Washington. Überflutete Straßen und Tunnel, Millionen im Dunkeln, umstürzende Bäume und Brände: Wirbelsturm „Sandy“ bringt der US-Ostküste eine furchtbare Nacht. Die Zahl der Toten steigt.

Schreckensnacht an der Küste, schwere Schäden im „Big Apple“, Bewährungsprobe im US-Wahlkampf: Wirbelsturm „Sandy“ hat an der Ostküste der USA gewütet und vor allem die Millionen-Metropole New York ins Chaos gestürzt. Mehrere Millionen Haushalte sind ohne Strom. Mehr als 25 Menschen starben. Es dürfte noch Tage dauern, bis alle Schäden bilanziert sind und das Alltagsleben langsam zurückkehrt. Eine Woche vor dem Termin am 6. November überschattete der Sturm auch den Endspurt der US-Wahl.

Insgesamt kamen nach Zählung des Fernsehsenders CNN mindestens 26 Menschen ums Leben. Der TV-Sender Fox News berichtete sogar von 33 Toten. Allein in der Millionenmetropole New York starben nach Angaben von Bürgermeister Michael Bloomberg zehn Menschen. Sie wurden von umstürzenden Bäumen oder umherfliegenden Ästen getroffen oder kamen mit herunterhängenden Stromkabeln in Berührung. Bloomberg sprach am Dienstag von dem vielleicht schlimmsten Sturm, „den wir je hatten“. Mindestens 750.000 Menschen seien jetzt ohne Strom, viele auch ohne Heizung. Die New Yorker Verkehrsbetriebe sprachen von der schwersten Zerstörung in der 108-jährigen Geschichte der U-Bahn.

Manhattan in gespenstischem Dunkel

In der Millionen-Stadt richteten die Ausläufer des Sturms mit einer 1000 Kilometer breiten Front einen Milliardenschaden an. An der Südspitze Manhattans stieg das Wasser etwa 4,30 Meter über Normal - gut einen Meter mehr als der bisherige Rekord von 1960. Der ansonsten hell erleuchtete Finanzdistrikt im Süden Manhattans wurde in gespenstisches Dunkel getaucht, weil der Strom ausfiel oder vorsichtshalber abgeschaltet wurde. Das Wasser lief in Sturzbächen in die Tunnel, die die Insel mit Brooklyn verbinden. In vielen U-Bahn- und Straßentunneln stand das Wasser in der Nacht ehr als einen Meter hoch. Wahrscheinlich dauert es mehrere Tage, bis die Bahn wieder fährt.

An Hunderten Stellen waren Stromleitungen beschädigt. Eine Explosion in einem Umspannwerk in der New Yorker Lower East Side verschärfte die Lage noch weiter. Wegen der Überschwemmungen haben viele Menschen in New York kein Wasser.

Präsident Barack Obama erklärte Teile der Bundesstaaten New York und New Jersey zu Katastrophengebieten. Mit dieser Maßnahme gibt die US-Regierung zusätzliche Hilfsgelder für betroffene Bürger sowie für Hilfsorganisationen, Firmen und lokale Behörden frei, wie das Weiße Haus am Dienstag in Washington mitteilte.

Republikaner lobt Obama für sein Krisenmanagement

Der Sturm fällt mitten in den Endspurt des US-Wahlkampfs zum 6. November. Der republikanische Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, lobte Präsident Obama ausdrücklich für sein Krisenmanagement. „Ich will dem Präsidenten persönlich für all seine Hilfe danken, während wir uns von dem Sturm erholen“, schrieb Christie im Kurznachrichtendienst Twitter mit Blick auf seinen politischen Widersacher.

Obama will vor der Wahl unbedingt ein Desaster wie nach Hurrikan „Katrina“ vor sieben Jahren vermeiden. Der damalige Präsident George W. Bush war 2005 wegen unkoordinierter Hilfe der Regierung in die Kritik geraten. Sowohl der US-Präsident als auch sein Herausforderer Mitt Romney hatten mehrere Termine abgesagt.

„Sandy“ traf am Montagabend bei Atlantic City auf die Küste. Die Kasinostadt wurde überschwemmt, der Boardwalk, die historische Uferpromenade aus Holz, teilweise weggespült. Der Sturm zog dann über Pennsylvania nach Norden weiter und schwächte sich nur langsam ab.

Alarm im ältesten Atomkraftwerk der USA

Als Folge des Wirbelsturms wurden im Bundesstaat New Jersey gleich mehrere Atomreaktoren vom Netz genommen. Betroffen seien die Reaktoren Salem 1 in Hancocks Bridge, Nine Mile Point 1 in Scriba und Indian Point 3 in Buchanan, teilte die Atomaufsichtsbehörde NRC mit. Ursache seien Probleme mit der internen Stromversorgung als Folge des Hurrikans. Der älteste Reaktor des Landes, Oyster Creek, war bereits vor dem Sturm abgeschaltet worden. Im Kühlwasser-Reservoir des Kraftwerks sei der Wasserstand durch die reguläre Flut, die Windrichtung und das Hochwasser deutlich gestiegen. Alle Reaktoren seien weiter in einem sicheren Zustand, hieß es.

Die US-Börsen blieben auch am Dienstag geschlossen, weil die Händler wegen des stillstehenden Verkehrs nicht zur Arbeit kommen konnten. Ab Mittwoch sollen die Börsen dann nach Angaben des Betreibers wieder öffnen. Nach dem Durchzug des Wirbelsturms sollten in der Hauptstadt Washington einige U-Bahnen und Busse bereits im Laufe des Dienstags wieder fahren.

Der Wirbelsturm richtete nach Expertenschätzung Schäden zwischen 10 und 20 Milliarden US-Dollar an. Die Hälfte davon dürfte versichert sein, teilte der auf Risikoanalysen spezialisierte Versicherungsdienstleister Eqecat mit. Der weltgrößte Rückversicherer Munich Re rechnet damit, dass vor allem die Überflutungen teuer werden. Private Wohngebäude seien dabei größtenteils über einen staatlichen Pool abgesichert, bei Industrie und Gewerbe dagegen müssten in der Regel private Versicherer geradestehen. Es werde aber Tage oder sogar Wochen dauern, bis die Schäden von „Sandy“ abzuschätzen seien. dpa