Zürich.

Gianni Infantino würde Donald Trump wahrscheinlich als guten Bekannten bezeichnen. Vielleicht sogar als engen Vertrauten. Dass Trump den FIFA-Präsidenten ganz offiziell schon "großartigen Freund" genannt hat, ist sogar vom Weißen Haus in einem Protokoll verbrieft.

Zuletzt saßen beide beim Weltwirtschaftsforum im Januar nebeneinander, Infantino hielt eine Lobrede auf den US-Präsidenten, die er mit einem kleinen Spaß einleitete, der auch hätte ernst gemeint sein können: "Heute bin ich die zweitwichtigste Person in Davos."

Diese Nähe zu den Mächtigen dieser Welt gefällt Infantino, genauso wie die Rolle als Brückenbauer im Auftrag des Fußballs. Vor anderthalb Jahren sprach er als erster FIFA-Präsident beim G20-Gipfel. Die gemeinsamen Auftritte mit Trump kamen vor allem durch die Vergabe der WM 2026 zustande. Gespielt wird in den USA, Kanada und Mexiko - in dem Land, das Trump eigentlich mit einer großen Mauer abschotten will.

Abgeschaut hat sich Infantino von Trump auch dessen Rhetorik. Nach schärfer werdender Kritik verurteilte der FIFA-Präsident schon 2017 "Fake News und alternative Fakten". Seine Reaktion auf die Eröffnung des Strafverfahrens durch die Schweizer Staatsanwaltschaft am Donnerstag war ähnlich abwehrend wie die auf die vorherigen großen und kleinen Vorwürfe, die ihn seit seinem Amtsantritt 2016 begleiten.

Er habe bei den geheimen Treffen mit Bundesanwalt Michael Lauber nur zu Ermittlungen gegen ehemalige FIFA-Funktionäre beitragen wollen, sagte Infantino. "Dieses war immer mein Anspruch und davon lasse ich mich nicht abbringen."

Infantino, der Aufklärer. Auch bei seiner Wiederwahl 2019, mitgetragen vom Deutschen Fußball-Bund und begleitet von Applaus, sprach Infantino von der "neuen" FIFA, die sich klar abgrenzen soll vom Weltverband unter Vorgänger Joseph Blatter, der für manche Funktionäre zum grenzenlosen Selbstbedienungsladen geraten war. Die kriminellen Machenschaften, die 2015 zu den spektakulären Verhaftungen in Zürich führten, machten den kometenhaften Aufstieg von Infantino kurioserweise erst möglich.

Der Schweizer, der wie Blatter aus dem beschaulichen Wallis stammt, war zuvor Generalsekretär der Europäischen Fußball-Union - ohne große Aussicht auf die ganz große Fußball-Bühne. Dann stürzte Blatter zusammen mit UEFA-Präsident Michel Platini über eine Millionenzahlung, die erst zur Eröffnung eines Strafverfahrens und dann zur Suspendierung durch die Ethikkommission führte. Jene FIFA-Ermittler, die ihre Unabhängigkeit mit den Sperren der beiden ranghöchsten Funktionäre festigten, sind nicht mehr im Amt. Infantino schasste beide bereits vor drei Jahren.

Kritik an dem Vorgehen - vor allem aus Deutschland, England und auch der Schweiz - wischte Infantino damals beiseite. Wie so oft. Die Zahl seiner Freunde im Weltverband scheint um ein Vielfaches größer. Infantinos FIFA schüttet mehr Geld an die Mitgliedsverbände aus, gibt sich transparenter und hat einen großen Reformprozess angestoßen. Der führte auch dazu, dass die Chef-Ethiker ausgetauscht wurden. Die neue Chefermittlerin María Claudia Rojas hat sich noch nicht zu dem Strafverfahren gegen Infantino geäußert.

"Ich kenne ihn sehr lange", sagte Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge im Interview mit "BR24 Sport". Infantino sei "eigentlich ein Freund des Fußballs und dem Fußball auch sehr positiv zugetan. Und ich hoffe, dass er die Dinge geregelt kriegt, weil eigentlich wäre er der richtige Mann, um die FIFA dann hoffentlich auch wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen."

In diesem wähnt sich Infantino. "FIFA-Offizielle haben sich mit Justizbehörden in anderen Rechtssystemen auf der ganzen Welt getroffen, und dies stellte nie ein Problem dar", sagte der 50-Jährige. "Insbesondere in den USA hat diese Zusammenarbeit zu über 40 strafrechtlichen Verurteilungen geführt. Dementsprechend unterstütze ich den Justizprozess weiterhin voll und ganz."

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