Spielberg. Ausflug in die Berge vor zweitem Österreich-Rennen. Was die Zukunftsfrage für Sebastian Vettel so schwer macht.

Sebastian Vettel suchte die Einsamkeit der Berge. Vor dem zweiten Formel-1-Rennen in der Steiermark unternahm der viermalige Weltmeister einen Ausflug in die Natur.

Der deutsche Ferrari-Fahrer wollte nach seinem Desaster beim Neustart der Königsklasse des Motorsports seine Gedanken sortieren. Vielleicht grübelte er auch über seine weitere Karriereplanung, die ihn aber nicht zurück zu seinem früheren Rennstall Red Bull führen wird.

"Es war gut an der frischen Luft zu sein, da war auch niemand. Ich war alleine, und das tut dann in der Situation gut", erzählte Vettel bei Servus TV von seinem Trip auf den Gipfel.

Sebastian Vettel: Ruhe finden beim Rasenmähen

Die Natur gibt dem 33-Jährigen viel. Vettel lebt auf einem umgebauten Bauernhof in der Schweiz, beim Rasenmähen findet er Ruhe. Mittlerweile gehört ihm auch eine Almhütte in der Steiermark, gar nicht so weit vom Red-Bull-Ring in Spielberg entfernt. "Einmal im Jahr bin ich da", verriet Vettel vor dem Großen Preis am Sonntag (15.10 Uhr/RTL und Sky). "Ich bin sehr gerne draußen, bin sehr gerne in den Bergen."

Nach sechs Jahren muss Vettel Ferrari verlassen. Die Scuderia setzt auf Charles Leclerc (22) und ab 2021 auf Carlos Sainz (25) als Ersatz des Deutschen. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto dürfte sich nach Vettels Österreich-Desaster zum Auftakt mit Platz zehn in seiner Fahrerentscheidung bestätigt sehen.

Michael Schumacher bei Ferrari als Vorbild

"Die letzten fünf Jahre haben von beiden Seiten nicht das gebracht, was das Ziel war. Trotzdem wäre es eine Option gewesen, weiterzumachen und auch an dem Ziel zu arbeiten", meinte Vettel, der so gerne seinem Idol Michael Schumacher nacheifern und die Scuderia wieder zu einem Weltmeisterteam machen wollte. Ferrari glaubte aber nicht mehr daran. Wie "aus dem Nichts" sei Vettel sein Aus verkündet worden. Tröstlich sind auch Binottos warme Worte nicht. "Er ist ein großer Champion und ein toller Mensch", lobte er.

Unmittelbar nach dem folgenschweren Telefonat kontaktierte Vettel einen alten Vertrauten: Der Heppenheimer rief bei Helmut Marko an und fragte ihn um Rat. Der Österreicher ist Motorsportberater bei Red Bull, jenem Team, mit dem Vettel von 2010 bis 2013 viermal in Serie alle WM-Titel abräumte. Mit Max Verstappen (22) und Alex Albon (24) hat der Rennstall von Milliardär Dietrich Mateschitz ein Duo für die Zukunft. Vettels Anruf bei Marko befeuerte aber wilde Spekulationen, dass der Hesse an die Stätte seiner Triumphe zurückkehren könnte.

Red Bull äußert sich

Vettel und Verstappen zusammen bei Red Bull? Ein Ex-Weltmeister an der Seite eines Vielleicht-Bald-Weltmeisters? Was für ein PR-Coup das doch wäre?! "Wir hätten nie erwartet, dass er so rüde von Ferrari vor die Tür gesetzt wird", meinte Red-Bull-Teamchef Christian Horner.

Das Szenario ist aber nur etwas für PS-Romantiker. "Bei uns ist kein Platz für Vettel. Wir sind mit (Alex) Albon besetzt und auch zufrieden mit ihm. Albon ist zur Hälfte Thailänder, und Red Bull gehört zu 51 Prozent Thailändern", sagte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko dem Fachmagazin "Auto, Motor und Sport".

Der Österreicher rät seinem früheren Schützling zu Abstand von der Formel 1. "An Stelle von Sebastian würde ich ein Jahr Auszeit nehmen und mir die Sache von außen anschauen. Vielleicht tut sich in dem Jahr etwas auf, vielleicht hat er dann einen besseren Überblick, vielleicht gefällt ihm aber das Leben mit der Familie so gut, dass er ganz hinschmeißt", sagte Marko weiter.

Kein Platz im Mercedes

"Ich habe noch keine Entscheidung getroffen und weiß es für mich selber auch noch nicht", sagte Vettel zu seiner Zukunft. Ihm sei es wichtig, "ein Umfeld zu finden, das passt". Das Finanzielle stehe für ihn nicht im Vordergrund, die Lust auf die Formel 1 sei noch immer vorhanden. "Ich möchte es eigentlich nicht missen, mit der richtigen Aufgabe und dem richtigen Platz, würde ich mich im Formel-1-Auto sehr zuhause fühlen", versicherte Vettel.

Auch das Weltmeisterteam Mercedes mit Champion Lewis Hamilton und Auftaktsieger Valtteri Bottas oder der kolportierte Notnagel Renault mit Rückkehrer Fernando Alonso und der französischen Hoffnung Esteban Ocon werden dem Deutschen für 2021 aber keinen Platz bieten.

Selbst sein früherer Red-Bull-Teamkollege Mark Webber wünscht sich, dass der Deutsche nicht verschwindet. "Ich hoffe, er tritt nicht zurück. Ich hoffe, er macht weiter", sagte der Australier, der sich früher mit Vettel auf dem Asphalt bekämpft hat.

Den Deutschen sieht er von Ferrari alleine gelassen. "Sie haben eigentlich seit Michael Schumachers Zeiten alle Fahrer im Stich gelassen, sie bringen kein Siegerauto mehr zusammen", befand Webber. "Er trägt einen roten Overall, aber er fährt nicht mehr für Ferrari, sondern nur für sich selber." Fährt Vettel denn 2021 überhaupt noch? Die Antwort findet er vielleicht in den Bergen.