Braunschweig. Im Ersten Weltkrieg starben zwei Millionen deutsche Soldaten. Die Kriegsgräberfürsorge hat sechs Suchanfragen unserer Leser recherchiert.

Vor 100 Jahren tobte der Erste Weltkrieg. 1916 starben alleine bei Verdun und an der Somme etwa 600 000 Soldaten: Deutsche auf der einen, Franzosen, Briten und Männer aus dem Commonwealth auf der anderen Seite. Am gestrigen Sonntag, dem Volkstrauertag, wurde in Deutschland dieser Gefallenen und aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht.

Zwischen 1914 und 1918 starben im Ersten Weltkrieg 17 Millionen Menschen. Das Schicksal vieler damals gefallener Soldaten ist auch heute noch ungeklärt. Oft wollen ihre Nachfahren wissen: Wo und unter welchen Umständen sind sie gestorben? Wurden Sie bestattet? Gibt es ein Grab?

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge bearbeitet jedes Jahr etwa 40 000 solcher Suchanfragen. Michael Gandt, Geschäftsführer des Volksbund-Bezirksverbandes Braunschweig, und Ilka Borowski aus der Abteilung „Gräbernachweis und Angehörigenbetreuung“ bei der Volksbund-Zentrale in Kassel haben sechs Anfragen unserer Leser bearbeitet. Lesen Sie nun, was die Experten 100 Jahre nach dem großen Krieg über das Schicksal dieser sechs Soldaten herausgefunden haben.

Unser Leser Herbert Urban aus Braunschweig fragt: „Wo ist mein Großvater Karl Urban aus Langenbrück in Schlesien am 8. Oktober 1915 gefallen?“

Karl Urbans Schicksal entschied sich wie das Schicksal Millionen anderer Soldaten an der Westfront. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge konnte nicht nur ermitteln, wo Herbert Urbans Großvater gestoben ist – auch die Grabstelle ist bekannt.

Demnach ist der Seesoldat Karl Urban am 8. Oktober 1915 als Angehöriger der 1. Kompanie
des Marine-Infanterie-Regiments Nr. 1 in Belgien gefallen. Die Marine-Infanteristen kämpften damals bei Ostende an der Nordsee. Karl Urban wurde zunächst im Dorf Leffinge beigesetzt. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge bettete viele der in Flandern Gefallenen Mitte der 1950er Jahre um. Auch die sterblichen Überreste Karl Urbans ruhen seitdem auf dem großen Soldatenfriedhof Vladslo bei Diksmuide in Flandern – und zwar im Grab Nr. 511, Block 8. Urban ist einer von 25 645 Gefallenen aus den Jahren zwischen 1914 und 1918, die dort bestattet sind.

Auf diesem Soldatenfriedhof fand auch Peter Kollwitz, Sohn der Künstlerin Käthe Kollwitz (1867 - 1945), die letzte Ruhe. Im August 1914 war der damals
18-Jährige als Freiwilliger begeistert in den Krieg gezogen. Zwei Monate später war er tot – im Schützengraben von einem Granatsplitter getroffen.

Käthe Kollwitz verarbeitete den Verlust ihres Sohnes in der Skulptur „Trauerndes Elternpaar“, die heute ihren Platz auf der Kriegsgräberstätte Vladslo hat. Die beiden knienden Figuren aus belgischem Granit gelten als Kollwitz’ bildhauerisches Hauptwerk – eine stete Mahnung gegen den Krieg.

Das Sterben in Flandern und besonders bei Ypern währte bis zum November 1918. In vier Flandernschlachten gelang weder den Deutschen noch den Alliierten der Durchbruch. Im April 1915 setzten die Deutschen erstmals Giftgas ein: Sie bliesen Chlorgas gegen die gegnerischen Gräben. Bald nutzten alle Kriegsparteien chemische Kampfstoffe. Den Krieg verkürzen konnten sie damit nicht.

Unsere Leserin Bettina Lüer aus Winnigstedt fragt: „Wo ist mein Großonkel Gustav Behme gefallen? Für Dezember 1917 steht in seinem Militärpass ,verwundet‘.“

Laut „Deutscher Verlustliste“, vom 12. August 1919 (Ausgabe 2487) galt Gustav Behme seit dem 2. Dezember 1917 als vermisst. Seine Spur verliert sich bei Bourlon in Nordfrankreich. Auskünfte sollten an seine Ehefrau Anna Behme, Watenbüttel Nr. 9, Braunschweig, erteilt werden.

Die Verlustlisten sind heute ein wahrer Schatz für Ahnenforscher und historisch Interessierte. Von August 1914 bis Mitte Oktober 1919 veröffentlichte das Berliner Kriegsministerium 31 202 Seiten im Zeitungsformat, auf denen die Namen der gefallenen, verwundeten, vermissten oder in Gefangenschaft geratenen deutschen Soldaten verzeichnet sind. 2014 haben Freiwillige des Vereins für Computergenealogie die Listen digital erfasst und ins Internet gestellt.

Doch zurück zum Schicksal Gustav Behmes. Seine Einheit, die 2. Kompanie des Braunschweigischen Infanterie-Regiments Nr. 92, kämpfte im November und Dezember 1917 bei Cambrai an der Westfront. Die Alliierten griffen dort erstmals in großem Stil mit Panzern, Tanks genannt, die deutsche Siegfriedstellung an. Gefallene der 92er aus den Kämpfen bei Cambrai wurden auf der Kriegsgräberstätte Rumaucourt beigesetzt. Ob auch Behme dort als einer von 2616 Soldaten ruht, ist unbekannt.

Gustav Behmes Einheit, das Braunschweigische Infanterie-Regiment Nr. 92, zog im August 1914 mit etwa 2000 Mann in den Krieg. Über die ersten Kämpfe der 92er im belgischen Dorf Roselies wird heute erbittert debattiert: Ermordeten Braunschweigische Soldaten dort Zivilisten? Die langen Schatten des Ersten Weltkrieges – sie reichen bis in die Gegenwart.

Unsere Leser Elke und Klaus Döring aus Wolfsburg fragen: „Wo und unter welchen Umständen ist Karl Alexander Alfred Sparmann am 15. Juli 1918 gefallen?“

In diesem Fall konnte der Volksbund keine Grablagemeldung ermitteln. In der „Deutschen Verlustliste“ vom 27. September 1918, Seite 26 584, wird Karl Sparmann aus Klotzsche bei Dresden als „schwer verwundet und vermisst“ gemeldet. Auf der Ehrentafel des Infanterie-Regiments Nr. 178 ist Sparmann mit dem Sterbedatum 15. Juli 1918 in Boujacourt verzeichnet. Sparmanns Kompanie nahm damals an der letzten deutschen Offensive im Westen teil, die das Blatt noch einmal zugunsten des Kaiserreichs wenden sollte. Die Alliierten konnten die Angriffe der zu Tode erschöpften deutschen Soldaten rasch zurückschlagen.

Karl Sparmann starb offenbar im heutigen Champlat-et-Boujacort, etwa 20 Kilometer südwestlich von Reims in Nordfrankreich. Der französische Gräberdienst bettete in den 1920er Jahren deutsche Gefallene aus Boujacort auf die großen deutschen Kriegsgräberstätten Marfaux und Bligny um. Damals wurden allerdings nur die Toten wieder in Einzelgräbern bestattet, die einwandfrei durch eine Grab-Beschriftung identifiziert werden konnten. Sollten Karl Sparmanns Gebeine jemals gefunden worden sein, so konnte er vermutlich bei den Umbettungen nicht identifiziert werden und könnte nun in einem sogenannten „Kameradengrab“ als Unbekannter ruhen. Auf dem Friedhof Marfaux wurden 2725 deutsche Gefallene bestattet. Auf dem Friedhof Bligny ruhen 3062 Tote aus dem Ersten Weltkrieg.

Unsere Leserin Silke Allerkamp aus Braunschweig fragt: „Mein Urgroßvater Wilhelm Allerkamp liegt auf dem Braunschweiger Hauptfriedhofhof bestattet. An welchen Verletzungen starb er und wo zog er sich diese zu? Warum wurde sein Leichnam nach Braunschweig transportiert?“

Zum Schicksal Wilhelm Allerkamps liegt auch dem Volksbund lediglich die Grablagen-Meldung für den Braunschweiger Hauptfriedhof vor: Grab Nr. 487, Abteilung 66. Dort wurden zwischen 1914 und 1923 die Leichen 885 deutscher Soldaten bestattet. Sie starben in Braunschweiger Lazaretten, oder ihre sterblichen Überreste wurden von Angehörigen aus den Kriegsgebieten in die Heimat überführt.

Wilhelm Allerkamps Leben endete am 15. Januar 1918. Er gehörte der 6. Kompanie des Hannoverschen Infanterie-Regiments Nr. 77 an. Wo und wie er umkam, ist unbekannt. Sein Regiment war von September bis Dezember 1917 an der Westfront in Flandern und Nordfrankreich eingesetzt. Möglicherweise wurde Allerkamp dort verwundet und erlag später in einem Braunschweiger Lazarett seinen Verletzungen. In der Residenzstadt waren während des Ersten Weltkriegs die Reserve- lazarette I und II untergebracht.

Unsere Leserin Susanne Göttel aus Gifhorn fragt: „Wo ist Heinrich Glindemann aus Kästorf, der am 20. Juli 1915 in bei Zwolen in Polen gefallen ist, bestattet?“

Heinrich Glindemann fiel – so viel ist sicher – nicht an der West-, sondern an der Ostfront. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge pflegt auch im Baltikum, in Polen und der Ukraine Soldatenfriedhöfe aus dem Ersten Weltkrieg. Das Grab Heinrich Glindemanns konnte jedoch bislang nicht ausfindig gemacht werden. Er wurde seit dem 20. Juli 1915 vermisst. Mit dem Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 19 kämpfte er im heutigen Polen gegen die Armee des russischen Zaren. Beim Dorf Filipinow nahe Zwolen etwa 120 Kilometer südöstlich von Warschau verliert sich Glindemanns Spur. In den Deutschen Verlustlisten wurde er zunächst als „leicht verwundet“, 1916 schließlich als „bisher verwundet, vermisst“ und zuletzt als „bisher vermisst, gerichtlich für tot erklärt“ geführt.

Unser Leser Werner Breuer aus Wolfsburg fragt: „Mein Großvater Fritz Dammeyer aus Braunschweig ist 1915 in Russland gefallen. Wo und wie ist er gestorben?“

Auch in diesem Fall ist in den Unterlagen des Volksbundes keine Grablagemeldung zu finden. Laut der Deutschen Verlustliste vom 30. September 1915 ist Friedrich Dammeyer – Braunschweig – als angehöriger der 8. Kompanie des Landwehr-Infanterie-Regiments Nr. 46 an der Ostfront als „gefallen“ gemeldet, allerdings ohne exakte Orts- und Zeitangabe.

Das Regiment kämpfte damals im Verband der 3. Landwehr-Division an der Schtschara, einem Nebenfluss der Memel im heutigen westlichen Weißrussland. Nach der erfolgreichen Offensive deutscher und österreichisch-ungarischer Truppen im Frühsommer 1915 mussten sich die Russen von Warschau weit nach Osten zurückziehen. An der Memel erstarrte die Front dann bis 1917 erneut in einem zermürbenden Stellungskrieg.

Suchtipps für Angehörige

Wenn Sie das Schicksal von Angehörigen klären wollen, die in den Weltkriegen gestorben oder verschollen sind, finden Sie hier Hilfe:

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge pflegt eine Online-Gräbersuche mit 4,7 Millionen Einträgen für Soldatenfriedhöfe: www.volksbund.de/graebersuche.html

Die Deutschen Verlustlisten für den Ersten Weltkrieg stehen komplett im Internet: wiki-de.genealogy.net/Verlustlisten_Erster_Weltkrieg

Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) bietet ein Online-Suchformular zum Zweiten Weltkrieg: www.drk-suchdienst.de
Die Deutsche Dienststelle in Berlin verwaltet den Datenbestand der früheren Wehrmachts-Auskunftsstelle über deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Auch hier gibt es ein Online-Formular: www.dd-wast.de