Bremen. Die Säle der Museen sind verwaist, Stille herrscht auf allen Fluren. Die Corona-Krise hat die Türen fürs Publikum verschlossen. Die Kunst bleibt dahinter allein. Der digitale Besuch ist ein Provisorium.

Ratlos schaut der Kardinal im Purpurornat auf dem zwei mal zwei Meter großen Gemälde auf die Museumswände mit schwarzen Bildern. Er ist ganz allein, wirkt verloren. "Saal 9" hat Norbert Schwontkowski (1949-2013) sein Werk genannt, das in der Kunsthalle Bremen hängt. Im Original zu sehen ist es für Besucher nicht.

Es gibt keine Besucher. Die Ausstellungseröffnung wurde verschoben. "Ein eigenartiges Gefühl. Wir haben aufgebaut und wussten schon zum Schluss, dass wir wegen der Corona-Krise nicht öffnen", sagt Kuratorin Eva Fischer-Hausdorf. Auch sie steht etwas ratlos in den großen, leeren Ausstellungsräumen. "Man erkennt sich selbst im Kardinal."

Wie der Kunsthalle Bremen geht es allen Museen in Deutschland: "Wegen Corona geschlossen". Je nach Finanzierungsmodell und Träger geraten die Einrichtungen ohne die Einnahmen finanziell in schwieriges Fahrwasser. Sind die Museen zu, wird nicht nur kulturinteressierten Menschen schmerzlich bewusst, was fehlt. Denn Kulturvermittlung braucht Präsenz, im digitalen Zeitalter vielleicht mehr denn je. "Es gibt eine absolute Sehnsucht nach dem Original und der Begegnung mit dem Werk", sagt Kunsthallen-Direktor Christoph Grunenberg. "Das Museum ist der eigentliche Ort und das Zuhause von Kunst."

Die in Kooperation mit Museen in Bonn und Den Haag erarbeitete Ausstellung "Norbert Schwontkowski: Some Of My Secrets" in der Bremer Kunsthalle hatte einen fast zweijährigen Vorbereitungsvorlauf. Wann die 70 Exponate des Malers - darunter groß- und kleinflächige Bilder und viele der 500 von Schwontkowski liebevoll gefüllten Skizzenhefte - zu sehen sein werden, ist noch offen. "Das steht in den Sternen", sagt die Kuratorin.

Bis es soweit ist, versucht auch Bremen Kulturvermittlung übers Netz. "#NorbertDaily" heißt eine Aktion auf den Social-Media-Kanälen Facebook und Instagram, bei der täglich ein anderes Bild des Malers gezeigt wird. "Das Digitale ist sehr, sehr wichtig", sagt Eckart Köhne, Direktor des Badischen Landesmuseums und Präsident des Deutschen Museumsbundes. "Aber irgendwann will man dann auch mal vor der Mona Lisa stehen."

Natürlich kann man die Mona Lisa oder Botticellis Venus in allen Größen, Schattierungen und Zoomabstufungen stundenlang zuhause auf dem PC-Bildschirm auf- und abscrollend bewundern. "Aber die emotionale Ansprache ist völlig anders", so Köhne. "Wer in ein Museum geht, der kommt in ein anderes Setting." Kunstwerke würden im Zusammenspiel mit anderer Kunst erlebbar. Auch der "Dialog der Hängung", erstellte Sichtachsen, thematische Schwerpunktsetzungen - all das sei digital nur schwer zu erfassen. Der Betrachter am heimischen PC verlasse ja physisch den Raum des Arbeits- oder Wohnzimmers nicht. "Deswegen hat die Begegnung mit dem Authentischen, dem Analogen, doch eine ganz eigene Qualität."

Digital nur unzureichend kann auch die für viele Werke wichtige Größendimension erfasst werden. "Stehen Sie vor der Nachtwache von Rembrandt, dann treten Ihnen diese Menschen nahezu lebensgroß entgegen. Wenn Sie ein ganz kleines Objekt, ein Schmuckstück oder eine Schnitzerei nehmen, dann spielt es ja eine Rolle, dass der Künstler etwas in diesem kleinen Format geschaffen hat. Solche Dinge werden durch einen Bildschirm natürlich nivelliert."

Dennoch eröffnet das digitale Medium gerade in der Krise Möglichkeiten, die es im analogen Zeitalter nicht gab. Die Kunsthalle Bremen denkt etwa darüber nach, online interaktive Führungen mit begrenzter Teilnehmerzahl anzubieten, die dann vielleicht auch Einnahmen für die Honorarkräfte bringen könnten. "Gerade Schwontkowski ist ein Künstler, der ja über existenzielle Fragen und Ängste nachdenkt", sagte Kunsthallendirektor Grunenberg mit Blick auf die Ausnahmesituation. "Eigentlich eine perfekte Ausstellung, und die versuchen wir jetzt soweit wie möglich zu teilen."