Hannover. SPD und CDU sehen ihren Spitzenkandidaten als Sieger des „TV-Duells“ – am Sonntag wird dann gewählt.

Zumindest ein Handicap war Bernd Althusmann schon mal los. Punktgenau zum TV-Duell mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Dienstagabend im NDR-Studio auf dem Messgelände war der CDU-Spitzenkandidat seine lästige Erkältung los.

Entsprechend gut gelaunt und gelöst präsentierte sich Althusmann am Tag nach dem Duell, um in der CDU-Landeszentrale in Hannover sein 100-Tage-Programm zu verkünden.

Auch bei der SPD gab man sich nach dem einzigen direkten Aufeinandertreffen der beiden Spitzenkandidaten zufrieden. Die Partei präsentierte am Tag danach eine eigene online-Befragung durch die Agentur „Innofact AG“. Die sah Weil vorn, bescheinigte Althusmann aus Sicht der „unentschlossenen“ Betrachter aber immerhin bessere Argumente in Sachen Sicherheitspolitik.

Den Einstieg in die Debatte hatte der Wechsel der Grünen Elke Twesten zur CDU-Fraktion gebildet – und damit für einigen Zündstoff gesorgt. Weil bekräftigte seine Attacken aus dem Wahlkampf. „Das war ein schwerer Fehler – ich glaube, das hängt Ihnen wie ein Mühlstein um den Hals, Herr Althusmann“, schaltete Weil gleich auf Angriff.

SPD und Grüne hatten der CDU immer wieder eine Intrige vorgeworfen, um die Ein-Stimmen-Mehrheit der Koalition im Parlament zu kippen. Der Wechsel Twestens hatte schließlich zu den vorgezogenen Neuwahlen am 15. Oktober geführt. Solche Übertritte kämen immer wieder vor, entgegnete Althusmann. Der Herausforderer griff seinerseits Weil in Sachen VW hart an. Von zahlreichen Enthüllungen nach dem Dieselskandal habe der Ministerpräsident aus den Medien erfahren, obwohl Weil als VW-Aufsichtsrat doch Kontrolleur sein müsse. „Sie sind am Ende vom Konzern-Vorstand durch die Manege gezogen worden“, sagte Althusmann. Weil hielt klar dagegen. „Ich glaube, Sie überblicken wirklich nicht, wovon Sie reden“, sagte Weil zu Althusmann. Das mache er Althusmann aber nicht zum Vorwurf, das sei nicht leicht zu verstehen. Auch in der Bildungspolitik gerieten beide Politiker deutlich aneinander. Während Weil den Ausbau der Ganztagsschulen und das Ende des Turbo-Abiturs hervorhob, geißelte Althusmann Stundenausfall und chaotische Abordnungen von Lehrern zum Schuljahresbeginn. Seine Formulierung aus dem TV-Duell, wonach Niedersachsen unter Rot-Grün zum „Wohlfühlland“ für Islamisten geworden sei, wiederholte Althusmann am Mittwoch auch beim Vorstellen des 100-Tage-Programms.

Dabei kritisierte Althusmann auch die Ankündigung des Landespolizeipräsidenten Uwe Binias vom Wochenbeginn, aus der CDU auszutreten und sein Amt zur Verfügung zu stellen. „Dafür habe ich wenig Verständnis“, sagte Althusmann. CDU und FDP hatten der rot-grünen Koalition vorgeworfen, mit politischen Vorgaben die Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Islamismus im Land gebremst zu haben, Binias hatte das als Zeuge in einem Untersuchungsausschuss des Landtags zurückgewiesen. Dennoch hielten CDU und FDP in ihrem Bericht zu dem U-Ausschuss an der Bewertung fest. Wie ein Insider unserer Zeitung erklärte, habe sich Binias schon länger mit Rückzugsgedanken zum Ende der Wahlperiode getragen – aus „ernsthaften gesundheitlichen Gründen“. Der Konflikt mit CDU und FDP spiele dabei gar keine Rolle.

Bei der Landtagswahl am Sonntag wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet. Für Weil und Althusmann geht es um viel: Wer die stärkste Kraft im Parlament wird, ist bei der Regierungsbildung in der Vorhand. Für ein Fortsetzen der rot-grünen Koalition, wie SPD und Grüne es anstreben, ist keine Mehrheit in Sicht. Auch CDU und FDP können zusammen laut den Umfragen nicht regieren. Einer „Ampel“ aus SPD, FDP und Grünen hatte die FDP wiederholt eine Absage erteilt, „Jamaika“ mit CDU, FDP und Grünen gilt ebenfalls als schwierig. Einen Agrarminister Christian Meyer (Grüne) etwa schloss Althusmann im „TV-Duell“ in einer Althusmann-Regierung erneut aus. Er wolle nicht über Koalitionen reden, sagte Althusmann in der Sendung. Weil warf er aber vor, dass dieser sich nicht klar von Rot-Rot-Grün distanziere. Denn käme die Linke in den Landtag, könnte es für ein solches Bündnis reichen. „Sie eiern herum, Sie sagen den Menschen nicht die Wahrheit“, rief Althusmann.

Auch Wissenschaftler hatten beim TV-Duell ihre eigene Sicht. Von einem „hauchdünnen Vorsprung“ Althusmanns sprach etwa Joachim Trebbe von der FU Berlin, Wilfried Köpke von der Hochschule Hannover dagegen sah Weil „in der Performance deutlich vorn“. Spätestens am Wahlabend wird alles das vergessen sein. Dann zählen nur noch die Sitze im nächsten Parlament.

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