Berlin. Schützende Antikörper ohne Sars-CoV-2-Infektion – britische Forscher haben Überraschendes in Blutproben von Kindern entdeckt.

  • Britische Forscher haben einen Hinweis auf die Ursache der eher milden Corona-Verläufe bei Kinder gefunden
  • In einer Studie stellten sie fest, dass Kinder viel häufiger als Erwachsene über wirksame Antikörper verfügen
  • Überraschend: Bei einigen Kindern waren diese Antikörper schon vor der Pandemie nachzuweisen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Großbritannien haben einen Hinweis darauf entdeckt, warum Kinder meist nur leicht an Covid-19 erkranken . Die Ursache dafür könnte eine Kreuzreaktion des Immunsystems sein. Viele Jungen und Mädchen hatten schützende Antikörper im Blut, ohne infiziert gewesen zu sein. Die Studie ist im Fachjournal „Science“ veröffentlicht worden.

Das Forscherteam um den Immunologen Kevin Ng vom Francis Crick Institute (London) hatte eine neuartige Methode entwickelt, um Antikörper gegen Sars-CoV-2 im Blut nachzuweisen. Bei der Prüfung ihrer Methode testeten sie auch Blutproben aus der Zeit vor der Pandemie . Zur großen Überraschung fanden sie dabei Antikörper gegen das Stachelprotein von Sars-Cov-2. Dazu auch: Wie viele Kinder sind infiziert

Dieser Fund sei ein Hinweis auf das Vorhandensein eines kreuzreaktiven immunologischen Gedächtnisses, schreiben die Forscher. Das bedeutet, dass die Reaktion ausgelöst worden sein könnte durch den Kontakt mit anderen Sars-CoV-2-verwandten Coronaviren. Mehrere davon sind seit Jahren weltweit verbreitet und verursachen bei Infizierten eine Erkältung.

Das Virus wird daran gehindert, in die Zelle einzudringen

Auch gegen diese Erkältungs-Viren, schreiben die Forscher aus London, bildet das Immunsystem Antikörper. Sie wirken neutralisierend, hemmen also die Funktionalität. Im konkreten Fall verhindern sie, dass das an die Zelle angeheftete Virus in diese eindringen kann.

Zumindest an Zellkulturen konnten die Forscher zeigen, dass die kreuzreaktiven Antikörper Zellen vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 schützen. Ob sie auch im menschlichen Körper diese schützende Wirkung haben, ist aber noch nicht abschließend geklärt.

Das Auffälligste an den Ergebnissen der Wissenschaftler aus London war der Unterschied zischen den Proben von Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern. Die Proben von Erwachsenen wiesen deutlich weniger neutralisierende Antikörper gegen Coronaviren auf als die von Jugendlichen und Kindern. Bei Erwachsenen waren solche Antikörper mit fünf Prozent sogar relativ selten.

Es könnte an der Häufigkeit von Erkältungen liegen

Die Wissenschaftler untersuchten daher weitere Kohorten jüngerer, nicht mit Sars-CoV-2-infizierter Spender im Alter von eins bis 16 Jahren. In 21 von 48 konnten gegen Sars-CoV-2 wirksame Antikörper nachgewiesen werden. Bei einer anderen Probenreihe von 43 jungen Erwachsenen im Alter von 17-25 Jahren waren dagegen nur in einem Fall solche Antikörper vorhanden.

Die Seltenheit der Kreuzreaktivität bei Erwachsenen deutet der Studie zufolge auf zusätzliche Anforderungen hin, die erfüllt sein müssten, wie etwa eine Häufigkeit der letzten Erkältungs-Infektionen. Lese Sie dazu auch: Corona, Grippe, Erkältung - Symptome richtig deuten

„Tatsächlich kennen wir dieses kreuzreaktive Verhalten dieser saisonalen Coronavirus-Antikörper mit dem früheren Sars-Virus aus dem Jahr 2003 seit vielen Jahren“, sagt Julian Tang, klinischer Virologe der Universität Leicester, der nicht an der Studie beteiligt war. Dass Kinder hier stärker reagieren, überrascht ihn nicht. Sie hätten mehr Kontakt mit Viren und ihr Immunsystem sei besser trainiert.

Bestätigt durch eine internationale Studie

Laut Tang könne diese Kreuzreaktivität des Immunsystems in beide Richtungen wirken. „Daher bietet ein neuer Covid-19-Impfstoff möglicherweise auch einen gewissen Kreuzschutz gegen einige der saisonalen Erkältungs-Coronaviren“, so Tang weiter.

Peter Openshaw, Professor für Experimentelle Medizin am Imperial College London, findet die entdeckten kreuzreaktiven Antikörper interessant. „Es ist aber noch nicht klar, ob dies die relativ milde Krankheit bei jüngeren Menschen wirklich erklärt“, sagte er. Ebenfalls unklar sei, warum ältere Menschen diese Antikörper nicht haben.

Dass Kinder selten ernsthaft an Covid-19 erkranken, ist der Wissenschaft seit längerem bekannt. Zuletzt bestätigte dies eine multinationale Studie aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Südkorea und den USA. Je nach Standort wurden nur 0,3 bis 1,3 Prozent der Patienten so krank, dass sie in einer Klinik behandelt werden mussten, Todesfälle innerhalb von 30 Tagen waren nicht nachweisbar. Die in die Klinik eingewiesenen Kinder und Jugendlichen hatten meist Begleiterkrankungen wie Störungen der neurologischen Entwicklung, Herzkrankheiten oder Krebs.