Osterode am Harz. Lange war die Käseecke Teil des Wochenmarktes in Osterode. Jetzt ist damit Schluss. Was ein Sektenprediger aus der Schweiz damit zu tun hat.

Mehr als 30 Jahre war die „Käseecke“ vom Wochenmarkt in Osterode am Harz nicht wegzudenken. Doch im März macht die Meldung der Eigentümer in den sozialen Netzwerken die Runde: Die Käseecke verabschiedet sich nach 32 Jahren aus der Stadt. Die Nachricht löst Bestürzung aus bei vielen ehemaligen Kundinnen und Kunden – die Käseecke und ihre Produkte waren sehr beliebt. Doch es stellt sich heraus: Die Entscheidung könnte mit der Weltsicht der Betreiber zu tun gehabt haben. Denn die Familie Wieczorek, welche den Verkaufswagen betreibt, scheint Sympathien für rechte Verschwörungstheorien zu hegen.

Aus ihren Überzeugungen machen die Wieczoreks keinen Hehl. Mehrere Aufkleber und Poster in ihrem Verkaufswagen deuten darauf hin: „Nein zum Impfzwang“ heißt es auf einem Sticker. Ein ausgedrucktes Schaubild soll die Steuerung der deutschen Medienlandschaft durch Bilderberger, Nato und CIA aufzeigen. Auch auf der Webseite der Käseecke finden sich bis zum Montag, 25. März, mehrere Links zu Beiträgen aus einschlägig bekannten rechts-esoterischen Portalen – zwischenzeitlich wurden diese von der Webseite entfernt. Darunter war auch ein Link zu „Kla.TV“. Die ehemals als „Klagemauer.TV“ bekannte Seite wird von dem Schweizer Sektenprediger Ivo Sasek betrieben. Dort finden sich Beiträge mit Titeln wie „Corona-Impfung – der größte Genozid“ oder „Impfung gegen Krebs – ein Produkt aus dem Biowaffenlabor?“.

Fotos vom Sommer 2023: Ein ausgedrucktes Schaubild soll die Steuerung der deutschen Medienlandschaft durch Bilderberger, Nato und CIA aufzeigen
Fotos vom Sommer 2023: Ein ausgedrucktes Schaubild soll die Steuerung der deutschen Medienlandschaft durch Bilderberger, Nato und CIA aufzeigen © privat | Privat
Fotos vom Sommer 2023. Schon damals präsentiert die Käseecke der Familie Wieczorek ihre Ideologie in ihrem Verkaufswagen.
Fotos vom Sommer 2023. Schon damals präsentiert die Käseecke der Familie Wieczorek ihre Ideologie in ihrem Verkaufswagen. © privat | Privat

Auf der Seite geht es viel um die Zerstörung der Landwirtschaft durch genmanipulierte Lebensmittel und die verdeckten Machenschaften der Weltgesundheitsorganisation WHO oder der Finanzelite. Sasek soll nach Recherchen des Internetportals Belltower-News der Amadeo-Antonio-Stiftung mehrfach Holocaustleugnern eine Bühne geboten haben. Auf Kla.TV verbreitet er rechte Verschwörungsmythen über angebliche weltweite Schattenregierungen, den jüdischen Investor George Soros oder die Manipulation von Genen durch mRNA-Impfungen.

Screenshot der Seite
Screenshot der Seite "Kla.TV". Betreiber Ivo Sasek verbreitet über seine Webseite professionell aufgemachte Verschwörungserzählungen. © FMN | Bildschirmfoto

Agenda 2030 in Osterode am Harz

Ein Punkt, der dabei immer wieder auftaucht, ist die sogenannte „Agenda 2030“. Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung der Vereinten Nationen für eine global nachhaltige Entwicklung bis zum Jahr 2030: Es geht unter anderem um die Bekämpfung von Armut und Hunger oder um Geschlechtergerechtigkeit. Auch die Stadt Osterode hatte sich 2020 dieser Initiative angeschlossen – ein Aufsteller mit den globalen Nachhaltigkeitszielen steht seitdem im Ratssaal der Stadt im Kornmagazin.

Die Agenda 2030 gilt in Verschwörungskreisen schon seit ihrer Verabschiedung im Jahr 2016 als Instrument einer angeblich geplanten Weltregierung, welche die Völker der Erde versklaven wolle. Auch die Familie Wieczorek verlinkte bis Anfang der Woche mehrere Beiträge auf der Webseite der Käseecke zu dem Thema auf verschiedene Webseiten, die eine solche Verschwörung als im Gange betrachten. Hat der Rückzug der Familie vom Osteroder Wochenmarkt also etwas mit der Agenda 2030 zu tun?

Auf der ihrer Webseite präsentiert die Familie Wieczorek ihre Einstellung zum Thema Nahrungsmittel. (Bildschirmfoto vom 25. März – zwischenzeitlich wurden die Links von der Webseite gelöscht (Stand 28. März).
Auf der ihrer Webseite präsentiert die Familie Wieczorek ihre Einstellung zum Thema Nahrungsmittel. (Bildschirmfoto vom 25. März – zwischenzeitlich wurden die Links von der Webseite gelöscht (Stand 28. März). © FMN | Bildschirmfoto

Das sagt die Stadt Osterode zum Rückzug der Käseecke vom Wochenmarkt

Auf Anfragen des Harz Kuriers haben die Wieczoreks bis dato nicht reagiert. Die Stadt Osterode möchte mit Bezug auf die Käseecke nicht von einer Auseinandersetzung sprechen – es habe lediglich sachliche Gespräche mit dem Hinweis auf die Marktsatzung gegeben, so Uwe Breyer, Sprecher der Stadt: „Die Familie wurde in zahlreichen Gesprächen auf Grundlage der geltenden Marktsatzung freundlich darauf hingewiesen, keine nicht produktbezogene Werbung anzubringen beziehungsweise auszustellen und diese zu entfernen.“ Grundlage für das Vorgehen sei Paragraf 10, Satz 2 der geltenden Marktsatzung von Osterode: Dort heißt es: „Das Anbringen von anderen Schildern, Schriften und Plakaten sowie jede sonstige Werbung ist nur innerhalb der Verkaufsstände und nur in Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb des Standinhabers in einem angemessenen und üblichen Rahmen gestattet.“ Die Weltanschauung der Beschicker ist für das Vorgehen der Stadtverwaltung folglich nicht relevant, so Breyer.

Die Familie Wieczorek habe die Poster und Sticker in ihrem Wagen als freie Meinungsäußerungen empfunden und sich geweigert, diese zu entfernen. „Daraufhin wurde immer wieder das Gespräch gesucht. Leider erfolglos. Letztlich wurde ein Verwaltungsverfahren mit einer Anhörung eröffnet“, schildert Uwe Breyer die weitere Entwicklung. Diese Anhörung wollte die Familie Wieczorek aber augenscheinlich nicht wahrnehmen – es folgte der Rückzug der Familie und ihrer Käseecke vom Markt in Osterode.

Für die Stadt ein bisher einmaliger Vorgang: Verstöße, wie in diesem Fall, habe es bisher noch nicht gegeben. Nur nicht eingehaltene Stellflächen oder nicht ausreichend breite Rettungswege seien bisher ein Thema gewesen. „Die persönliche Ansprache hat dabei immer ausgereicht“, resümiert Breyer für die Stadt.

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