„Das, was von den türkischen Demokratisierungsübungen übrig ist, dient allenfalls noch als Mittel zum Zweck.“

Gibt es in Deutschland etwa zwei Kanzler? Diese Frage stellte der türkische Regierungschef Yildirim kürzlich in Deutschland. Und er fuhr fort: „In einem Präsidialsystem gibt es natürlich nur einen Präsidenten. Auf einem Schiff kann es nicht zwei Kapitäne geben.“ Das sollte vielleicht originell – und zumindest für seine deutsch-türkischen Zuhörer – einleuchtend klingen. Ist es aber beides nicht. Denn eine Demokratie ist kein Schiff. Und es gibt zwar nur eine Kanzlerin. Aber die wird vom Parlament kontrolliert, hat sich an die Gesetze zu halten und die Entscheidungen einer unabhängigen Justiz zu achten. Das funktioniert auch nicht immer lupenrein, aber im Prinzip.

Entscheidender an den Ausführungen Yildirims ist, dass sie klar den Weg aufzeigen, den die Türkei unter einem Präsidenten Erdogan eingeschlagen hat und der mit dem Verfassungsreferendum am 16. April hin zum Präsidialsystem gekrönt werden soll. Wer dem entgegensteht, gilt schnell als Staatsfeind, Gülen-Anhänger oder pauschal als Terrorist. Wie der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel, der nun wie Hunderte seiner Kollegen in einem Gefängnis sitzt. Den Herren in Ankara ist es mit ihrem Staatsumbau inklusive der Abschaffung der Presse- und Meinungsfreiheit bitterernst. Und der Westen sollte das auch endlich ernst nehmen und sich von der Vorstellung verabschieden, die Türkei käme in absehbarer Zeit als ernsthafter Beitrittskandidat in Frage. Die gegenseitigen Beziehungen werden auf eine wie auch immer geartete neue Basis gestellt werden müssen.

Das, was von den türkischen Demokratisierungsübungen übrig ist, dient allenfalls noch als Mittel zum Zweck. Schon Anfang der 1990er Jahre, noch bevor er Bürgermeister in Istanbul wurde, soll Erdogan gesagt haben: „Demokratie ist wie Straßenbahn fahren. Wenn man am Ziel ist, steigt man aus.“ Endstation Ankara. Vorläufiges Ende der Illusion von einer demokratischen Türkei.