Berlin. Wer mit seinem Auto zu spät zur Hauptuntersuchung vorfährt, wird seit Juli extra zur Kasse gebeten. Der ADAC findet: Zu Unrecht. Denn zusätzliche Checks fänden gar nicht statt. Der TÜV hält dagegen.

Sie sind begehrt, die kleinen, kreisrunden Aufkleber. Und sie sind wichtig. Die TÜV-Plakette bescheinigt Millionen von Autofahrern in Deutschland, dass ihr fahrbarerer Untersatz verkehrstauglich ist. Seit 60 Jahren ist der regelmäßige Check durch unabhängige Sachverständige hierzulande Pflicht. Seit Juli aber hat sich einiges verändert: So müssen TÜV-Spätsünder, die ihren Wagen mehr als zwei Monate nach dem vorgegebenen Datum zur Untersuchung bringen, extra blechen – fällig wird ein 20-Prozent-Aufschlag auf die normale Gebühr.

Nun besagt bereits ein altes Sprichwort: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Der ADAC aber findet: In diesem Fall zu Unrecht. Der Automobilclub will herausgefunden haben, dass die „vertiefte Untersuchung“, mit der die Regierung den 20-Prozent-Aufschlag begründet, gar nicht stattfindet. In einer deutschlandweiten Stichprobe hat der ADAC nach eigenen Angaben Prüfstellen von TÜV, Dekra, GTÜ und KÜS getestet. Das Ergebnis: Bei allen wurde die höhere Gebühr kassiert, ein technischer Check, der über die normale HU hinausgeht, habe jedoch in keinem einzigen Fall stattgefunden.

Stattdessen würden im Rahmen einer Ergänzungsprüfung zum Teil Punkte einfach unter anderer Bezeichnung erneut aufgeführt, so der Vorwurf. Bei der Kontrolle der Bremsen etwa sei vorgesehen, die Anlage zusätzlich auf die Dichtheit zu überprüfen. Dies geschehe jedoch schon bei jeder normalen HU. Zudem verlange der erweiterte Prüfkatalog die Überprüfung der Frontscheibe – ein Punkt, der ebenfalls im normalen Prüfkatalog vorgesehen ist.

Der TÜV Nord verweist angesichts der Vorwürfe zunächst einmal auf den Gesetzgeber, der für die neue Regelung verantwortlich ist. An der Sinnhaftigkeit der Zusatz-Gebühr zweifelt man aber nicht: „Wir wissen: Je länger eine Untersuchung her ist, desto größer ist die Zahl der Mängel. Das ist statistisch belegt“, erklärt Rainer Camen, Pressereferent bei der TÜV Nord Gruppe. Daraus folge, dass bei Spätsündern genauer hingeschaut werden müsse, was mehr Zeit und entsprechend mehr Geld koste. Und dieser zusätzliche Check erfolge durchaus: „Es handelt sich um eine über die Pflichtprüfpunkte hinausgehende vertiefte Untersuchung, die im Rahmen der Hauptuntersuchung stattfindet. Dafür gibt es allerdings keinen festgelegten Prüfkatalog“, so Camen. Die Untersuchung sei vielmehr abhängig von Fahrzeugzustand und dem Zeitraum der Überziehung und könne entsprechend unterschiedlich ausfallen.

Der ADAC fordert dennoch, die Erhöhung der Prüfgebühr bei Überschreitung des HU-Termins wieder abzuschaffen. Strafgebühren zu erheben sei allein Sache des Staates. Für eine Überziehung der HU-Frist sieht der Bußgeldkatalog aktuell mindestens 15 Euro vor. Bei über acht Monaten drohen mindestens 40 Euro sowie zwei Punkte in Flensburg. Dies reiche aus.

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