Berlin. Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) will mit ihren Länderkollegen besonders begabte Schüler fördern.

Unser Leser Marius Plu fragt auf unseren Facebook-Seiten:

Werden neue Methoden entwickelt oder aus anderen Ländern übernommen? Und wenn übernommen – aus welchen Ländern?

Die Antwort recherchierte Julia Emmrich

Lange Zeit hat die Politik vor allem auf die Förderung benachteiligter Schüler geschaut. Auf lernschwache Kinder, Sitzenbleiber, Kinder aus bildungsfernen Familien. Jetzt sind die Überflieger an der Reihe: Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) will mit ihren Länderkollegen besonders begabte Schüler fördern. 300 Schulen sollen ausprobieren, wie leistungsstarke Kinder unterstützt werden können. Zum ersten Mal starten Bund und Länder ein Programm, das sich ausdrücklich an Einserschüler richtet.

Internationale Schulstudien zeigen seit Jahren, dass in Deutschland vergleichsweise wenige Kinder und Jugendliche Spitzenleistungen erzielen. Die Maßstäbe, auf die sich die Leser-Frage bezieht, werden vor allem von Skandinaviern gesetzt. Der Bildungsexperte Wilfried Bos vom Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund sagt unserer Zeitung zum Thema Begabtenförderung: „Wenn unsere Nachbarländer, etwa die Skandinavier, das hinkriegen, dann können wir das auch – wenn wir uns mehr anstrengen, Kinder mit großem Potenzial stärker zu fördern.“

„Als innovatives Hightech-Land können wir es uns nicht leisten, kluge Köpfe unentdeckt zu lassen“, sagt Bildungsministerin Wanka bei der Vorstellung der Initiative am Montag in Berlin. „Auch aus diesem Grund ist klar: Hier müssen wir etwas tun.“

125 Millionen Euro wollen Bund und Länder in den ersten fünf Jahren für die 300 Pilotschulen ausgeben, ab 2022 sollen erfolgreiche Rezepte auf andere Schulen übertragen werden. Die Hälfte davon sollen Grundschulen sein, insgesamt liegt der Fokus auf den Klassen 1 bis 10. Uneins sind sich die Bildungspolitiker, ob Begabtenförderung besser neben dem regulären Unterricht oder als Teil davon funktioniert: Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) warnt davor, Eliteförderung in gesonderten Klassen zu betreiben. Unionsgeführte Kultusministerien sehen das anders. Uneins sind auch die Experten aus dem Schulalltag: Bei den Lehrerverbänden löst das neue Programm für Einserkandidaten geteiltes Echo aus.

„Eine eigene Initiative für leistungsstarke Kinder geht am Kern des Problems vorbei“, kritisiert die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe gegenüber dieser Zeitung. „Wenn Bund und Länder zusätzliches Geld ausgeben, sollten sie die Mittel zur Förderung aller Schüler, insbesondere benachteiligter Kinder, einsetzen.“

Beim Philologenverband, wo vor allem Gymnasiallehrer organisiert sind, sehen sie das anders: „Begabtenförderung ist wichtig“, betont der Verbandsvorsitzende Heinz-Peter Meidinger. „Wenn man den Grundsatz der individuellen Förderung ernst nimmt, dann muss man jeden fördern – auch besonders leistungsstarke Schüler.“ Die Vorstellung, dass am Ende der Schulzeit alle Schüler gleich gut sein müssten, sei falsch.