„Der Harz ist ein Naturparadies. Aber überhaupt nicht natürlich.“

In meiner Jugend war Urlaub im Harz das Spießigste, was man sich vorstellen konnte. Da standen halt unheimlich viele Bäume auf mittelhohen Hügeln rum. Ansonsten tote Hose. Zu allem Überfluss standen die Bäume auch noch wie Soldaten in Reih’ und Glied.

Erstaunlich ist im Harz immerhin, dass es wohl das einzige Mittelgebirge der Welt ist, in dem man auf ebenen Wegen an den Bergflanken entlanglaufen kann. Wir haben das zwischen Oderteich und Rehberger Grabenhaus mit Kinderwagen gern genutzt.

Es dauerte eine Weile, bis wir begriffen: Das ist ja der Clou. Der Harz ist zwar irgendwie ein Naturparadies, aber andererseits überhaupt nicht natürlich. Sondern im Gegenteil überformt von jahrhundertelanger menschlicher Nutzung und Ausbeutung. „Der Harz“, pflegte der verstorbene Bezirkskonservator Reinhard Roseneck zu sagen, „war das Ruhrgebiet des Mittelalters.“ Der Reichtum, der hier dem Berg abgerungen wurde, prägte nicht unwesentlich die deutsche Geschichte mit. Heute wird zu Recht der Erfolg des Harzer Bergbaus (dem die soldatischen Baumreihen zu verdanken sind) und der Oberharzer Wasserwirtschaft (der wir die ebenen Wanderwege zu danken haben) als Welterbe gefeiert. Da sollte man nicht vergessen, diesen zeitweise recht kleingeistig angefeindeten Visionär zu würdigen. Er schärfte unser Bewusstsein dafür, welch einen weltweit einmaligen Natur-Technik-Hybrid wir da vor der Haustür haben.