Northeim/Berlin. Ein deutscher Islamist aus Northeim in Niedersachsen plante einen Anschlag auf Polizisten. Beamte fanden Chemikalien in seiner Wohnung.

Das Haus, in dem der 26 Jahre alte Mann die Bombe gebastelt hat, ist schön. Holzbalken tragen das alte Fachwerkhaus im kleinstädtischen Northeim in Südniedersachsen. Am Eingang hängt ein Schild: „Sonnenpassage“. Im Erdgeschoss verkauft ein Modegeschäft Frauenkleidung, daneben liegt das „Stoffparadies“.

Über den Geschäften der kleinen Einkaufspassage soll der 26-jährige Deutsche gelebt haben – in seiner Wohnung fanden Polizisten Acetonperoxid, eine hochexplosive Chemikalie, weitere Baustoffe für Sprengstoff und Elektronik zur Herstellung eines Fernzünders. In einer ersten Vernehmung hat der Mann laut Generalstaatsanwaltschaft Celle gestanden: Er wollte eine Bombe basteln und Polizisten und Soldaten in eine Falle locken. Dann wollte er den Sprengstoff zünden.

Große Mengen Beweismaterial abtransportiert

Der Deutsche sitzt seit Mittwoch in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf bei Göttingen ein. Wann und wo der 26-Jährige den Anschlag verüben wollte, das wissen die Ermittler noch nicht. „Wir stehen erst am Anfang“, sagte Oberstaatsanwalt Bernd Kolkmeier aus Celle unserer Redaktion. Offenbar stand der versuchte Anschlag aber kurz bevor. „Der Mann war fest entschlossen und hatte schon mit den Vorbereitungen für den Sprengstoffanschlag begonnen“, sagte Kolkmeier.

In diesem Gebäude soll der 26-jährige Islamist gelebt haben.
In diesem Gebäude soll der 26-jährige Islamist gelebt haben. © Getty Images | Alexander Koerner

Schon am Dienstag stürmte die Polizei die Wohnung des Mannes. Bisher ist nur sehr wenig bekannt über die Person. Nach Angaben von Nachbarn hätten mehrere Polizeibeamte anschließend die Wohnung durchsucht und große Mengen Beweismaterial abtransportiert. Auf dem Schirm hatte die Generalstaatsanwaltschaft aus Celle den Northeimer erst seit wenigen Tagen. Den entscheidenden Hinweis hat die Polizei vor Ort erhalten, so Kolkmeier. Die Sicherheitsbehörden ordnen ihn der „salafistischen Szene“ zu.

Vorstufe zum „Gefährder“

Nach Informationen unserer Redaktion zählt ihn die Polizei zum Kreis der „relevanten Personen“, eine Kategorie, die bei den Behörden als Vorstufe zum „Gefährder“ gilt. Laut Bundeskriminalamt sind in Deutschland rund 550 Personen als „islamistische Gefährder“ eingestuft. Hinzu kommen rund 360 „relevante Personen“. Sie bewegen sich im „Umfeld“ von Extremisten, denen Kriminalpolizisten eine schwere Straftat wie Anschlag oder Mord zutrauen. Offenbar war der Mann aus Northeim deutlich gefährlicher als nur „relevant“. Wann die Behörden die Brisanz der Sprengstoff-Planungen erkannten, ist bisher unklar.

Der 26-Jährige ist in Deutschland geboren. Er hat laut der Generalstaatsanwaltschaft „keinen Migrationshintergrund“. Er ist laut Kolkmeier vorbestraft, offenbar auch mehrfach – weshalb, das wollte der Oberstaatsanwalt nicht sagen.

Bislang keine Hinweise auf Verbindungen zu anderen Gruppen

Unklar ist bislang auch, ob der Mann Verbindungen zu anderen salafistischen Gruppen hatte. Hinweise gibt es offenbar bisher keine, doch die Ermittlungen dauern noch an. Sowohl in Niedersachsen als auch in Hessen gibt es eine starke radikale Szene. Doch die Radikalisierung anderer mutmaßlicher Dschihadisten legt auch nahe, dass sich der Deutsche losgelöst von einer Gruppe radikalisiert hat – etwa über Propaganda im Internet, verbreitet etwa von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS).

Das Ortsschild von Northeim, in dem der Terrorverdächtige festgenommen wurde.
Das Ortsschild von Northeim, in dem der Terrorverdächtige festgenommen wurde. © dpa | Swen Pförtner

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat die Festnahme des Northeimers als wichtigen Schlag gegen den islamistischen Terrorismus gelobt. „Wir haben es mit extrem dynamischen Entwicklungen im Bereich des islamistischen Terrorismus zu tun“, ließ er über seine Pressestelle ausrichten. Jeder, der das Leben von Menschen gefährde oder ihnen Leid zufügen wolle, werde dafür mit allen Mitteln zur Rechenschaft gezogen.

Erst vor zwei Wochen gab es eine Razzia im nahen Göttingen

Erst vor zwei Wochen waren im nahe gelegenen Göttingen zwei Männer unter Terrorverdacht festgenommen worden. Bei Durchsuchungen wurden auch scharf gemachte Waffen, Munition, IS-Flaggen und Datenträger beschlagnahmt. Die Polizei geht davon aus, dass auch diese der radikal-islamistischen Szene zugerechneten Männer aus Nigeria und Algerien einen Terroranschlag geplant hatten. Weil sie noch keine konkrete Tat beschlossen haben sollen, leitete die für Terrordelikte zuständige Generalstaatsanwaltschaft Celle allerdings kein Strafverfahren ein. Gegen die beiden erging aber eine Abschiebeanordnung des Landesinnenministeriums.

Die beiden Fälle von Göttingen und Northeim haben nach bisherigen Erkenntnissen allerdings nichts miteinander zu tun, sagte eine Sprecherin des Göttinger Polizeipräsidenten Uwe Lührig. Northeims Bürgermeister Hans-Erich Tannhäuser (parteilos) sagte, er sei „schockiert und sehr betroffen“. Für ihn sei es unfassbar, dass in seiner Stadt jemand eine Bombe bauen wolle, um Menschen zu töten.