Braunschweig. Der Impfschutz soll besser werden. Ein Kinderarzt aus Braunschweig hält die Verschärfung für nutzlos und spricht sogar von einer Mogelpackung.

Unser Leser Bernd Siebert aus Braunschweig bemerkt:

Das Wort „Impfmuffel“ empfinde ich als beschönigend und würde es durch „Impfegoisten“ ersetzen. Ich halte es für unverantwortlich, Kinder nicht zu impfen...

Zum Thema recherchierten Sibylle Haberstumpf und unsere Agenturen

Es ist ein Kreuz mit dem Piks. Impfungen sind ein Streitthema, bei dem es aus Sicht des Berufsverbandes für Kinderärzte eigentlich nichts zu streiten gibt: Eine Impfung ist ein kleiner Piks, der vor Krankheiten wie Masern, Mumps, Windpocken oder Keuchhusten schützt – und ist notwendig. Das Thema Impfen taugt allerdings auch zuverlässig zum großen Politikum. Im Fokus der Diskussionen stehen dabei diejenigen Eltern, die das Impfen ihrer Kinder verweigern, etwa weil es Nebenwirkungen haben kann. Müssen sie dafür nun mit schärferen Strafen rechnen? Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist dafür.

Seit Freitag hat das Thema Impfen wieder einmal den Bundestag erreicht. Kindertagesstätten müssen künftig Impfmuffel melden – das geht aus dem sogenannten Epidemiologie-Gesetz hervor, das am 1. Juni im Bundestag abschließend beraten werden soll. Die Bundesregierung will härter gegen Eltern vorgehen, die nicht zu einer Impfberatung gehen, ist die Botschaft. Kitas sollen künftig verpflichtet werden, solche Eltern dem Gesundheitsamt zu melden. Der Gesundheitsminister begründet das Gesetz mit tödlichen Masern-Fällen; zuletzt war eine Mutter in Essen an der Krankheit gestorben. Gröhe teilt offenbar die Meinung unseres Lesers: Nicht zu impfen ist unverantwortlich.

Wie steht es um die Impfdisziplin in unserer Region? Ein Statement von der Basis gibt Robert Celesti von der Kindergruppe Till Eulenspiegel in Braunschweig ab. „Ich appelliere an die Eltern, dass sie eine Impfberatung vornehmen. Übliche Praxis bei uns ist es auch, dass wir uns eine Kopie des Impfausweises geben lassen“, sagt der Erzieher. Er habe darüber noch keine Konflikte mit Eltern gehabt. Die Impfdisziplin in seiner Gruppe sieht er als sehr gut. Das Wissen um Impfungen und Krankheiten eines Kindes sei für die Kitas auch wichtig, erklärt Celesti, „falls tatsächlich einmal der Fall eintritt, dass wir mit einem Kind ins Krankenhaus müssen.“ Ist die Neuregelung gerechtfertigt? „Damit erhalten die Gesundheitsämter die nötige Handhabe, auf die Eltern zuzugehen und sie zur Beratung zu laden“, hieß es am Freitag aus dem Gesundheitsministerium. Der Nachweis einer Impfberatung bei der Kita ist bereits seit 2015 Pflicht. Wer sich hartnäckig weigert, dem droht schon jetzt eine Geldbuße in Höhe von 2500 Euro. Bisher konnten die Kitas jedoch selbst entscheiden, ob sie Eltern beim Gesundheitsamt melden, die keine Impfberatung nachweisen können.

Der Mediziner Uwe Kranz, Braunschweiger Obmann der Kinderärzte, glaubt jedoch nicht, dass die Verschärfung etwas bringt. Der Kinderarzt meint: „Bei Lichte betrachtet ist das eine Mogelpackung.“ Vor allem geht er davon aus, dass niemand tatsächlich eine Geldbuße wird zahlen müssen. Denn, sagt Kranz: „Es gibt praktisch keine Eltern, die keine Impfberatung haben. Für jedes Kind ist ein Impfgespräch Standard, und zwar bei der sogenannten U3, der dritten Vorsorgeuntersuchung, die zwischen der 4. und 6. Lebenswoche durchgeführt wird.“

In den neuen Vorsorgeheften werde durch ein Kreuz genau vermerkt, dass die Eltern beraten worden seien. Darauf könnten sich Impfgegner berufen. Die Neuregelung sei also nicht abschreckend. Häufig seien Impfgegner auch „so verbohrt, dass sie Argumenten nicht zugänglich sind“, hat der Kinderarzt festgestellt. Wichtiger sei es, flächendeckend einzuführen, dass Eltern bei einer Anmeldung das Impfbuch abgeben müssten. Wer das verweigere, dürfe keinen Platz erhalten. „Das würde viele berufstätige Eltern zum Nachdenken bringen“, ist sich Kranz sicher.