Braunschweig. Viele Patienten klagen über lange Wartezeiten in den Krankenhäusern. Laut dem Berufsverband fehlen die Spezialisten.

Unser Leser Bernd Heller aus Salzgitter fragt:

Wie kann es denn sein, dass die Schmerzambulanz in der Salzdahlumer schließen musste und nun plötzlich eine im Elisabeth Krankenhaus aufmacht?

Die Antwort recherchierte Katrin Schiebold

Wenn Schmerzen zum ständigen Begleiter werden, beginnt für viele Patienten eine jahrelange Odyssee: Sie ziehen von Arzt zu Arzt, um der Ursache auf den Grund zu gehen, lassen sich Spritzen geben, schlucken Medikamente, machen Krankengymnastik oder Akupunktur und nicht selten landen sie irgendwann beim Psychologen, weil auch die Seele bei einem langen Leidensweg Schaden nimmt.

Rund drei Millionen Deutsche leiden unter schweren chronischen Schmerzen, doch bei der Versorgung der Betroffenen klaffen Riesenlücken, kritisiert der Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin (BVSD). „Patienten mit chronischen Schmerzerkrankungen erfahren viel zu lange keine geeignete Therapie und werden häufig fehlversorgt“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Straßmeir.

Auch in unserer Region klagen viele Schmerz-Patienten über lange Wartezeiten und zu wenige spezialisierte Mediziner. Bis Juli gab es am Städtischen Klinikum in Braunschweig für sie die Möglichkeit, sich ambulant behandeln lassen. Um eine Versorgungslücke zu schließen, hatte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) einer speziellen Schmerztherapeutin am Klinikum dafür eine sogenannte Ermächtigung erteilt. Es war die einzige Schmerzambulanz für Kassenpatienten in der Region; andere Ambulanzen für ganzheitliche Schmerztherapie richten sich überwiegend an Selbstzahler. Doch dann musste das Krankenhaus in Braunschweig sein Angebot beenden, weil das nun niedergelassene Ärzte übernehmen sollen. In Deutschland gilt das Prinzip „ambulant vor stationär“; Die KV genehmigte eine sogenannte Sonderbedarfszulassung „spezielle Schmerztherapie“; sie erweiterte damit das ambulante Angebot für Schmerzpatienten. Damit entfiel die Ermächtigung für die Klinik-Ärztin. Nach Aussage von Thorsten Kleinschmidt, Sprecher des KV-Bezirks Braunschweig, können nun auch jene Patienten ambulant versorgt werden, die bis dahin am Klinikum behandelt wurden. „Die Versorgung hat sich also keinesfalls verschlechtert.“ Patienten wie Susanne Holdorf aus Braunschweig haben da ihre Zweifel: „Mehrere Monate muss man bei einem niedergelassenen Arzt nun auf einen Termin für eine Behandlung warten, die vergleichbar ist mit der Therapie am Städtischen Klinikum.“

Unabhängig davon startet das Herzogin-Elisabeth-Hospital in Braunschweig im August ein neues Angebot: die multimodale stationäre Schmerztherapie (siehe Artikel unten). Seit 2016 gibt es am HEH eine Schmerzambulanz; Patienten können sich dort privat behandeln und sich gegebenenfalls die Kosten von der Krankenkasse erstatten lassen. Das neue Angebot wird grundsätzlich von den Kassen übernommen, es handelt sich aber um eine stationäre Therapie: Patienten müssen bis zu 18 Tage im Krankenhaus bleiben.

Der Berufsverband der Schmerzmediziner kritisiert, dass es in Deutschland keinen Facharzt für Schmerzmedizin gibt und daher auch keine entsprechende Bedarfsplanung durch die KV. Außerdem fordert er, dass Patienten mit chronischen Schmerzen künftig auch ambulant durch spezielle Teams aus Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften behandelt werden können. Geschäftsführer Straßmeir rechnet vor: Bundesweit gebe es 3,4 Millionen Betroffene, aber nur 1173 ambulant tätige Schmerzspezialisten. Diese dürften jeweils nur 300 Patienten pro Quartal behandeln, weil die Therapie sehr komplex und zeitaufwendig ist. Demnach könnten höchstens 350 000 Patienten pro Vierteljahr von den Experten versorgt werden. „Der Rest geistert irgendwo im Gesundheitssystem.“ Mehrere Versuche etwa über die Kassenärztliche Bundesvereinigung und Krankenkassen zu einer Lösung zu kommen, hätten nicht gefruchtet. Auch in der Politik habe sich noch wenig bewegt. „Da spielt man den Ball hin und her.“

Einen Kommentar zum Thema finden Sie hier: Vernachlässigte Patienten