Hannover. Bei einer Feier zum 70. Geburtstag des Landes fordert ein Wissenschaftler mehr Ehrgeiz.

Die Zufriedenheit überwog deutlich, auch wenn der Ministerpräsident persönlich vor Selbstzufriedenheit warnte.„Wir sind vielleicht das vielfältigste aller Bundesländer“, zog Stephan Weil (SPD) Bilanz nach 70 Jahren Niedersachsen. Die beiden „großen D“, Demografie und Digitalisierung, seien die größten Herausforderungen für das Land. Der Bremer Wissenschaftler Stephan Leibfried, gebürtiger Niedersachse, hielt dem Land dagegen freundlich einen durchaus kritischen Spiegel vor. „Man könnte deutlich mehr tun“, sagte Leibfried vor allem zur Hochschulszene, man könnte zum Beispiel auch als Agrarland Pionier für eine neue Ernährung sein, gegen die Verödung ganzer Landstriche neue Zentren schaffen, endlich in die Batterieforschung einsteigen, vielleicht gar eine neue Universität gründen.

„Zukunftsperspektiven für Niedersachsen“ lautete das Motto der Podiumsdiskussion, zu der Landesregierung und Volkswagen-Stiftung ins Schloss Herrenhausen geladen hatten.

Mit Landtagspräsident Bernd Busemann (CDU) und Weil waren die hohen Repräsentanten des Landes geladen, für die wissenschaftliche Außenperspektive sorgte Hochschullehrer Leibfried vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen. Das Thema des Abends sollte den Geburtstag in eine betont wissenschaftliche Perspektive stellen. „70 Jahre Niedersachsen – Migrationsbewegungen seit 1946“ lautet das Motto. Dass nach dem zweiten Weltkrieg 2,5 Millionen Flüchtlinge zusätzlich untergebracht und versorgt werden mussten, daran hatte Weil schon in einem offiziellen Beitrag zum Landesgeburtstag erinnert. Auch dort beschrieb Weil Niedersachsen als Land der Regionen. Man halte aber zusammen und sei offen für Neues. So sei Niedersachsen führend bei der Energiewende, habe Schwerpunkte in der Automobilität, im Maschinenbau oder auch im Tourismus. Geburtstagsgast Leibfrieds Forderung, auch größere Würfe zu wagen, konterte Weil. „Zentralisierung bringt uns nicht weiter“ , betonte er. Und Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung, verwies zum Thema „neue Hochschulen“ auf die Unterfinanzierung der bestehenden. Mit seiner Forderung nach größeren Würfen war Leibfried aber nicht allein. Landtagspräsident Busemann sagte, er mache sich große Sorgen um Südostniedersachsen. „Hier muss ein großer Wurf vielleicht mal kommen“, forderte Busemann. Er forderte außerdem, statt immer höherer Abiturquoten die berufliche Bildung neu zu entdecken.

Naika Foroutan von der Humboldt-Universität Berlin wies in einem Vortrag auf erhebliche Ängste angesichts von Flüchtlingen besonders bei Männern hin – und auf besonders viele Anschläge auf Flüchtlinge in Deutschland. Auf der anderen Seite sei die Hilfsbereitschaft sehr groß. Integration sei nicht nur für Migranten anwendbar, sondern darüber hinaus. Dies wäre dann, zur Demografie und zur Digitalisierung, eine weitere Aufgabe für das Niedersachsen von morgen.