„Wenn umweltschonende Verkehrsverbindungen existieren, ist Pendeln ökologisch, sozial und wirtschaftlich gut vertretbar.“

Immer mehr Deutsche arbeiten außerhalb ihrer Heimatgemeinde. In München, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf, so heißt es in einer Studie, überqueren sogar schon deutlich mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer täglich die Stadtgrenze.

Man kann das problematisch finden. Wer pendelt, braucht Wegezeit, hat Unkosten, produziert Emissionen, verliert Bindung an seinen Wohnort und hat Stress, wenn die Infrastruktur den Pendlerströmen nicht gewachsen ist. Der allmorgendliche Stau auf den Straßen und Autobahnen, das Gedränge in den Regionalzügen in Richtung Wolfsburg sind Beispiele für die Folgen dieser Schwäche – auch wenn sie nicht die Dimension erreichen, die die Menschen rund um Hamburg plagt. Die Last hat Folgen. Pendler, so lesen wir, fühlen sich häufig schlechter als Arbeitnehmer, die ihren Job in der Nähe ihrer Wohnung ausüben.

Worin liegt die Lösung? Mal schnell die Pendlerpauschale kürzen, um weite Wege zur Arbeit steuerlich nicht zu begünstigen? Diese Forderung zeigt nur die Weltferne ihrer Urheber. Die Kürzung würde diejenigen bestrafen, die bereit sind, für einen Job Unbequemlichkeit auf sich zu nehmen. Und sie würde die ländlichen Räume schwer benachteiligen.

Man sollte sich vor eindimensionalem Denken hüten. Der Schöninger, der jeden Tag nach Wolfsburg oder Braunschweig fährt, würde sich den Weg mutmaßlich sparen, wenn er einen Job vor Ort fände. Nach Lage der Dinge kann er sich aussuchen, ob er seinen Heimatort aufgibt – oder pendelt. Es ist seine freie Entscheidung. Und es ist ein Segen, dass sich so viele Menschen dafür entscheiden, auf dem Land zu bleiben. Anderenfalls drohte Verödung auf dem Land, während die Städte im Zustrom ertränken.

Pendeln ist auch ein Ausdruck der Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land: Der Cremlinger Neubürger würde möglicherweise gar nicht in dieser sympathischen Gemeinde leben, wenn er in der Großstadt bezahlbaren Platz fürs Eigenheim fände. Aber weil er nahe der Großstadt gut wohnen kann und dank günstiger Verkehrsanbindung schnell an seinen Arbeitsplatz gelangt, entscheidet er sich für das Leben auf dem Land.

So lange leistungsfähige Verkehrsverbindungen existieren, auf denen umweltfreundliche Verkehrsmittel verkehren, ist Pendeln ökologisch, sozial und wirtschaftlich gut vertretbar. Nur fehlt es überall an intelligenten, leistungsfähigen Lösungen für den öffentlichen Nahverkehr. Ein Versäumnis der Politik, nicht der Pendler. Dieses Mega-Thema ist ein lohnendes Arbeitsfeld für Volksvertreter, die wirklich etwas für die Verbesserung der Lebensverhältnisse ihrer Wähler tun wollen.