München. Für den FC Bayern beginnt die Aufholjagd im spannendsten Titelkampf seit langem mit dem prickelnden Duell gegen Jürgen Klinsmann. Der einst gescheiterte Ex-Coach hat vor dem Wiedersehen Lizenz-Ärger. Für Flick geht's in der Rückrunde nicht nur um die Schale.

Bei der Meisterfrage lachte Hansi Flick entspannt. Im spannendsten Titelkampf seit vielen Jahren will der FC Bayern beim Wiedersehen mit dem in München einst krachend gescheiterten Jürgen Klinsmann die große Bundesliga-Aufholjagd starten.

"Wir haben die Qualität, Meister zu werden. Bayern hat letztes Jahr gezeigt, dass man einen größeren Rückstand aufholen kann. Wir werden alles versuchen, dass wir das dieses Jahr auch wieder hinbekommen", sagte ein selbstbewusster Flick zwei Tage vor dem Rückrundenstart am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) in Berlin.

Für den zumindest bis zum Saisonende zum Chefcoach beförderten Flick geht es an den restlichen 17 Spieltagen aber nicht nur um die Meisterschale, sondern auch um die eigene Zukunft. "Es ist einfach ein geiler Verein. Man sieht, wieviel Power er hat. Deswegen arbeite ich auch gerne hier", sagte der 54-Jährige.

Pünktlich zum Spiel bei der von Klinsmann trainierten Hertha ist Tormaschine Robert Lewandowski vier Wochen nach seiner Leistenoperation im Starensemble zurück. "Er ist nahe an 100 Prozent", sagte Flick. Der Bayern-Trainer freute sich auch über die Rückkehr von Serge Gnabry "mit neuer Frisur" nach Achillessehnenproblemen. Neuzugänge erwartet er bis zum Wochenende keine, ausschließen mochte er sie auch nicht. "Aber es gibt keine Ausrede. Wir haben einen Kader, der auch in Berlin bestehen kann", sagte Flick. "Wir wollen dort den ersten Schritt machen." Lucas Hernández, Javi Martínez, Kingsley Coman und Niklas Süle fehlen.

Der Serienmeister muss für seinen achten Titel am Stück vier Punkte auf Herbstchampion RB Leipzig gutmachen; vor dem Meisterstück vor einem Jahr lagen die Münchner zeitweise sechs Punkte hinter Dortmund. "Wir wollen wieder deutscher Meister werden und dafür müssen wir eine Aufholjagd starten", sagte der gesperrte Nationalspieler Joshua Kimmich.

Die Wirren der Hinrunde mit dem Aus von Niko Kovac nach dem 1:5 bei Eintracht Frankfurt als Tiefpunkt haben die Bayern unter Flick längst hinter sich gelassen - sie sind wieder in Schlagdistanz auf die Spitze. "Das gibt Selbstvertrauen für die Rückrunde", sagte Flick. Für den Weltmeister-Assistenten von Joachim Löw beginnt mit dem Duell gegen den früheren Löw-Chef Klinsmann auch persönlich ein spannendes Jahr. Am Ende - so der Flick-Wunsch - soll neben der 30. Meisterschaft ein Vertrag als Cheftrainer stehen. "Es ist wichtig, dass der FC Bayern ganz in Ruhe entscheiden kann", sagte er.

Als wegweisend stufen die Münchner ihr Startprogramm mit Hertha (A), Schalke (H) und Mainz (A) ein. "Wir müssen gleich da sein, wir sind unter Druck", sagte Thomas Müller. Drei Siege sind vor dem frühen Topduell am 9. Februar gegen sächsischen Emporkömmling das Ziel.

Ein nervenaufreibender Titelkampf ist programmiert. "Wir sind eine Mannschaft, die nach oben schaut. Aber natürlich lassen wir Dortmund nicht außer Acht", warnte Kapitän Manuel Neuer vor dem mit Sturmjuwel Erling Haaland verstärkten BVB. Die Westfalen folgen drei Punkte hinter den Bayern, auch Gladbach und Schalke sind Kandidaten für Topplätze. "Die Liga ist ausgeglichener. Das ist schön und das tut gut", sagte Flick.

Die Bundesligapartie im mit über 74.000 Plätzen ausverkauften Olympiastadion ist die erste in der Amtszeit von Oliver Kahn als Vorstand. Und das gegen Klinsmann, der ihn als Bundestrainer durch die Degradierung zur Nummer zwei das persönliche WM-Sommermärchen 2006 vermieste. "Wir wollen uns nicht erlauben, die Meisterschaft abzugeben", forderte Kahn bei seinem Start als neues Mitglied der Münchner Chefetage schon. "Unsere Serie ist unglaublich, siebenmal in Folge Meister. Das ist für die Ewigkeit - achtmal allerdings auch!"

Als Kahns Teamkollege erzielte Klinsmann von 1995 bis 1997 in 84 Spielen 48 Tore für Bayern, zertrat eine Werbetonne. Seine spannungsgeladenes Trainer-Engagement dauerte nur vom Sommer 2008 bis April 2009, bittere Niederlagen wie 0:4 beim FC Barcelona und umstrittene Buddha-Figuren sind besonders in Erinnerung geblieben. "Ich hatte spannende Jahre bei Bayern. Medial ist vieles negativ geredet worden, für mich war es keine negative Zeit", sagte Klinsmann vor dem Spiel gegen "das Aushängeschild des deutschen Fußballs".

Der 55-Jährige musste sich dieser Tage mit offenen Fragen zu seiner Trainerlizenz befassen, gab sich aber entspannt. "Ich denke, es wird in den nächsten paar Tagen erledigt sein. Wenn es bis übermorgen erledigt ist, schön. Wenn nicht, dann wird es halt nächste Woche erledigt, es ist gar kein Problem", fügte er am Freitag hinzu.

Der Blick auf die bayerischen Bilanzen der vergangen Spielzeiten sollte der Konkurrenz Sorgen bereiten. Viermal nacheinander waren die Münchner das beste Team der Rückrunde, seit 2017 war der Vorsprung immer mindestens sechs Punkte groß - das würde wieder reichen.