Wolfsburg. Eine Ausstiegsklausel soll den Wechsel der Wolfsburger Nationalspielerin möglich machen. VfL-Fußballerinnen droht ein großer Umbruch.

Beim 3:0 gegen Eintracht Frankfurt hatte Lena Oberdorf wieder ein richtig starkes Spiel für die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg hingelegt. Die Nationalspielerin, die auf ein schwieriges Jahr 2023 zurückblickt, machte einen extrem starken Eindruck, räumte defensiv alles ab und gab immer wieder wichtige Impulse für das Offensivspiel; der VfL hat endlich „die alte Lena“ zurück. Allein: Das wird aller Voraussicht nach nicht mehr lange der Fall sein. Oberdorf steht, wie zuerst das Frauenfußball-Portal soccerdonna.de berichtete, vor einem Wechsel zum großen nationalen Wolfsburg-Rivalen Bayern München. Es ist ein Wechsel, der für die 22-Jährige durchaus Sinn ergeben würde.

2020 kam Oberdorf im Alter von 18 Jahren als Riesentalent von der SGS Essen an den Mittellandkanal und übererfüllte die Erwartungen an sie von Anfang an. Sie ist ein fester Anker im Mittelfeld, defensivstark, mit toller Übersicht und zugleich torgefährlich. Ihre starke VfL-Bilanz: 102 Spiele, 22 Tore und 14 Vorlagen - als defensive Mittelfeldspielerin. Sie holte einmal die deutsche Meisterschaft, drei DFB-Pokalsiege und stand in zwei Champions-League-Finals.

Ausstiegsklausel dürfte den Bayern bei Lena Oberdorf helfen

Ihr Vertrag in Wolfsburg gilt noch bis zum Sommer 2025, aber offenbar nutzt Meister Bayern eine Ausstiegsklausel, um sie schon jetzt aus Wolfsburg loszueisen. Warum es sie zum größten nationalen Konkurrenten zieht? Die 22-Jährige hatte im alten Jahr die Lust am Fußball ein Stück weit verloren. Verlorenes Königsklassen-Finale, Vorrunden-Aus bei der WM und verpasste Qualifikation für die Champions-League-Gruppenphase - und das alles in einer Zeit, in der der Hype auch um sie persönlich als wertvollste deutsche Spielerin (Marktwert laut soccerdonna 375.000 Euro) riesengroß war.

Kennen sich bestens: Lena Oberdorf (links) und Bayerns Lea Schüller. Es sieht so aus, als würden sie ab der kommenden Saison in München zusammenspielen.
Kennen sich bestens: Lena Oberdorf (links) und Bayerns Lea Schüller. Es sieht so aus, als würden sie ab der kommenden Saison in München zusammenspielen. © imago/Beautiful Sports | IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Jones

„Ich versuche, wieder auf den Platz zu gehen und Spaß zu haben. Man spielt hier mit seinen Freunden zusammen, es gibt eigentlich nichts Geileres. Das ging mir in der letzten Zeit ein bisschen verloren“, hatte sie während der Wintervorbereitung gesagt. Mal ganz abgesehen von der Möglichkeit, finanziell wahrscheinlich noch mal einen Schritt nach vorne zu machen: In München würde sie auch mit einer ihrer besten Freundinnen zusammenspielen. Nationalstürmerin Lea Schüller, die 2020 von Essen zu den Bayern gewechselt war.

Vielleicht braucht es nach dieser für sie persönlich so schwierigen Zeit auch eine Luftveränderung. Bisher spielte bei Oberdorfs Zukunfts-Entscheidungen der Wohlfühlfaktor eine wesentlichere Rolle als der finanzielle Aspekt. Man darf davon ausgehen, dass neben den Bayern auch zahlreiche europäische Topklubs um die Nationalspielerin gebuhlt haben, Paris St. Germain und der FC Chelsea wurden zuletzt genannt. Und vielleicht sieht sie mit Blick auf die kommenden Jahre in München auch die besseren Chancen, um um Titel mitzuspielen. Den VfL würden die Bayern - das kennt man bereits von den Männern - mit diesem Transfer entscheidend schwächen. Ob sie damit endgültig davonziehen werden, bleibt abzuwarten. Das hatten viele schon im Sommer erwartet, als Pernille Harder und Magdalena Eriksson vom FC Chelsea kamen.

Oberdorf persönlich, das war am Sonntag gegen die Eintracht deutlich zu sehen, befindet sich wieder im Aufwind. „Ich bin auch zufrieden. Ich fühle mich ein bisschen spritziger. Ich fühle mich auch ein bisschen leichter unterwegs auf dem Platz und nicht mehr so schwerfällig. Ich glaube, das merkt man dann in den Spielen“, sagte sie nach Frankfurt. Auch um die Spiele herum macht „Obi“ wieder einen lockereren Eindruck. Vor der Winterpause hatte sie sich, ähnlich wie Kapitänin Alexandra Popp, aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, stand nach den Spielen nur noch selten für Interviews zur Verfügung.

Dem VfL Wolfsburg droht in diesem Jahr ein großer Umbruch

Mit Felicitas Rauch hatte schon im Winter eine Nationalspielerin den VfL verlassen, im Sommer folgt aller Wahrscheinlichkeit nach Oberdorf. Und bei weiteren Stammspielerinnen wie Dominique Janssen, Svenja Huth, Joelle Wedemeyer (Verträge laufen aus) sowie Marina Hegering (könnte im Rahmen ihres Vertrages in den Trainerstab wechseln) ist - zumindest offiziell - noch offen, ob sie weiter für Wolfsburg auflaufen werden. Dem Klub steht in diesem Jahr aller Voraussicht nach ein riesengroßer Umbruch bevor.

Es würde den Wölfinnen, auch in der öffentlichen Wahrnehmung helfen, wenn sie nach Abgängen oder zumindest Gerüchten darum, selbst ein Zeichen setzen. Denn an den ambitionierten Zielen hat sich im Klub nichts geändert, wie Marcel Schäfer erst im Winter betonte. Mit den Fußballerinnen wolle der VfL „ohne Wenn und Aber Titel gewinnen“, so der Geschäftsführer Sport vor gut einem Monat. Der Stellenwert des Teams ist im Klub groß, wie nicht nur die regelmäßigen Partien in der VW-Arena zeigen (das nächste ist das gegen die Bayern am Samstag, 23. März, um 17.45 Uhr), sondern auch das Interesse des Geschäftsführers. Schäfer schaut regelmäßig bei den Spielen zu, guckt auch regelmäßig bei den Trainingseinheiten vorbei.

Allzu groß sollten die Sorgen um das erfolgreichste deutsche Frauenfußball-Team des zurückliegenden Jahrzehnts (noch) nicht werden: In der Vergangenheit gab‘s immer mal wieder Zweifel daran, ob der VfL in der Lage ist, seine hochkarätigen Abgänge zu ersetzen. Bisher hat Ralf Kellermannn, Direktor Frauenfußball des Klubs, immer adäquaten Ersatz gefunden, der es ihnen ermöglicht hat, Trophäen zu holen (seit 2013 durchgehend immer mindestens eine).

Mit der niederländischen Nationalverteidigerin Caitlin Dijkstra ist erst ein Sommerzugang fix. Ein möglicher Oberdorf-Ersatz ist Janina Minge (wir berichteten). Sie hat bereits angekündigt, den SC Freiburg nach der Saison verlassen zu wollen. Zuletzt hieß es, der VfL sei aussichtsreich im Rennen. Möglich, dass sie inzwischen eine Entscheidung pro Wolfsburg getroffen hat. Mit Innenverteidigerin Camilla Küver und Außenbahnturbo Vivien Endemann hatte der Klub im zurückliegenden Sommer zudem Vorgriffe für 2024 getätigt. Vor allem Endemann überzeugt bereits jetzt, ist hinter Ewa Pajor Wolfsburgs treffsicherste Angreiferin.