Debatte des Tages. Neuer grüner Pragmatismus: Die Partei will Gorleben um jeden Preis als Atommüll-Endlager verhindern, lässt den Salzstock aber in der Auswahl für die geplante bundesweite Endlagersuche.

Die Grünen wollen Gorleben als Atomendlagerstandort verhindern und berufen sich dabei auch auf die Erfahrungen im Endlager Asse - trotzdem ist die Partei bereit, bei einer neuen Suche nach einem Atomendlager-Standort Gorleben nicht von vornherein auszuschließen (Den Kommentar "Grüne Lizenz zum Lavieren" lesen Sie hier).

Den Kompromiss-Beschluss fasste der Grünen-Bundesparteitag am Sonntag in Hannover gegen den ursprünglichen Wunsch des niedersächsischen Landesverbandes. Die Grünen lassen damit die Tür zu einem parteiübergreifenden Endlager-Konsens offen, über den seit über einem Jahr verhandelt wird - zum Ärger von Anti-Atominitiativen.

Allerdings fordern die Grünen deutliche Nachbesserungen an den bisherigen Vorschlägen von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und drohen mit Ablehnung: Die Suchkriterien für ein Endlager müssten bereits im Gesetz klar fixiert werden. Wenn der bestehende Verdacht, dass es bei dem Gesetz nur um eine nachträgliche Legalisierung des Standortes Gorleben gehe, nicht ausgeräumt werde, würden die Grünen nicht zustimmen. Der Asse-Untersuchungsausschuss im Landtag habe weitere Argumente gegen ein Endlager in Gorleben geliefert: „Die Asse war eine Blaupause für Gorleben.“

Dem Beschluss waren stundenlange Verhandlungen hinter den Kulissen vorausgegangen: Die niedersächsischen Grünen hatten die Bundespartei ursprünglich auf ihre Linie festlegen wollen, Gorleben müsse politisch und von vornherein von der Endlagersuche ausgeschlossen werden. „Gorleben ist willkürlich ausgesucht worden und muss aufgegeben werden - und zwar für immer“, sagte Landtags-Fraktionschef Stefan Wenzel. Der mit sehr breiter Mehrheit getragene Kompromiss, dem auch niedersächsische Delegierte zustimmten, beruht nun auf der internen Überlegung, gesetzlich so strenge Suchkriterien festzulegen, dass Gorleben dann automatisch aus dem Rennen ist.

Mit dem Parteitagsvotum ist es führenden Grünen um Fraktionschef Jürgen Trittin und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann weiter möglich, an Gesprächen mit Umweltminister Altmaier über einen parteiübergreifenden Konsens teilzunehmen - ein formaler Ausschluss von Gorleben hätte das verhindert. Die Chancen auf einen Konsens sind aber trotzdem deutlich gesunken, vor der Landtagswahl in Niedersachsen am 20. Januar 2013 gilt eine Einigung als ausgeschlossen.

Gorleben-Gegner kritisierten den Grünen-Beschluss: Der Kompromiss sei eine „Fallgrube“, ein Neuanfang bei der Endlagersuche so nicht möglich, sagte Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Die Grünen würden noch hinter die Position der niedersächsischen SPD zurückfallen.

Für die niedersächsischen Grünen ist nicht nur die Gorleben-Entscheidung zwei Monate vor der Landtagswahl ein Dämpfer: Sie scheiterten auch mit einem Vorstoß, den Ausbau des Atomendlagers Schacht Konrad in Salzgitter - das schwach- und mittelradioaktiven Atommüll aufnehmen soll - zu stoppen. Das Konzept der nicht rückholbaren Atommüll-Lagerung sei nach den Erfahrungen mit der Asse gescheitert und dürfe in Schacht Konrad nicht mehr umgesetzt werden, hieß es zur Begründung des Vorstoßes, den ursprünglich die Grünen in Salzgitter initiiert hatten. Doch der Antrag - von einem Landesparteitag im Oktober für den Bundesparteitag beschlossen - wurde von den Delegierten in Hannover erst gar nicht beraten, offiziell aus Zeitgründen. Delegierte aus der Region reagierten verärgert: „Ich bin sehr enttäuscht, wir hatten fest mit einer Debatte gerechnete, die Rede war schon vorbereitet“, sagte Horst Christlieb, Delegierter des Kreisverbands Salzgitter. Jetzt solle versucht werden, die Forderung nach dem Aus für Schacht Konrad ins Bundestagswahlprogramm aufzunehmen.