Berlin. Mehrere Hundert Teilnehmer fordern unter anderem in Berlin die Freilassung des deutsch-türkischen Journalisten in der Türkei.

Unter dem Motto „Free Deniz“ haben am Dienstag mehrere Hundert Menschen in Berlin und anderen deutschen Städten gegen die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in der Türkei demonstriert. Etwa 350 Demonstranten nahmen an der Veranstaltung in Berlin teil, 200 Autofahrer beteiligten sich zudem an einem Korso von der Karl-Marx-Alle in Mitte bis zur John-Foster-Dulles-Allee in Tiergarten. „Wenn die Türkei zeigen will, dass sie eine Demokratie ist, dann muss diese Farce endlich beendet und die Presse- und Meinungsfreiheit geschützt werden“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu, der die Demonstration angemeldet hatte.

Yücel war vor zwei Wochen in Istanbul in Gewahrsam genommen worden, am Montag erließ ein Staatsanwalt einen Haftbefehl. An der Kundgebung vor der türkischen Botschaft nahmen auch zahlreiche Journalisten der „Welt“ teil, für die Yücel als Korrespondent in Istanbul arbeitet. Sie verteilten T-Shirts mit einem Foto des inhaftierten Journalisten und der Aufschrift „#FreeDeniz“.

Die Grünen waren mit fast der gesamten Parteispitze vor der türkischen Botschaft vertreten. „Wir versammeln uns hier nicht, weil wir Gegner der Türkei sind, sondern weil wir Freunde der Türkei sind“, sagte der Bundesvorsitzende der Partei, Cem Özdemir. Er appellierte an die hier lebenden Deutsch-Türken, bei dem anstehenden Referendum zur Staatsreform der Türkei mit Nein zu stimmen. Es dürfe kein „Operetten-Sultanat“ in der Türkei entstehen. Die Linkspartei war dem Aufruf zur Demonstration gefolgt und mit Fraktionschef Dietmar Bartsch vertreten. „Erdogan tritt die Pressefreiheit ein weiteres Mal mit Füßen, die Inhaftierung von Deniz Yücel ist der nächste Akt seiner autokratischen Willkür“, kritisierte Bartsch am Dienstag.

Scharf gingen die Initiatoren mit der Bundesregierung in die Kritik. „Es ist ein Zeichen der Schwäche, dass sich die Bundesregierung noch nicht eingeschaltet hat“, sagte Mutlu. Während der deutsche Botschafter in der Türkei wegen jeder Kleinigkeit einbestellt werde, habe es die Bundesregierung bislang mit einer Einladung des türkischen Botschafters ins Kanzleramt belassen. „Das Wattebäuschchen-Weitwerfen der Bundesregierung hat keinen Erfolg, jetzt ist Klartext angesagt“, schimpfte Özdemir. Der Berliner Innenexperte der Linken, Hakan Tas, forderte ein sofortiges Ende der Verhandlungen mit der Türkei über den EU-Beitritt und den Flüchtlingspakt, der der Türkei Milliardenzahlungen zusagt, um Flüchtlinge nicht über die Balkanroute nach Westeuropa weiterziehen zu lassen.

In vielen deutschen Städten fanden ebenfalls Kundgebungen statt, um gegen die Inhaftierung Yücels zu demonstrieren – allerdings mit deutlich weniger Resonanz als in Berlin. Knapp 200 Demonstranten haben am Dienstag in Hamburg bei einem Autokorso die Freilassung des in der Türkei inhaftierten „Welt“-Korrespondenten gefordert. Unter den Demonstranten war auch die Hamburger FDP-Chefin Katja Suding. „Ich mache mit beim Autokorso und fordere die Freilassung des inhaftierten @welt-Journalisten“, twitterte sie. Die Polizei sprach von etwa 160 Teilnehmern in etwa 60 laut hupenden Autos und noch einigen Radfahrern.

Knapp 70 Autos beteiligten sich in Frankfurt am Main an dem Aufruf. An der Demonstration nahm auch Yücels Schwester Ilkay teil. Sie hofft, dass durch solche Aktionen „die Öffentlichkeit auf den Fall aufmerksam wird“. In Köln beteiligten sich 50 Wagen am Korso, in Hannover etwa 20. Außerdem gab es Kundgebungen in Bremen, Leipzig und Zürich.

Einen Kommentar zum Thema lesen Sie hier: Ende einer Illusion