Wolfsburg. In China läuft es für VW PKW weiter rund, auch Europa ist im Kommen. Nur in den USA hapert es noch. Zwei Modelle sollen es richten.

Unser Leserin Tatjana Jana fragt auf unseren Facebook-Seiten:

Wie oft wollen die noch in den USA auf die Nase fallen? Man ist weiterhin so doof und möchte unbedingt auf diesen Markt.

Die Antwort recherchierte Katharina Lohse und Christina Lohner

Volkswagen ist in den USA ein gebranntes Kind. Jahrelang konnte die Kernmarke auf diesem Markt keinen Fuß fassen. Jahrelang schoss die Modellpolitik am Ziel vorbei. Mitte 2015 kündigte VW noch an, den Passat in kürzeren Abständen optisch überarbeiten zu wollen. Dann kam der Abgasskandal, der das Vertrauen der Kunden herb enttäuschte und der Verkaufsstopp für Dieselfahrzeuge. Ist es da nicht an der Zeit, zurückzutreten und den Markt anderen zu überlassen, wie unsere Leserin andeutet?

Stefan Bratzel, Leiter des Auto-Instituts in Bergisch Gladbach, sagt Nein: „Als globaler Hersteller muss man in den USA punkten.“ Für Volkswagen sei das insbesondere wichtig, um eine globale Marktbalance herzustellen. Die Kernmarke setzte im vergangenen Jahr 50 Prozent ihrer Autos in China ab. „Die Verwundbarkeit von VW in diesem Markt ist entsprechend groß.“ Und es stünden dort große Veränderungen an, gerade im Hinblick auf die E-Mobilität. Immerhin habe VW den chinesischen Markt gut verstanden.

„In den USA hingegen beginnt VW gerade erst, den Markt zu verstehen.“ Hoffnung bestehe für VW nur, wenn in den nächsten Jahren neue Produkte kommen, die den Geschmack der Amerikaner treffen. Markenchef Herbert Diess sagte auf der Automesse in Detroit, dass VW Amerikas Liebe für VW wieder entfachen wolle. „Der nordamerikanische Markt ist für VW von großer Bedeutung und eine unserer wichtigsten Aufgaben ist es, das Vertrauen unserer Kunden zurückzugewinnen.“ Volkswagen stehe für Fahrzeuge, die für Käufer dieser Region entwickelt würden. Dazu zählen der Atlas, den VW bereits im Oktober vorstellte, und der neue Tiguan, der in Amerika in einer Langversion angeboten wird. Sie wird nach Unternehmensangaben ab dem Frühsommer sukzessiv auch in Nordamerika, China und Europa eingeführt.

Unternehmensangaben zufolge wird sie in Europa unter dem Namen Tiguan Allspace verkauft, da sie parallel zum bisher bekannten Tiguan verkauft wird. In den USA bietet VW dann drei Geländelimousinen an, neben Atlas und Tiguan auch den Touareg. Vorgestellt hat VW in Detroit auch eine elektrische Zukunftsstudie im Bulli-Design. Der I.D. Buzz wird angetrieben von zwei E-Motoren und beschleunigt laut VW in knapp fünf Sekunden von 0 auf 100 Stundenkilometer. Der Lithium-Ionen-Akku sorge für über 600 Kilometer Reichweite.

Ob der VW-Diesel eine Zukunft in den USA hat, ist ungewiss. VW habe nicht vor, den Diesel in den USA wieder einzuführen, sagte Diess, fügte aber hinzu, dass nichts ausgeschlossen sei. Die VW-Tochter Audi hingegen sieht Chancen für ein Verkaufs-Comeback von Dieselfahrzeugen in den USA. Audi-Vertriebsvorstand Dietmar Voggenreiter sagte der Deutschen Presseagentur in Detroit: „Wenn Kunden und Händler nachfragen, machen wir das wieder.“ Vor allem bei Oberklasse-SUV habe der Diesel aufgrund seiner hohen Reichweite Potenzial. Er sehe Bedarf für den Diesel in den USA, sagte Voggenreiter. Noch gebe es aber keine Entscheidung, ob und wann Audi wieder Autos mit Dieselmotoren in den USA verkaufe. Es bestehe „kein Handlungsdruck“.

Der Konzernvorstand bleibt der Messe in Detroit, die Sonntag startete und bis zum 22. Januar läuft, diesmal fern. Nur Diess präsentiert in den USA „seine“ Marke. In der Vergangenheit waren auch andere Konzernvorstände vor Ort gewesen. Einen Zusammenhang mit den strafrechtlichen Ermittlungen in den USA besteht nach Informationen unserer Zeitung jedoch nicht. Die Wolfsburger müssen sparen – nur VW PKW und Audi sind diesmal präsent, als einzelne Marken. Nichts soll von deren Produktpräsentationen ablenken. Im vergangenen Jahr hatte Konzernchef Matthias Müller mit einem Radio-Interview für Irritationen gesorgt. Den Abgas-Betrug stellte er dabei als ein „technisches Problem“ dar, Volkswagen habe auch nicht gelogen. Dafür hagelte es Kritik, er zeige zu wenig Reue gegenüber den US-Behörden.

Ganz unbeeindruckt vom Dieselskandal zeigen sich die Chinesen. Die Verkäufe im Reich der Mitte stiegen im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um

14 Prozent. Auch der Markt in Europa erholt sich für Volkswagen. Einen leichten Zuwachs konnte die Kernmarke in Westeuropa erzielen, rechnet man den deutschen Markt heraus. Dann stiegen die Verkäufe um 1,4 Prozent auf

915 700 Autos. In Zentral- und Osteuropa fiel die Steigerung mit 6,9 Prozent sogar noch größer aus. VW PKW setzte dort

224 200 Fahrzeuge ab. Einer der größten Sorgenmärkte bleibt Südamerika. Das Minus im vergangenen Jahr betrug im Vorjahresvergleich 26,8 Prozent auf 335 400 verkaufte Autos. In Brasilien stürzten die Verläufe sogar um 35 Prozent auf 218 200 Fahrzeuge ab.