Trumps Twitter-Krieg gegen Boeing – Ein Blindflug mit Folgen
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Lesezeit: 5 Minuten
Von Dirk Hautkapp
Washington. Trump kritisiert auf Twitter die hohen Kosten für eine neue „Air Force One“. Warum er Boeing angreift? Es gibt mehrere Möglichkeiten.
Als Twitter-Chef Jack Dorsey am Dienstag gefragt wurde, wie er die Mitteilungsfreudigkeit Donald Trumps in seinem Kurzmitteilungs-Dienst bewertet, sagte der Jung-Milliardär nach einigem Herumdrucksen: „Kompliziert.“ Da war die jüngste 140-Zeichen-Eskapade des designierten amerikanischen Präsidenten erst wenige Stunden alt. „Boeing baut brandneue 747 Air Force One für zukünftige Präsidenten, aber die Kosten sind außer Kontrolle geraten, mehr als 4 Milliarden. Auftrag stornieren!“
Damit weckte Trump um 8.52 Uhr seine knapp 17 Millionen Twitter-Anhänger. Einige antworteten unverzüglich: „Gut so, Schluss mit der Verschwendung!“. Dem größten heimischen Flugzeughersteller trieb der Bau-Unternehmer, der am Mittwoch vom Time-Magazin in der Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel zur „Person des Jahres“ gekürt wurde, jedoch Schweißperlen auf die Stirn.
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Boeing-Aktie stürzte ab
Binnen zehn Sekunden stürzte die Boeing-Aktie ab und erholte sich erst im Laufe des Tages wieder. An der Börse, wo der Faktor Trump in den Algorithmen der Händler noch nicht eingepreist ist, wurde zum ersten Mal spürbar, was es heißt, wenn die Finger des künftig mächtigsten Mannes der Welt zu früher Stunde über die Smartphone-Tastatur rasen. Unterdessen rätselten Regierungskreise in Washington über das Motiv. Denn an Trumps populistischer Aussage war so ziemlich alles falsch.
Boeing baut nicht. Boeing hat für die Konzeption zweier Nachfolge-Modelle für die vorhandenen, bald 30 Jahre alten und sehr wartungsanfälligen Präsidenten-Maschinen vom Typ Boeing 747-200B seit Januar vom Kongress eine Anschubfinanzierung von rund 150 Millionen Dollar erhalten.
„Air Force One“ ist ein fliegender Hightech-Palast
Wie teuer die beiden neuen Exemplare vom größeren Typ 747-8 würden, die von der Stange jeweils mit 380 Millionen Dollar verzeichnet sind, weiß heute niemand. Kalkulationen der Airforce, die als „Bauherr“ fungiert, gehen von drei Milliarden Dollar aus. Der erwartete Mehrbedarf ergibt sich aus den besonderen Anforderungen.
Die „Air Force One“, ein fliegender Hightech-Palast mit drei Stockwerken, knapp 400 Quadratmetern Nutzfläche, Büros, Schlafzimmern, Dusche und OP-Tisch, kann in der Luft aufgetankt werden, verfügt über ein Raketenabwehrsystem und ist vor elektromagnetischen Impulsen geschützt. Das Flugzeug muss auch im Nuklear-Krisenfall als präsidiale Kommandozentrale funktionieren.
Entscheidung über Produktion steht noch aus
Aber: Eine endgültige Entscheidung für die Produktion und das Preisschild ist bisher weder gefallen, noch steht sie in Kürze an. Macht die Airforce demnächst Abstriche bei den Hightech-Details, wird es billiger. Würde gebaut, ist als Liefertermin 2023 realistisch. Soweit die Sachlage.
Warum dann trotzdem TTTT, warum Trumps tägliches Twitter-Theater? Weil das Phänomen eines Tag und Nacht digitale Botschaften sendenden Präsidenten völlig neu ist, tun sich US-Medien schwer im Umgang damit. Dass Trump Twitter als Taktstock für sein Regierungskonzert einsetzt, um sich ungefiltert an seine Anhänger zu wenden, erzeugt mittlerweile eine Endlosschleife an eigener Berichterstattung. Mal kühlt der 70-Jährige auf Twitter sein Mütchen. Mal setzt er zur Ablenkung Themen auf die Tagesordnung und räumt andere ab. Mal wirft er Ländern wie China den Fehdehandschuh hin. Mal nutzt er den Dienst auch nur, um Rivalen oder Medien zu schikanieren.
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Geht es Trump um Vergeltung?
Aber warum Boeing? Ein Vorzeige-Unternehmen, das seit 70 Jahren die „fliegenden Festungen“ für US-Präsidenten baut und an dem Trump nach Angaben seines Sprechers bis zum Verkauf sämtlicher Anteilscheine im Sommer (Beweise dafür fehlen, Summen auch) als Aktionär beteiligt war. Wollte sich Trump gegenüber dem misstrauischen Wahlvolk als oberster Spar-Kommissar profilieren? Die Antwort lautete am Mittwoch in Washingtoner Politikzirkeln: „Wahrscheinlich. Aber in erster Linie geht es um Vergeltung und Zurechtweisung.“
Boeing-Chef Dennis Muilenburg hatte vor wenigen Tagen dezent Kritik an Trumps aggressiver China-Politik geäußert. Nach dem von langer Hand als Provokation gegen Peking vorbereiteten Telefonat mit der taiwanesischen Präsidentin hatte Trump, natürlich via Twitter, nachgelegt. Er warf dem Riesenreich Währungsmanipulation vor und drohte US-Firmen, die dort produzieren, bei der Einfuhr ihrer Güter nach Amerika mit Strafzöllen von 35 Prozent.
Trump twitterte kurz nach Muilenburgs Kritik
Muilenburg machte im Interesse seines Hauses darauf aufmerksam, das Boeing in China ein Viertel seine Umsatzes (zuletzt rund 100 Milliarden Dollar) macht. Er riet Trump indirekt, die eingeschlagene Anti-Freihandels-Strategie zu überdenken. „Das wurde wohl als Majestätsbeleidigung aufgefasst“, sagte am Mittwoch ein Luftfahrt-Experte der Denkfabrik Brookings, „darum die in der Sache unseriöse Attacke auf die Air-Force-One-Pläne“. Trumps erster Tweet kam exakt 22 Minuten, nachdem die „Chicago Tribune“ über Muilenburgs Kritik berichtet hatte.
Donald Trump – sein Leben in Bildern
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Der steht in seinen Befürchtungen nicht allein. Doug Oberhelman, Chef des Baumaschinen-Herstellers Caterpillar, hat wie andere Unternehmensführer große Bauchschmerzen bei den Strafzöllen. Trump hat darauf noch nicht reagiert. Lieber stellte er Meldungen heraus, mit denen er sein Image als Wirtschaftslenker aufpolstern möchte.
Silicon-Valley-Elite zu Gast bei Trump
In der nächsten Woche kommt die Silicon-Valley-Elite (Facebook, Google, Apple etc.) zu ihm. Im Wahlkampf hatten die Groß-Konzerne ihm die kalte Schulter gezeigt. Apple-Produzent Foxconn (Taiwan) hat angekündigt, in den USA zu investieren. Außerdem verspricht der japanische Investor Softbank die Schaffung von 50.000 Arbeitsplätzen in den USA. Wann? Wie? Wo? Alle Details sind unbekannt. Donald Trump wird auch darüber zu gegebener Zeit twittern.
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