Braunschweig. Telekommunikationsanbieter stellen auf Internettelefonie um. Bei Verbraucherschützern landen die ersten Beschwerden.

Unser Leser Rainer Kunze aus Braunschweig fragt:

Warum muss auf die bisweilen instabile Internettelefonie umgeschaltet werden, wenn ein bewährtes funktionierendes Telefonleitungsnetz existiert?

Die Antwort recherchierte Nora Sonnabend und Lisa Claus

Die Telekom stellt bis 2018 die analogen auf digitale Telefonanschlüsse um. Künftig gibt es also nicht mehr zwei Leitungen für Telefon und Internet, sondern nur noch eine Datenleitung. Telefonate werden dann ausschließlich übers Internet geführt. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät Kunden, zu prüfen, ob sie ein Telefon bei der Telekom gemietet haben. Nach der Umstellung auf Internettelefonie können sie nämlich mit alten Apparaten nur noch Anrufe entgegennehmen.

Unser Leser Rainer Kunze fragt sich, wieso die Telekom die Anschlüsse überhaupt umstellt: „Ist vielleicht meine Vermutung richtig, dass es schlicht um enorme Kosteneinsparungen an Personal und Material geht?“ Tatsächlich geht es darum, Kosten zu sparen: „Telekommunikationsanbieter stellen Telefon- und Internetanschlüsse auf IP-Technik um, weil die Wartung alter Kabelverzweiger und Hausanschlüsse aus Kupferdraht zu teuer geworden ist“, teilte die Verbraucherzentrale Niedersachsen mit. Das bestätigt Stefanie Halle, Sprecherin der Telekom Deutschland in Bonn, auf Anfrage unserer Zeitung: „In absehbarer Zeit werden wir keine Ersatzteile mehr für die herkömmliche Technik bekommen, weil auch die Systemhersteller ihre Produktpalette auf die IP-Technik umstellen.“

Halle nennt das neue Netz „zukunftssicher“. Alle Dienste, Telefon, Fernsehen und Internet, würden künftig auf dem einheitlichen Internet Protokoll (IP) laufen: Folgen seien mehr Kapazität, Leistung und Benutzerfreundlichkeit. „Den Ansprüchen einer digitalen Gesellschaft wird die bisher verwendete Technik nicht mehr gerecht“, sagt die Telekom-Frau.

Wolfgang Metze, Leiter des Segments Privatkunden der Telekom, sagt: „Eine weitere Nutzung des alten Festnetzes wäre zwar einfacher, aber auch kurzsichtig und verantwortungslos.“ Die bisherige Technologie sei ans Ende ihrer Lebenszeit gekommen, sagt er. Sie sei schon heute und vor allem für den künftigen Einsatz zu unflexibel und erlaube die Übertragung nur geringer Bandbreiten.

Unser Leser scheint außerdem schlechte Erfahrungen mit der Internettelefonie gemacht zu haben, denn er weist auf Probleme mit der Stabilität der Anschlüsse hin. Damit ist er nicht allein. „Seit Beginn der Umstellung haben wir sehr viele Beschwerden erhalten, sie reißen nicht ab“, bestätigt Gabriele Peters von der Verbraucherzentrale Niedersachsen.

Viele Kunden haben sich bereits bei den Verbraucherzentralen gemeldet, weil die Umstellung bei ihnen nicht reibungslos verlief. Laut einer Mitteilung der Verbraucherzentrale Niedersachsen wussten manche der Betroffenen gar nicht von der Umstellung und wurden auch nicht informiert. Bei anderen fiel der Telefonanschluss wochenlang aus. Telekom-Sprecherin Halle zufolge werden die Kunden allerdings im Vorfeld über die Umstellung informiert – wenn der Kunde nicht reagiert, sogar bis zu dreimal.

Verbraucherschützer warnen auch davor, dass eine Umstellung oft mit einer Tarifänderung einhergehe: „Das ist nicht akzeptabel. Anbieter müssen Verbraucher ausreichend über die anstehenden Änderungen und Folgekosten informieren, eine Umstellung darf nicht so nebenbei stattfinden“, kritisiert Kathrin Körber, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Niedersachsen.

Bei gemieteten Apparaten, die es zu überprüfen gilt, handelt es sich meist um alte Wählscheibentelefone, aber auch Tastentelefone, die nur nach dem sogenannten Impulswahlverfahren arbeiten. Da Mietgeräte monatlich kündbar sind, empfehlen die Verbraucherschützer, gleich die nächste Rechnung auf Posten wie analoge Festnetztelefone und Telefonzusatzgeräte zu prüfen. Die Kündigung funktioniert telefonisch bei der Kundenhotline. Schnurgebundene Apparate können Verbraucher schon für 10, schnurlose bereits für 20 Euro kaufen.

Wer ein Uralt-Telefon aus nostalgischen Gründen am Router unbedingt weiternutzen möchte oder, weil ihm das Design gefällt, muss dafür mindestens 50 Euro investieren: So viel kostet im Elektronikhandel ein sogenannter IMV-MFV-Konverter, der zwischen Router und Telefon gehängt wird und die Wählimpulse des alten Apparates in Wähltöne umwandelt.