Johnstown. Vor einem Jahr wurde Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt. Seine Basis hält zu ihm – seine Gegner sind frustriert.

Wer an der Endstation der höllisch steilen Zahnradbahn von Johnstown von oben auf den Conemaugh River schaut, versteht, warum Donald Trump im vergangenen Herbst auch hier den Menschen erzählte, dass er Amerika „wieder groß machen wird“, wenn sie ihn wählen.

Rechts des Flusses im ehemaligen Kohle- und Stahlrevier in Pennsylvania reihen sich riesige Fabrikhallen aneinander, wie sie auch im Ruhrgebiet zwischen Hattingen und Essen stehen könnten. Steinerne Zeugen der goldenen 70er-Jahre, als Bethlehem Steel hier bis zu 15 000 Leute ernährte. Dann kam die Krise. Massenentlassungen. Soziale Verwerfungen. Stadtflucht. Drogen-elend. Perspektivlosigkeit.

Die von dem deutschen Einwanderer Joseph Schantz vor mehr als 200 Jahren gegründete Stadt fiel tief durch den Rost. Statt einst 70 000 heute nur noch 18 000 Einwohner. Sinkende Steuereinnahmen, marode Infrastruktur. 1400 Häuser stehen leer. Zum Abreißen fehlt das Geld. Johnstown, eine der vergessenen Städte.

Für viele hier hat der Präsident bisher alles richtig gemacht

Hat Donald Trump, der auch hier am 8. November vor einem Jahr die entscheidenden Stimmen geholt hat, die ihn ins Weiße Haus führten, Wort gehalten?

Wer durch das industrielle Niemandsland am Fluss fährt, braucht lange, bis in den alten Gemäuern hinter den milchigen Scheiben Licht zu sehen ist. Dort sitzt Jackie Kulback.

Die robust-herzliche Managerin des Spezialstahlherstellers Gautier, der hier 100 Leuten Arbeit gibt, hielt den New Yorker Unternehmer „früher für ein bombastisches Arschloch“. Heute gehört sie zu Trumps unverwüstlicher Basis, die dem Präsidenten trotz desaströser Umfragewerte und umstrittener Arbeitsbilanz alles verzeiht. „Früher kämpfte die Regierung gegen uns“, sagt die Unternehmerin, „in Trump haben wir einen Alliierten.“ Dass der 71-Jährige grobschlächtig redet und twittert – „geschenkt, es gibt Wichtigeres“.

Kulback hat in Johnstown „neuen Optimismus“ ausgemacht. Convergys, ein Dienstleister, habe ein Callcenter mit 250 Jobs eröffnet. Ein Metallbetrieb sucht 70 Schweißer. „Noch kein Wirtschaftswunder, ich weiß, aber die Richtung stimmt.“ Im eigenen Haus hat sie 30 Leute zusätzlich eingestellt. „Das geht ganz auf Trumps Konto.“

Sieht auch Mike Brendle so. Der 65-Jährige betreibt vor den Toren Johnstowns den Buffer-Creek-Schießplatz. 60 Dollar für zwei Stunden Tontaubenschießen, inklusive Golfwägelchen zum Herumkutschieren durch die sanften Hügel der Laurel Mountains. Seit vor Kurzem nebenan in Acosta eine lange stillgelegte Kohlegrube wieder geöffnet hat, läuft das Geschäft prächtig. „150 Bergmänner verdienen das Dreifache von dem, was man bei McDonald’s kriegt.“

Für Brendle hat Trump bisher alles „absolut richtig gemacht“ und „den Vorschuss voll verdient“, den ihm die Wähler von Somerset County gewährt haben. 76 Prozent, eines der besten Ergebnisse landesweit. „Er hat einen schlafenden Riesen geweckt – die kleinen Leute.“ Washington, „die Kloake“, sei im Panikmodus. Weil Trump Ernst mache mit dem Schleifen „alter Fürstentümer“. Sein Fazit: „Ich bin kein bisschen beunruhigt, solange Trump nur weiter politisch unkorrekt bleibt.“

Jeff Rininger, sehniger Typ, weiße Schirmmütze, Dreitagebart, bekommt bei solchen Sätzen rote Flecken am Hals. Der 64-Jährige arbeitet beim schwedischen Konzern Höganäs. 33 Dollar Stundenlohn, gute Sozialleistungen. Seit fast 30 Jahren ist der Urenkel deutscher Einwanderer in Johnstown Chef der örtlichen Stahlarbeitergewerkschaft. 1999 hatte Rininger 1200 Mitglieder in der Kartei. Heute sind es noch 330, die ab und zu ins Gewerkschaftsbüro kommen, das neben einem Waffengeschäft an einer trostlosen Ausfallstraße liegt. Riningers Firma produziert Autobleche. 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, mussten drei Viertel der Belegschaft gehen. Nur weil Präsident Obama damals Ford und Generalmotors pamperte, sei man aus dem Schlamassel rausgekommen.

Und Trump? Will Nafta, den Wirtschaftsverbund mit Kanada und Mexiko, „stornieren“, was vor allem die Autohersteller treffen würde. „Ich muss wirklich sagen, wir haben einen Idioten gewählt.“ Die Mehrheit seiner Mitglieder sieht das anders. Sie folgten seiner Wahlempfehlung – Clinton – nicht. Rininger steht kurz vor der Rente. „Ich werde angeln im Stormy Creek River.“ Er hört sich verbittert an. „Frustriert trifft es besser. Ich spreche nicht mehr mit Leuten, die Donald Trump gewählt haben. Selbst wenn es Freunde sind. Der Mann ruiniert unser Land.“

Einen Kommentar zum Thema finden Sie hier: Trumps Achterbahnfahrt