Vechelde. Seit 1842 gibt es die Löwen-Apotheke in Vechelde: Die neue Chefin erklärt, warum sie die Leitung übernahm, und benennt Schwierigkeiten.

Apotheken-Sterben landauf, landab: Solche Horrormeldungen gehören zum Alltag – auch im Landkreis Peine. So ist aus der traditionsreichen Glückauf-Apotheke in Groß Ilsede ein Friseur-Salon geworden; unweit entfernt in Ölsburg wartet das Apotheken-Gebäude auch nach Jahren des Leerstands noch auf eine Nachnutzung. Doch es geht auch anders: In Vechelde hat Merle Wedler die Löwen-Apotheke von ihrer Mutter Christel Kellner-Wedler übernommen, auch wenn sie sagt: „Für Apotheken sind es sehr, sehr schwierige Zeiten.“ Doch warum hat sie dann dieses Geschäft an der Hildesheimer Straße übernommen? Das hat viel mit Familiengeschichte zu tun – aber nicht nur.

Christel Kellner-Wedler (links) und ihre Tochter Merle Wedler vor der Löwen-Apotheke. 
Christel Kellner-Wedler (links) und ihre Tochter Merle Wedler vor der Löwen-Apotheke.  © FMN | Harald Meyer

„Ich bin in die Apotheke meiner Mutter hineingeboren“, blickt die 32 Jahre alte Merle Wedler zurück. 1990 hat Christel Kellner-Wedler die Apotheke von ihrer Mutter Eva Kellner übernommen. Auf Bildern ist Merle Wedler als Kind zu sehen auf dem Arm von Christel Kellner-Wedler in der Apotheke. Seit 1842 gibt es die Löwen-Apotheke in Vechelde; seit 1886 als Betrieb der Familie Kellner – seinerzeit geführt von Gustav Kellner, dem Urgroßvater von Christel Kellner-Wedler. Merle Wedler kommt also jetzt in fünfter Familiengeneration zum Zuge: „Mit drei Jahren habe ich schon Bonbons in unserer Apotheke abgewogen.“ Vielleicht auch welche gegessen?

Löwen-Apotheke – „Honorare seit elf Jahren nicht angehoben“

Doch aus dem Korsett der Rahmenbedingungen kommt auch ein solcher Familienbetrieb – sie ist nach eigenem Bekunden die älteste Apotheke im Braunschweiger Land – nicht heraus. „Die Politik steht nicht hinter den Apothekern“, zieht Merle Wedler ein ernüchterndes Fazit: „Unsere Lobby ist zu klein.“ Als größtes Problem, das der Brache quer im Magen liegt, nennen Christel Wedler-Kellner und Merle Wedler die Honorare, die die gesetzlichen Krankenkassen den Apotheken für deren Verkauf eines jedes rezeptpflichtigen Medikaments an die Apotheken-Kunden zahle: „Diese Honorare sind seit elf Jahren nicht mehr angehoben worden“ – und das trotz der Kostensteigerungen allerorten. Im Gegenteil: Der Abschlag, den Apotheken von diesen Honoraren an die Krankenkassen zurückzahle, sei noch gestiegen.

Löwen-Apotheke – „vielleicht sind wir Apotheker nicht laut genug“

Zwar gibt es bereits seit Jahren Protestaktionen, mit denen die Branche auf diesen Missstand hinweist. „Aber vielleicht sind wir Apotheker nicht laut genug“, meint Christel Kellner-Wedler (66) selbstkritisch. Dabei bilden diese besagten Honorare nach Einschätzung der beiden Apothekerinnen rund 80 Prozent der Einnahmen – außer dem Verkauf rezeptfreier Medikamente sowie von Kosmetik-, Pflege- und Hilfsmitteln.

Christel Kellner-Wedler inmitten ihres automatisierten Warenlagers (Kommissioniermaschine) (Archivfoto).
Christel Kellner-Wedler inmitten ihres automatisierten Warenlagers (Kommissioniermaschine) (Archivfoto). © Bode, Henrik

Wie ein Damoklesschwert schwebt über der Branche die Konkurrenz durch Online-Apotheken. „Auch bei uns kommt es vor, dass sich Kunden von uns beraten lassen, aber dann doch nichts kaufen bei uns, sondern die Online-Apotheke nutzen“, berichtet Merle Wedler entsetzt. Dabei sei es ein Irrtum zu glauben, online seien Medikamente generell günstiger zu haben als vor Ort in der Apotheke, denn online kämen noch Versandkosten hinzu.

Löwen-Apotheke – „viel Dankbarkeit und Erleichterung der Kunden“

Gleichwohl erfährt sie in ihrer Apotheke an der Hildesheimer Straße viel Dankbarkeit und Erleichterung der Kunden darüber, dass es sie dort auch weiterhin geben wird. Diese Wertschätzung hat sich (womöglich) in den schwierigen Corona-Zeiten noch mal gesteigert. „Als wir selbst Fiebersäfte oder bestimmte Zäpfchen hergestellt haben, weil es sie auf dem Markt nicht mehr gegeben hat, hat sich die Bevölkerung darüber sehr gefreut“, berichtet Christel Kellner-Wedler von lobenden Worten: „Wir haben während der Pandemie doppelt so viel gearbeitet wie sonst – Apotheken leben ihren Auftrag zur Gesundheitsversorgung der Menschen.“

Gleich wohl hat Merle Wedler nicht den direkten beruflichen Weg in die Apotheke gewählt: Nach ihrem Abitur hat sie Wirtschaftspsychologie studiert, sich dann aber doch dafür entschieden, das mütterliche Geschäft übernehmen zu wollen und Pharmazie zu studieren. Sie spricht aber von einem nach wie vor weit verbreitetem Irrglaube zu meinen, als Apotheker ließen sich Reichtümer verdienen; zudem sei ihr Beruf weit weg von einer heute oft angesagten Vier-Tage-Woche. „Als Apothekerin bist Du Kauffrau – also Businessfrau –, sowie IT- und Kommunikations-Expertin“, beschreibt sie: „Ein Allround-Talent.“

Löwen-Apotheke – „es ist immer spannend, es ist immer interessant“

Für die Geschäftsübernahme hätten aber auch positive Aspekte wie der Standort in einem Gebäude mit Ärzten und die gute technische Ausstattung gesprochen – etwa das automatisierte Warenlager (Kommissioniermaschine) und neuerdings der Abhol-Automat (bestellte Medikamente lassen rund um die Uhr von außen abholen). Die Vorzüge ihres Berufs fasst Christel Kellner-Wedler: „Es ist immer spannend, es ist immer interessant.“ Damit hat sie offenbar ihre Tochter überzeugt.

Außer der Löwen-Apotheke (rund 20 Beschäftigte alleine im pharmazeutischen Bereich in Voll- und Teilzeit) gibt es in Vechelde die Phönix-Apotheke (Peiner Straße).

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