spieler stellen", forderte er.

Zwar holten die Königsblauen gegen die Berliner den ersten Punkt der Saison, der einstige Europapokal-Aspirant wartet aber seit fast unglaublichen 20 Ligaspielen auf einen Sieg. Und jetzt am Samstag (18.30 Uhr/Sky) Dortmund. "Wenn wir so eine kämpferische Leistung zeigen, wird es schwierig, gegen uns zu spielen", sagte Trainer Manuel Baum. Der 41-Jährige gab sich überraschend zuversichtlich, fügte aber an: "Wir wissen, dass Dortmund eine gute Mannschaft hat."

Baum betonte, man müsse die Politik der kleinen Schritte nun weiterverfolgen. Er versuche immer, positiv nach vorne zu schauen und diese Haltung auch den verunsicherten Spielern vorzuleben und zu vermitteln. In dieser Phase sei es "umso wichtiger, kleine Erfolgserlebnisse zu sammeln", betonte der Trainer.

So gab es vom Coach auch mehr Lob als Kritik: "Was Leidenschaft, Kampfgeist, Laufleistung und Sprints angeht, haben wir einen gute Vorstellung auf den Platz gebracht. Dass wir spielerisch noch zulegen müssen, wissen wir." Und dass Schalke nach so vielen Misserfolgen in den vergangenen Monaten gegen Berlin die Sterne vom Himmel spielen würde, hatte ohnehin niemand erwartet. Auch Baum nicht. Immerhin: Erstmals seit dem desaströsen Saisonstart beim 0:8 in München steht Königsblau nicht mehr ganz am Ende der Tabelle.

Mut macht, dass die Köpfe der Profis nach der Union-Führung von Marvin Friedrich (55.) nicht nach unten gingen, das Team eine Reaktion zeigte und durch das Tor des eingewechselten Goncalo Paciencia (69.) wenigstens noch den ersten Punkt der Saison rettete. "Dass wir nach dem Rückstand wieder aufgestanden sind, zeigt, dass wir als Mannschaft Charakter haben", befand der langjährige Union-Profi Steven Skrzybski.

Torschütze Paciencia sieht sein Team "derzeit in einer schweren Phase", aber auch einen Fortschritt. "Ich glaube, jeder hat gesehen, dass wir schon besser gespielt haben als in den Partien zuvor. Wir standen defensiv kompakter und hatten im Angriffsspiel einige gute Momente. Darauf müssen wir aufbauen. Der Coach pusht uns Tag für Tag." Mit der "Galligkeit und der Griffigkeit" würde man "bald wieder einen Sieg feiern können", sagte Skrzybski. Ob der dann schon beim meilenweit enteilten BVB gelingt, ist allerdings fraglich.

Das Duell der U19-Nachwuchsteams, das Schalke am Sonntag gegen den BVB mit 2:3 verlor, lieferte schon mal einen Vorgeschmack auf das großen Revierderby. Der dreifache BVB-Torschütze Youssoufa Moukoko wurde übel beleidigt. "Das ist auf das Schärfste zu verurteilen", sagte Sportvorstand Jochen Schneider. Der Fall beschäftigt nun auch den DFB-Kontrollausschuss.

Zwei weitere positive Erkenntnisse gab es auch. Fährmann-Vertreter Frederik Rönnow vereitelte zahlreiche gute Chancen des Gegners ist ein Torwart, auf den das Team auch künftig bauen kann. Und in dem jungen Verteidiger und Bundesliga-Debütanten Kilian Ludewig scheint erstmal eine Lösung für das Problem auf der Abwehrseite gefunden. Der 20-Jährige durfte sich über ein Extralob des Trainers freuen: "Er hat eine sehr gute Leistung gebracht. Ich bin sehr zufrieden mit ihm."

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