Washington. In den Vereinigten Staaten diskutieren Politiker und Generäle, ob und wie sie den Präsidenten im Ernstfall kontrollieren können.

Kann der seit Amtsantritt oft impulsiv und irrational wirkende amerikanische Präsident im Alleingang den dritten Weltkrieg anzetteln? Nach martialischen Äußerungen von Donald Trump gegenüber Nordkorea („totale Vernichtung“) ist in den USA die Sensibilität für die alleinige Verfügungsgewalt des Präsidenten über das Atomwaffen-Arsenal gestiegen.

Der demokratische Senator Chris Murphy sagt: „Wir fürchten, dass der Präsident so instabil ist, so unberechenbar ist und seine Beschlüsse auf so abenteuerliche Weise fällt, dass er einen Atomschlag befehlen könnte, der Amerikas Interessen krass zuwiderläuft.“ Zuvor hatte der Wissenschaftliche Dienst des Kongresses festgestellt: „Der Präsident braucht weder die Einwilligung der militärischen Berater noch des Kongresses, um den Einsatz nuklearer Waffen anzuordnen. Entsprechend kann weder das Militär noch der Kongress seine Befehle außer Kraft setzen.“

In dieser Gemengelage kommt ein spektakulärer Zwischenruf von General John Hyten. Der US-Kommandeur des für den Einsatz von Atomwaffen zuständigen „Strategic Command“ sagte beim Sicherheitsforum im kanadischen Halifax am Wochenende, dass er „illegale“ Befehle des Präsidenten nicht ausführen würde.

Trump wird nicht selbst auf den Knopf drücken

Experten deuteten die Worte so, dass „ein von Trump befohlener atomarer Erstschlag ohne klar erwiesene Bedrohungslage missachtet würde“.

Hytens Äußerungen war zu entnehmen, dass die Spitzen des US-Militärs die Diskussion um Trump mit Missmut verfolgen. Vor allem der durch mediale Verkürzung manchmal falsch erweckte Eindruck, Trump könne per Knopfdruck die Zündung von Atomwaffen auslösen, stört die Generalität. Tatsächlich hat Trump als Commander-in-Chief die alleinige Autorität, die militärische Befehlskette in Gang zu setzen. Auf den Auslöser würden in jedem Fall andere drücken.

Dazu bemerkte Hyten: „Ich glaube, einige Leute halten uns für blöd. Wir sind keine dummen Menschen. Wir machen uns über diese Dinge viele Gedanken.“ Hyten sagte, sollte der Präsidenten etwas Illegales verlangen, würde über Alternativen diskutiert. „So kompliziert ist das nicht.“

Dagegen hatte James Clapper, der frühere Geheimdienstkoordinator von Präsident Obama, betont, dass die USA ihr System für den Einsatz von Atomwaffen auf „schnellstmögliche Reaktionsfähigkeit“ ausgelegt hätten. „Es gibt sehr wenig Kontrollmöglichkeiten, was verdammt beängstigend ist.“

Bei einer Anhörung im Senat wurde gerade deutlich, dass es auf die Umstände ankommt. Peter Feaver, einst Mitglied im Nationalen Sicherheitsrat, sagte dort, dass das Militär einer Anordnung Trumps Folge leisten werde, wenn es überzeugt sei, dass von feindlicher Seite ein Atomangriff auf Amerika droht oder bereits erfolgt ist. „Gibt es dagegen keine Anzeichen für eine akute Krise oder eine Alarmierung, wird es Nachfragen von Verteidigungsministerium, Generälen und Nationalem Sicherheitsberater geben“, sagte Feaver.

Dort, so bestätigte auch der frühere Befehlshaber über die US-Atomwaffen, General Robert Kehler, seien überall Leute, „die verpflichtet sind, illegale Anweisungen zu verweigern“.

Offen blieb die Frage, was genau als Bedrohung zu definieren ist. Beispiel: Trump stellt sich bisher auf den Standpunkt, dass Nordkorea niemals eine nuklear bestückte Interkontinental-Rakete besitzen dürfe, die US-Territorium erreichen kann. Genau daran arbeitet aber das Regime in Pjöngjang. Wäre Trump ermächtigt, das Waffen-Arsenal von Diktator Kim Jong un präventiv unschädlich zu machen und dabei Atomwaffen einzusetzen?

In US-Medien fordern Kommentatoren, Trumps Handlungsspielraum einzuschränken und an die Zustimmung des Verteidigungsministers zu knüpfen. Einzelne demokratische Abgeordnete wollen, dass vor dem Abschuss einer Atomrakete das Parlament um Einwilligung gebeten wird. Was in Fachkreisen als weltfremd angesehen wird. Schon im Kalten Krieg, wo es in der Kuba-Krise zwischen Amerika und der Sowjetunion beinahe zum Super-Gau gekommen wäre, weigerte sich der Kongress, dem Commander-in-Chief solche Fesseln anzulegen.