Braunschweig. Experten sprechen sich für eine Grundsicherung und gegen das Teilhabepaket aus.

Deutschland ist so reich wie nie zuvor. Und dennoch ist Armut ein wichtiges Thema für die niedersächsische Sozial- und Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD). „In den vergangenen Jahren ist es zu einem starken Ungleichgewicht gekommen“, sagte die Ministerin bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Armut in Deutschland“ der Akademie im Klosterforum im Theologischen Zentrum Braunschweig.

Rund 47 Prozent aller Menschen sind Cornelia Rundt zufolge armutsgefährdet. Und Armut habe Folgen: Sie verhindere die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die Alters- und Gesundheitsvorsorge leide, und letztlich sei Armut auch eine Gefahr für den Wirtschaftsstandard des Landes.

„Das Thema Armut ist auch in einem reichen Land wie Deutschland wichtig.“
„Das Thema Armut ist auch in einem reichen Land wie Deutschland wichtig.“ © Cornelia Rundt, niedersächsische Sozial- und Gesundheitsministerin (SPD)

„Was ich besonders bedrückend finde, ist, dass jedes fünfte Kind in Niedersachsen in Armut lebt“, sagt Rundt. Neben scheinbar banalen Dingen wie den Kosten eines Geschenks zum Kindergeburtstag gehe es vor allem auch um die schlechteren Bildungschancen armer Kinder. „Sie schleppen es den Rest ihres Lebens mit sich herum“, sagt Rundt.

Abschaffen möchte die Ministerin das von der früheren Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) eingeführte Bildungs- und Teilhabepaket. An seine Stelle solle eine Grundsicherung für Kinder treten – das heißt: ein fester Betrag, der jedem Kind zusteht, erklärt Rundt.

Grundsicherung für Kinder fordert auch Norbert Velten, Vorstand der Diakonie-Stiftung im Braunschweiger Land. In einer Studie der Diakonie wurde die Lebenssituation von einkommensschwachen Haushalten mit minderjährigen Kindern untersucht. Das Ergebnis: Bei zwei Dritteln der Haushalte wurde das Geld am Ende des Monats knapp.

Wer auch häufig mit Armut zu kämpfen habe, sind laut Rundt Alleinerziehende, darunter überwiegend Frauen und Rentner. So liege die Bundesdurchschnittsrente für Männer bei 1025 Euro und für Frauen bei 640 Euro pro Monat – „und das, obwohl diese Menschen meistens ihr Leben lang gearbeitet haben“, sagt Rundt.

Dass sich die Armut über viele Altersgruppen erstreckt, kann Katrin Schünemann, Leiterin des Diakonie-Treffs Madamenhof in Braunschweig, bestätigen. Die Sozialpädagogin sagt: „Zu uns kommen junge und auch alte Menschen.“ Sie hat Folgendes beobachtet: Wer in einem bestimmten Alter seinen Job verliere, habe wenig Chancen auf einen Wiedereinstieg. Der Anteil derer, die Bewerbungen versenden und dabei erfolgreich sind, sei gering, sagt Schünemann.

Ministerin Rundt hat sich zum Ziel gesetzt, die Erwerbsquote von Frauen zu verbessern. Förderprojekte wie „Mitten drin!“ in Kooperation mit dem Kinderschutzbund sollen laut Rundt Kinder „stark machen“, und soziale Wohnraumförderung schaffe Wohnraum für Menschen mit kleinem Einkommen.