Berlin. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit 25 Jahren. Doch als jeder Vierte Hartz IV-Empfänger bezieht die Leistungen acht Jahre oder länger.

Es ist eine bittere Nachricht, die so gar nicht zu den Erfolgsmeldungen vom Arbeitsmarkt passen will: Für Millionen erwerbsfähiger Menschen in Deutschland ist der Bezug von Hartz IV zum Dauerzustand geworden. Während die Bundesagentur für Arbeit am Donnerstag die niedrigsten Arbeitslosenzahlen seit 25 Jahren bekannt gab, zeigt eine neue Statistik, dass der Boom bei vielen nicht ankommt: Mehr als jeder vierte erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger erhält die Leistung seit acht Jahren oder länger. Ein Grund: Deutschland tut sich besonders schwer mit dem Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit.

Wie beunruhigend sind die Daten?

Die Zahl der erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger lag im September bei 4,28 Millionen. Sie ist damit im Vergleich zum Vorjahresmonat nur um 8000 gesunken. Das Ausmaß der Misere enthüllt allerdings eine Sonderauswertung, die die Agentur für die Linken-Abgeordnete Sabine Zimmermann erhoben hat: Danach erhielten von diesen 4,2 Millionen Hartz-IV-Beziehern 1,2 Millionen die Leistung schon acht Jahre oder länger. Und fast die Hälfte bekam die Unterstützung immerhin vier Jahre.

Geht es nur um Arbeitslose?

Nicht nur, aber die Langzeitarbeitslosen sind die wichtigste Gruppe. Es geht um jene, die seit über einem Jahr arbeitslos und beim Jobcenter gemeldet sind und Hartz IV beziehen. Ihre Zahl liegt aktuell bei 1,82 Millionen. Hinzu kommen in der Statistik rund 1,2 Millionen Arbeitnehmer, die als „Aufstocker“ zu ihrem niedrigen Einkommen ergänzend Hartz IV beziehen, Alleinerziehende, die dem Arbeitsmarkt nur beschränkt zur Verfügung stehen oder Auszubildende mit Anspruch auf Hilfe. Ebenso zählen Menschen dazu, die wegen der Pflege eines Angehörigen auf die Grundsicherung angewiesen sind oder frühere Arbeitslose, die von Vorruhestandsregelungen Gebrauch machen und deshalb aus der Arbeitslosenstatistik gerutscht sind. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kritisiert, Deutschland tue sich schwerer als andere Länder, Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Wo liegen die Probleme?

Besonders betroffen sind Menschen ab 50 Jahren – werden sie arbeitslos, finden sie nur schwer eine Stelle: „Jobverlust im Alter wird in Deutschland zunehmend zu einer Falle, aus der sich die Betroffenen nicht befreien können“, heißt es in einer Studie der Bertelsmann-Stiftung.

Schwer ist es auch für Menschen mit gesundheitlichen Handicaps, Leistungsbezieher ohne Schul- und Berufsabschluss oder mit schlechten Deutschkenntnissen. Etwa die Hälfte der Langzeitarbeitslosen hat keine oder nur

eine sehr niedrige Berufsqualifikation. Dass auch viele Alleinerziehende Hartz IV beziehen, liegt zum Teil an nach wie vor mangelnden Kinderbetreuungsplätzen.

Was tut die Politik?

2015 wurden 347 000 Langzeitarbeitslose über Programme der Bundesagentur gefördert – sei es durch Aktivierungsangebote, Weiterbildungen oder Eingliederungszuschüsse. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat zudem Sonderprogramme aufgelegt: So sollen bis 2018 rund 33 000 Langzeitarbeitslose von einem neuen Angebot profitieren, bei dem die Bundesagentur einen Teil des Lohns vorübergehend übernimmt und Arbeitslosen einen Coach für den Einstieg ins Berufsleben zur Seite stellt. Mit einem weiteren Sonderprogramm gibt es bis 2018 für 10 000 ältere Menschen mit gesundheitlichen Handicaps Lohnzuschüsse bis zu 100 Prozent.

Doch die Programme laufen nur schleppend an. Insgesamt sind die Eingliederungsbudgets für Langzeitarbeitslose in den vergangenen Jahren gekürzt worden. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, plädiert für einen staatlich subventionierten Arbeitsmarkt, auf dem schwer vermittelbare Arbeitslose dauerhaft Beschäftigung finden könnten: „Bevor wir die Menschen ohne Würde und Sinn zu Hause sitzen lassen, ist ein öffentlich gefördertes Arbeitsangebot besser – und nicht viel teurer als Arbeitslosigkeit.“