Beim Parteitag entfernt sich die CDU von Angela Merkel
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Von Miguel Sanches
Essen. Mit dem Beschluss zur doppelten Staatsbürgerschaft provoziert der Parteitag die Kanzlerin. Die Unionsschwestern trennt die Obergrenze.
Thomas de Maizière hat abgeraten, Volker Kauder die Chancen relativiert. Vergeblich. Gegen den Willen vieler CDU-Führungsleute kündigten die 1001 Delegierten des Essener Parteitages am Mittwoch den Kompromiss mit der SPD zur doppelten Staatsbürgerschaft auf. Parteichefin Angela Merkel hielt dagegen. „Es wird in dieser Legislaturperiode keine Änderung geben.“ Sie halte den Beschluss der Delegierten persönlich für falsch. „Ich glaube auch nicht, dass wir einen Wahlkampf über den Doppelpass machen, wie wir das früher mal gemacht haben.“
Merkel hat schon viel ausgesessen – nun versucht sie es an einem ganzen CDU-Parteitag. Anders als ihre Getreuen, Innenminister de Maizière und Unionsfraktionschef Kauder, ging die Kanzlerin nicht in die Bütt. Dabei hätte sich der Einsatz womöglich gelohnt. Die Entscheidung fiel knapp aus, mit 319 zu 300 Stimmen. Nicht in ihrer Abschlussrede, sondern nur im Fernsehen machte Merkel klar, was sie von der Position hält.
Mehr Härte, klare Kante
Viel offensichtlicher könnte der Entfremdungsprozess kaum sein. Die CDU entfernt sich von Merkel – und die Kanzlerin von ihrer Partei. Der Jungen Union, die für den Beschluss kämpfte, geht die Aufregung zu weit. „Ich wehre mich dagegen, dass das als Angriff auf Angela Merkel interpretiert wird“, sagte ihr Vorsitzender Paul Ziemiak. „Ich finde es nicht in Ordnung, wenn unser Antrag als Aktion gegen die Parteiführung interpretiert wird.“ Man komme bei einem Parteitag doch zusammen, „um auch über Themen zu streiten“.
Für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern soll nach der Beschlusslage der CDU wieder eine Optionspflicht eingeführt werden. Sie sollen sich zwischen ihrem 18. und 23. Lebensjahr für eine Nationalität entscheiden. Betroffen wären nicht die EU-Bürger, sondern de facto Deutsch-Türken. Es wäre die Rückkehr zum alten Recht.
Darüber hinaus plädierten die Christdemokraten in der Flüchtlingspolitik für schnellere Abschiebungen, verschärfte Grenzkontrollen. Mehr Härte? Klare Kante? Einer wird es gern vernehmen, einer, der ausnahmsweise dem Parteitag fernblieb: CSU-Chef Horst Seehofer. Seine Partei ist hingerissen.
Das ist Bundeskanzlerin Angela Merkel
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Beschlüsse sollen Profil schärfen
Für Gerda Hasselfeldt, CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag, war es „ein erfolgreicher Parteitag“. Die CDU habe mit Merkels Rede und mit dem Leitantrag „ihr konservatives Profil geschärft und klare Positionen zu gesellschaftlich relevanten Themen bezogen“, sagte sie unserer Redaktion. Hasselfeldt meint damit ein Verbot der Vollverschleierung oder das Plädoyer für Transitzonen für Flüchtlinge. „Zusammen mit den Maßnahmen zur verschärften Abschiebepraxis, decken sich viele Positionen mit denen der CSU.“
Was die Unionsschwestern noch trennt, ist die „Obergrenze“. Es ist kein Streit um bloße Formeln. Zwar verfolgen beide Parteien dasselbe Ziel, nämlich die Zuwanderung zu begrenzen. Aber mit der Obergrenze von 200.000 Menschen im Jahr setzt die CSU eine Marke. Was macht Merkel, wenn der Strom der Geflüchteten wieder anschwillt? Als Antwort darauf griff die CDU originäre CSU-Positionen auf. Auch sie setzt sich für Transitzonen an der Grenze ein. Sie seien ein „geeignetes Mittel des Ordnens und Steuerns“, beschloss der Parteitag.
Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern
In den Zonen sollen abgelehnte Asylbewerber nach einem Schnellverfahren des Landes verwiesen werden. Die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern werde um einiges leichter, warb der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster.
Anfang Februar treffen sich die Führungen beider Parteien in München zu einer Klausur. Dort sollen die Leitlinien für ein gemeinsames Wahlprogramm verabschiedet werden, das dann im Frühsommer beschlossen werden soll. Fraglich ist nur, mit wem die Union ihre härteren Positionen durchsetzen will. Das gilt für die Obergrenze wie für ein Burka-Verbot oder für den Rollback beim Doppelpass. Mit SPD und Grünen ist er nicht umsetzbar. In der FDP sprachen sie von einer „Klatsche“ für die Kanzlerin.
Neue Gespräche im September
Fraktionschef Kauder kennt die Probleme. Noch in Essen gab er zu bedenken, nur die CSU könne Positionen „eins zu eins“ umsetzen, weil sie in Bayern allein regiere. Er bereitete die Delegierten darauf vor, „dass nicht jeder Beschluss gleich in einen Gesetzestext gegossen wird“. Das störte die Partei nicht. In Essen ging es darum, klare Kante zu zeigen.
„Das ist Parteitag“, bemerkte Vizechefin Julia Klöckner trocken. „Es ist bald September“, sagte Schuster, „und dann reden wir neu.“ Die CDU ist im Wahlkampfmodus.
Einen Kommentar zum Thema lesen Sie hier: Neue Töne in der CDU
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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