Wolfsburg. Die Ermittlungsergebnisse der US-Kanzlei Jones Day sollten bis Jahresende veröffentlicht werden. Doch die Zeit läuft davon.

Eigentlich hätte das vierte Quartal das Quartal der Wahrheit werden sollen. Denn irgendwann in den letzten drei Monaten des laufenden Jahres sollten die Ermittlungen der US-Kanzlei Jones Day zum Abgas-Skandal abgeschlossen und die Ergebnisse vorgelegt werden. Das hatte der VW-Aufsichtsrat angekündigt. Nun neigt sich das Jahr mit Riesenschritten dem Ende entgegen, und nichts ist geschehen. Um den Zeitplan einzuhalten, bleiben nur noch wenige Tage.

Schon im Oktober des vergangenen Jahres hatte VW Jones Day mit den internen Ermittlungen zum VW-Abgas-Skandal beauftragt. Eingebunden sind weitere Unternehmen wie zum Beispiel Beratungsgesellschaften – in Summe etwa 450 Experten. Erste Zwischenergebnisse sollten bereits im April veröffentlicht werden. Allerdings zog der VW-Aufsichtsrat diese Ankündigung wieder zurück.

Zur Begründung sagte im Frühjahr Wolfgang Porsche, VW-Aufsichtsrat und Chef des Untersuchungsausschusses im Aufsichtsrat, dass eine Veröffentlichung von Zwischenergebnissen mit „unvertretbaren Risiken“ für Volkswagen verbunden wäre. Verhandlungen mit den US-Behörden und die weiteren Untersuchungen könnten negativ beeinflusst werden. Außerdem könnten Personen, die noch befragt werden, ihre Aussagen an den Inhalten des Zwischenberichts ausrichten.

Auch der zweite Termin platzte. Ursprünglich sollten die VW-Aktionäre auf der Hauptversammlung am 22. Juni in Hannover über die Jones-Day-Ermittlungen informiert werden. Nicht nur die Aktionäre erhofften sich, nun zu erfahren, wer tatsächlich verantwortlich ist für die Abgas-Manipulationen. Allerdings wurden ihre Erwartungen enttäuscht. Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch argumentierte in seiner Begründung für die Nichtvorlage der Zwischenergebnisse ähnlich wie schon Porsche – die aus der Veröffentlichung von Zwischenergebnissen resultierenden Risiken seien für den Autobauer zu groß.

Seitdem wird es um die Jones-Day-Ermittlungen zumindest gefühlt immer stiller. Volkswagen will sich mit Rücksicht auf das noch laufende Verfahren nicht zum Stand der Untersuchungen äußern. Aus Wolfsburg heißt es, man sei nicht über den genauen Stand der Ermittlungen informiert, auch nicht über den Zeitpunkt, wann die Ermittlungen abgeschlossen sind. Und genau das gehöre zum Unabhängigkeitsprinzip von Jones Day. Deshalb heiße es warten, warten, warten.

Die Ergebnisse der Jones-Day-Ermittlungen sind zentraler Baustein für das „Statement of Facts“, in dem sich das US-Justizministerium zum VW-Abgas-Skandal positioniert. Diese Erklärung gibt den Fahrplan vor für die weitere Aufarbeitung des Abgas-Skandals in den USA.

Dass sich die Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse immer weiter nach hinten schiebt, ist nach Einschätzung von Professor Stefan Bratzel, der das Auto-Institut in Bergisch Gladbach leitet, keine gute Entwicklung für Volkswagen. „Das Thema kann in den USA nicht abgeschlossen werden. Das bündelt weiterhin viele Kräfte bei VW, außerdem fehlt das Aufbruchsignal“, sagte er unserer Zeitung.

Aus dem Umstand, dass die Ermittlungsergebnisse noch nicht veröffentlicht wurden, lasse sich schließen, dass der Abstimmungsbedarf noch groß sei. Bratzel: „Die Anschuldigungen wiegen schwer, die rechtlichen Auswirkungen sind erheblich. Das Unternehmen und Funktionsträger können haftbar gemacht werden. Deshalb muss Jones Day saubere Arbeit leisten.“

Die Sorge, dass VW durch weitere Verzögerungen neues Ungemach droht, weil die Aufarbeitung des Skandals dann erst unter der Präsidentschaft von Donald Trump beginnen würde, teilt Bratzel nur bedingt. So sei zunächst kein Automatismus zu erkennen, dass sich die Situation für VW politisch verschlechtere. „Aber der ganze Prozess könnte ein Stück weit von vorn beginnen, weil dann neue Verantwortliche erst in Kenntnis gesetzt werden müssten.“

VW müsste dann den Neuanfang in den USA nochmals verschieben. Ohnehin ist der Autobauer noch mit zivilrechtlichen Forderungen konfrontiert.