Berlin. Produkte aus Einwegplastik dürfen ab Juli EU-weit nicht mehr verkauft werden. Macht nichts: Bald könnten wir die Verpackungen mitessen.

Vor dem Corona-Lockdown waren es Becher für den schnellen Kaffee unterwegs und den Snack auf die Hand. Heute, in Zeiten von Homeoffice und boomenden Lieferdiensten, sind es andere Einweg-Verpackungen aus Plastik und Styropor, die im verstärkt im Umlauf sind. Und schon naht die Grillsaison, wo erneut Plastikbesteck, Einweggeschirr und Strohhalme vermehrt in den Einkaufswagen der Verbraucherinnen und Verbraucher landen dürften. Doch Kunden und Händler müssen sich ab Sommer umstellen.

Einwegplastik-Verbot: Was plant die EU ab Sommer?

Grund ist das EU-weite Plastikverbot, das ab 3. Juli 2021 in Kraft tritt. Ab dann dürfen Produkte aus Einwegplastik innerhalb der EU nicht länger verkauft werden. Ab Sommer soll demnach weitgehend Schluss sein mit Kaffeebechern, Grillgeschirr, Wattestäbchen und anderen Alltagsartikeln, die nach dem Gebrauch in den Müll wandern und oft später in Form Mikroplastik in der Umwelt landen. Lesen Sie auch: Ein wichtiger Gletscher schmilzt wohl unumkehrbar

Ab Sommer öffnet sich dafür ein riesiger Markt, der alternative Produkte zum Einwegplastik bietet – und auf dem auch deutsche Unternehmen eine Rolle spielen wollen.

So viel Müll entsteht durch Coffee to go und Co.

Das geplante Verbot halten nicht nur Umweltschützer für längst überfällig. Einwegplastik hat den Alltag bis heute durchdrungen. Der klassische Kaffee zum Mitnehmen beim Bäcker um die Ecke ist nur ein Beispiel: Allein 320.000 Kaffeebecher verbrauchen Menschen hierzulande jede Stunde, hat das Bundesumweltministerium berechnet. Das sind 2,8 Milliarden Becher pro Jahr. Und damit das Heißgetränk auch heiß bleibt, kommen laut Bundesumweltamt noch 1,3 Milliarden Kunststoffdeckel jährlich dazu. Ab Sommer darf beides nicht länger aus Einwegplastik bestehen.

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Schützen soll das EU-weite Einwegplastik-Verbot nicht nur Umwelt und Tiere, sondern nicht zuletzt auch die Menschen selbst. Das Problem heißt: Mikroplastik. Wie genau entsteht das? Plastik, beispielsweise von Lebensmittel-Produkten, landet oft nicht im Mülleimer, sondern auf Parkwegen, angeschwemmt an Flussufern oder am Strand. Wird es dort nicht aufgesammelt, zerbröselt es mit nach und nach in kleinste Teile, die von Wind weggeweht oder vom Wasser fortgetragen werden.

Eine Maske liegt am Straßenrand – da gehört sie nicht hin.
Eine Maske liegt am Straßenrand – da gehört sie nicht hin. © Sebastian Gollnow/dpa

Letztendlich landet das Mikroplastik im Meer, in Flüssen oder Seen. Dort wird es von Vögeln und Fischen gefressen. Über das Trinkwasser, die Atemluft, in Form von Salz oder etwa Schalentieren sowie über andere mögliche Wege findet Mikroplastik früher oder später den Weg in die Lebensmittel und Getränke der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber selbst in die Kleidung gerät es.

Fünf Gramm Mikroplastik am Tag in der Nahrung

Je nach den Lebensumständen und der gewohnten Ernährung nehmen Menschen mitunter pro Tag so viel Mikroplastik zu sich, dass es dem Gewicht einer Kreditkarte entspricht: Fünf Gramm. Das haben australische Forscher ermittelt. Die Studie zur Aufnahme von Mikroplastik bezog sich auf Teilchen kleiner als fünf Millimeter. Das Einwegplastik-Verbot soll diesen Kreislauf durchbrechen – eine Chance für Entwickler und Firmen, neue Verpackungen zu erfinden mit dem Ziel „zero waste“ – null Abfall. Das geschieht längst auch in Deutschland.

In Göttingen beispielsweise hat sich das Start-up namens Kulero der Mission verschrieben, Löffel, Schüsseln, Teller oder Strohhalme zu vertreiben, die allesamt essbar sind. Produzieren lassen die beiden Jungunternehmer ihre Waren aus Brot in Westindien und bei einem Kekshersteller in Baden-Württemberg.

Essbare Verpackung: Damit wollen deutsche Firmen vom Verbot profitieren

Wer nimmt die neuen Produkte ab und macht sie damit einem breiten Markt zugänglich? Laut Kulero sind es:

  • Supermärkte wie Rewe und Edeka.
  • Aber auch Restaurants und Hotels gehören zu den Kunden.
  • Gefängnisse und Psychiatrien kaufen bei dem Unternehmen ein - allerdings vor allem, damit Häftlinge und Patienten sich nicht an Besteck aus Metall verletzen.

Geschirr aus Brotteig statt aus Plastik – diesen Gedanken verfolgt auch das Unternehmen Füllet. Hier wird alles biologisch produziert – aus Weizen- und Roggenmehl, Wasser, Rapsöl und Salz.

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    Statt an Teig wird anderswo an einem anderen Rohstoff geforscht als möglichen Plastik-Ersatz bei Verpackungen: Algen. An der Entwicklung versuchen sich derzeit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) gemeinsam mit der Hochschule Bremerhaven. Sie arbeiten beim Thema Algen-Verpackung zusammen mit der Fischhandels-Kette Nordsee.

    Längst zum Alltag gehören Algen-Verpackungen etwa in Indonesien. Dort stellt etwa das Unternehmen Evoware aus Algen und Seegras laut Website „biologisch abbaubare Alternativen zu Einwegplastik-Produkten“ her. Sie sind kompostierbar und essbar – und unterstützen örtliche Meeresalgenbauern.

    Gegen verdorbenes Gemüse: Edeka testet „zweite Haut“ für Avocados

    Hierzulande testet die Supermarktkette Edeka derzeit bereits an Avocados einen neu entwickelten Schutzfilm für Obst und Gemüse, bestehend aus pflanzlichen Materialien. Das Ziel: Er soll verlangsamen, dass das Gemüse Wasser verliert und Sauerstoff eindringt – beides verdirbt Obst und Gemüse schnell, wenn es nicht in Plastik verpackt ist. Entwickelt hat den nachhaltigen Schutzfilm das US-Unternehmen Apeel (übersetzt: eine Schale).

    Wer also bald zu Hause sein Gemüse auspackt, kann die Verpackung womöglich in die Biotonne werfen – und nicht in den Plastikmüll.

    (mahe/dpa)