„Seine überzeugende Art kann schnell umschlagen. Dann wirkt der SPD-Chef arrogant.“

Am Samstag in Braunschweig beim Neujahrsempfang der SPD, da waren sie wieder zu sehen, die zwei Gesichter des Sigmar Gabriel: Zuerst gab er den brillanten und charmanten Rhetoriker, der 40 Minuten lang frei redete, das Publikum fesselte, zum Lachen brachte und überzeugte. Die Parteianträge lagen vorsichtshalber schon auf den Sitzplätzen aus. Vielleicht hat das ein oder andere Nicht-Mitglied gleich zugegriffen.

Nur Momente später zeigte Gabriel sein anderes Gesicht: das des mürrischen und großspurigen Spitzenpolitikers. Zwei Kamerateams und Radioreporter, die nur wegen ihm nach Braunschweig gekommen waren, schob er unwirsch beiseite, sagte zwei, drei unschöne Sätze und zog von dannen.

Solche Aussetzer hat er immer wieder. Dann lässt er sich bis aufs Blut reizen – wie beim Juso-Mitglied aus Hannover, das ihn im April, ebenfalls in Braunschweig, mit kritischen Zwischenfragen aus der Fassung brachte. Gabriel raunzte den SPD-Jüngling vom Rednerpult aus barsch an. In Erinnerung geblieben sind auch, dass er Pegida-Anhänger als „Pack“ bezeichnete und sein „Stinkefinger, den er in Salzgitter extremen Rechten entgegenstreckte. Der SPD-Kanzlerkandidat in spe kann nicht aus seiner Haut. Politikberater werden sich an ihm bereits ihre Zähne ausgebissen haben. Seine überzeugende Art kann schnell umschlagen. Dann wirkt Gabriel arrogant.

Er hat in seinem politischen Leben bereits viel erreicht. Die große Krönung, die Kanzlerschaft, wird ihm jedoch verwehrt bleiben. Ein Diplomat wird das politische Naturtalent nicht mehr werden. Genau das gereicht ihm aber immer wieder zum Nachteil – wie seine Umfragewerte zeigen. Gabriel steht sich selbst im Weg. Dass er der nächste Kanzlerkandidat der SPD wird, daran zweifelt kaum noch jemand. Seine grimmigen Attacken werden an der teflonartigen Merkel aber abperlen. Gabriel wird ein Unvollendeter sein.