New York. New York, die Metropole an der Ostküste der Vereinigten Staaten, die pulsierende Stadt, die niemals schläft - seit Sonntagabend ist sie wie erstarrt.

Diese Mega-City, die ansonsten nur so strotzt und protzt mit ihrer Power, ist in Deckung gegangen, sucht Schutz vor dem bevorstehenden Überfall eines Monsters der Natur.

Der Tropensturm Sandy sollte in der Nacht auf diesen Dienstag, irgendwann in den frühen Morgenstunden (Ortszeit), auf Land treffen. Wo genau, ist ungewiss. Mit seinen gigantischen Ausmaßen allerdings wird er New York auf jeden Fall treffen.

In den Medien wurden bereits alle möglichen Katastrophenszenarios vorausberechnet. Es könnte glimpflich ausgehen, hieß es, die Stadt könnte mit einem blauen Auge davonkommen. Aber in anderen Meldungen hieß es dagegen, es könnte auch verheerend werden - Sturm, Überflutungen, Stromausfälle, Sachschäden in Milliarden-Dollar-Höhe. Tatsächlich blieb der Ausgang am Montag ungewiss, blieb allein die Furcht vor der Nacht, vor Sandy und seiner stürmischen Wut.

Und ich mit meiner Familie mittendrin. Eigentlich sollte unsere Urlaubsreise schon beendet sein, der Rückflug mit schönen Reiseerlebnissen im Gepäck angetreten sein. Doch seit Sonntag wurden auf den drei großen Flughäfen John-F.-Kennedy, Newark und La Guardia bald 7000 Flüge gestrichen. Und so sind wir, wie viele Tausend andere Touristen ebenso, gestrandet in New York City.

Wann ein Rückflug möglich sein wird, blieb zunächst völlig ungewiss. Es war auch nicht entscheidend. Alles drehte sich ausschließlich um den Hurrican und um die bevorstehende Nacht. Die einzige Frage: Was wird am Dienstag sein?

Und dabei haben wir noch Glück. Wir haben eine Privatunterkunft in Brooklyn - und dort können wir noch ein paar Tage bleiben. Andere verbrachten die vorherige Nacht auf einem der Flughäfen, oder irrten durch die Stadt auf der Suche nach einer neuen Hotel-Unterkunft. Wiederum andere versuchten mit einem der letzten fahrenden Züge die Stadt zu verlassen.

Die Rettungsdienste New Yorks waren am Montag auf das Schlimmste vorbereitet. Doch trotz aller Notstands-Vorkehrungen herrschte eine drückende Furcht vor dem, was der Hurrican tatsächlich anrichten könnte. Im Fernsehen und Rundfunk wiederholten die Behörden bald im Minutentakt ihre Warnungen vor den tödlichen Gefahren des Sturms.

Schon seit Tagen wurde der Weg des Monster-Hurricans entlang der Küste in den Medien mit Anspannung verfolgt. In der Karibik hat er schon Dutzende von Menschenleben gefordert. Und seine Dimensionen waren Montagnachmittag schon gigantisch: An der US-Ostküste waren nach jüngsten Schätzungen der Behörden vom Montag mehr als 60 Millionen Menschen bedroht, Notstand in mehreren Bundesstaaten in einem rund 1000 Kilometer langen Küstenstreifen - einer der am dichtesten besiedelten Regionen der USA.

In New York kam das öffentliche Leben am Sonntag schon nahezu zum Erliegen. Erst wurden die U-Bahnen gestoppt, dann die Busse, dann die Züge. Der komplette öffentliche Nahverkehr New Yorks wurde vorsorglich eingestellt - für die Menschen in dieser riesigen Stadt eine bis dahin unvorstellbare Situation. Der Sturm verdammte diesen Ameisenhaufen zur Bewegungslosigkeit.

Von dem Ausfall von Bussen und Bahnen waren am Montag einige Millionen Berufspendler betroffen, sofern die Arbeitgeber nicht ohnehin „sturmfrei“ gegeben hatten. Der Unterricht an allen Schulen war schon Sonntag abgesagt worden. So waren die Straßen und Plätze der Stadt ungewöhnlich menschenleer. Und wer sich dennoch auf die Straße wagte, der wurde bald von Sturm und Regen verjagt.

Hochbetrieb indes herrschte in den großen Supermärkten ebenso wie in kleinen Lebensmittelgeschäften. Überall deckten sich die Menschen vorsorglich mit Lebensmitteln für die nächsten Tage ein. Etliche Geschäfte vor allem in den Wohnbezirken rund um Manhattan waren im Lauf des Tages ausverkauft - kein Brot mehr, kein Wasser, keine Konserven. Von Panik aber bisher keine Spur!

Eine weitere Gefahr für die Stadt waren die drohenden Überflutungen. Rund 400.000 Bewohner tiefer gelegener Stadtbezirke sollten evakuiert und in Notunterkünften untergebracht werden. Die Südspitze Manhattans war schon am Montag von Überschwemmungen betroffen.

Es wird Abend in New York. Der Regen wird heftiger, der Sturm stärker. Sandy kommt. Unausweichlich. Den Menschen in New York bleibt an diesem Montag nichts anderes, als abzuwarten, bleibt nichts anderes als die Erkenntnis und die Demut, dass die Gewalt der Natur stärker ist, stärker als alles andere.

Der Besitzer eines kleinen Straßencafés in Brooklyn hat Holzbretter vor seine Schaufensterscheiben genagelt und Sandsäcke vor die Eingangstür gestapelt. Auf die Bretter hat er - typisch amerikanischer Optimismus - mit einer Spraydose geschrieben: „Sandy, komm doch. Wir haben keine Angst vor Dir.“

Das ist die Mentalität, mit der die „Amis“ auch die größten Herausforderungen meistern. Dienstag wissen wir mehr. Und wir wissen leider auch, dass Sandy seine zerstörerische Reise nicht in New York beenden wird. Meteorologen sagen voraus, dass sich der Sturm mit einem Wintertief verschmelzen wird - es kann zu katastrophalen Schneestürmen im Landesinnern kommen. Die Wetterforscher sprechen - ganz wissenschaftlich - von einem „perfekten Sturm“, den es in dieser Konstellation nur einmal im Jahrhundert gebe. Nun, die Menschen auf der Straße würden darauf liebend gern verzichten.