Neuhof/Pöhlde. Landwirtschaft im Harz: Drei Landwirte aus dem Altkreis Osterode berichten von der Arbeit und warum sie an den Bauern-Demos teilnehmen.

Ackerbau und Bullenmast, Hauptberuf und Nebenerwerb, angestellt und selbstständig: Landwirtschaft im Harz und im Altkreis Osterode ist vielfältig. Im Harz Kurier erzählen eine Landwirtin aus Neuhof bei Bad Sachsa und zwei Landwirte aus Pöhlde bei Herzberg, warum sie sich an den bundesweiten Protestaktionen der Bauern beteiligen und vor welchen Herausforderungen ihre Betriebe stehen.

Landwirtin Anastasia Schulz führt einen Familienbetrieb mit Ackerbau und Bullenmast in Neuhof. Diesen erschütterten zum Jahresende 2023 gleich zwei Katastrophen: Ein Brand zerstörte ein Drittel des Strohvorrats, den die Familie als Einstreu für die Mastbullen braucht. Und dann kam das Weihnachtshochwasser, das ebenfalls Schaden im Betrieb verursachte. Hinzu kommen die drohenden Sparmaßnahmen der Bundesregierung.

Feuer im Südharz: Auf einem Feld bei Neuhof sind im Dezember 2023 Strohballen in Brand geraten. Die Feuerwehren aus Neuhof und Bad Sachsa sowie Klettenberg und Branderode waren im Einsatz. 
Feuer im Südharz: Auf einem Feld bei Neuhof sind im Dezember 2023 Strohballen in Brand geraten. Die Feuerwehren aus Neuhof und Bad Sachsa sowie Klettenberg und Branderode waren im Einsatz.  © Feuerwehr Neuhof | Dennis Klinke

Bundesregierung lenkt ein - Warum protestieren Landwirte aus dem Harz weiter?

Zum Jahresende 2023 hatte die Ampelkoalition verkündet, dass die Steuervergünstigungen für Agrardiesel wegfallen und auch die Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge gestrichen werden soll. Am Donnerstag ruderte die Bundesregierung dann ein wenig zurück: Es soll keine Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft geben; die Steuerbegünstigungen beim Agrardiesel sollen schrittweise abgeschafft werden.

„Das ist zwar ein Entgegenkommen, aber zu wenig nach jahrelanger Wettbewerbsverzerrung“, findet Jonas Kenner. Das Vorstandsmitglied beim Landvolk Northeim-Osterode kommt aus Pöhlde und ist angestellter Landwirt bei einem 400 Hektar großen Familienbetrieb mit Schwerpunkt Ackerbau. Was er mit Wettbewerbsverzerrung meint? Landwirte können den Preis für ihre Produkte nicht selbst festlegen, stattdessen schreibt der Handel diesen vor. Im Vergleich zum Rest der Welt, sogar innerhalb der Europäischen Union (EU), gelten in Deutschland aber höhere Produktionsstandards, was Umweltschutz und Tierwohl betrifft. Beispielsweise seien hier Pflanzenschutzmittel verboten, die in anderen Staaten - sogar in manchen EU-Ländern - erlaubt sind.

Auch Zeitraum und Menge, wann und wie viel die Landwirte spritzen und düngen dürfen, sind hierzulande strenger eingegrenzt. Das benachteiligt die deutschen Landwirte auf dem Weltmarkt und bedeutet gegebenenfalls, dass die Ernte weniger ertragreich ist und möglicherweise sogar an Qualität einbüßt. Was ursprünglich mal als Brotweizen verkauft werden sollte, taugt dann vielleicht nur noch als Tierfutter - und dafür gibt es weniger Geld, da Importe den Preis beeinflussen.

Landwirt Jonas Kenner ist stellvertretender Ortsbürgermeister von Pöhlde und im Vorstand des Landvolks Northeim-Osterode.
Landwirt Jonas Kenner ist stellvertretender Ortsbürgermeister von Pöhlde und im Vorstand des Landvolks Northeim-Osterode. © privat | Klaus Harriehausen

Beispiel Blühstreifen: Diese Erfahrung machte ein Pöhlder

Hinzu kommen Dokumentationspflicht und Kontrollen. Heiko Große aus Pöhlde, der gemeinsam mit seiner Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb im Nebenerwerb führt, erzählt: „Ich war der erste, der hier in Pöhlde Blühstreifen angepflanzt hat. Was hat es mir gebracht? Kontrollen.“ Blühstreifen, die Insekten Lebensraum bieten und Artenvielfalt stärken, bleiben bis 2026 finanziell förderungsfähig - allerdings nur, wenn der Landwirt zahlreiche Bedingungen erfüllt: Beispielsweise muss die Aussaat bis zum 15. April erfolgen. Große hat wenig Verständnis für solche Fristen. Als Landwirt arbeite er mit dem Land und mit der Natur. Er wolle sich nach den Begebenheiten und nach dem Wetter richten und nicht nach auferlegten Fristen.

Große betont: „Wir wollen mit den Protesten nicht normale Bürger verärgern, sondern die Politik auf unsere Situation aufmerksam machen.“ Alternativen zu den Treckerprotesten blieben den Landwirten kaum.

Frank und Anastasia Schulz zeigen die blühenden Phazelia, auch Bienenweide genannt, auf einer ihrer Blühwiese bei Neuhof.
Frank und Anastasia Schulz zeigen die blühenden Phazelia, auch Bienenweide genannt, auf einer ihrer Blühwiese bei Neuhof. © HK | Kevin Kulke

Landwirtin im Südharz bemüht sich um Aufklärung

„Ein Streik ist für uns unmöglich, schließlich müssen die Tiere versorgt werden“, erklärt Schulz. Sie und ihre Familie beteiligen sich an den Protesten gegen die geplanten Sparmaßnahmen der Ampel. „Wir werden uns aufteilen.“ Ihr Hof wird also sowohl bei der Aktion in Göttingen als auch bei der in Northeim vertreten sein. Schulz ist im Gesamtvorstand des Landvolks Northeim-Osterode aktiv. Die Vorbereitungen für die Aktionswoche laufen bei ihr also auf Hochtouren: Sie verteilt Plakate, Schilder und Banner aus der Geschäftsstelle in Einbeck an andere Landwirte im Südharz.

Damit wollen die Landwirte den Menschen in ihrem Dorf zeigen: „Hier bei uns gibt es noch landwirtschaftliche Betriebe.“ Das ist heutzutage schließlich keine Selbstverständlichkeit mehr, bedauert Schulz. Darum fehle vielen Menschen der Bezug zur Landwirtschaft und dementsprechend sei es für Außenstehende kaum nachvollziehbar, wie schwer die Sparmaßnahmen der Ampel die Betriebe treffen.

Wenn ich mich an den Schreibtisch setze, ist das für mich eine Qual.
Heiko Große aus Pöhlde - Landwirt im Nebenerwerb

Landwirtschaft im Nebenerwerb: Warum die Büroarbeit einen Pöhlder nervt

Der Pöhlder Große war von klein auf in den elterlichen Betrieb eingebunden. Im Alter von 15 Jahren machte er seinen Treckerführerschein. Seitdem ackert er auf dem Feld mit. Heute ist er 49 Jahre alt und noch immer mit Liebe dabei. Den Weizen auf den Feldern wachsen zu sehen, erfülle ihn mit Freude. Darum nutzt er Freizeit und Urlaub, um im Nebenerwerb Landwirtschaft zu betreiben. Er will aber nicht umsonst arbeiten.

Worauf Große keine Lust hat, ist die stundenlange Büroarbeit, beispielsweise durch die Dokumentationspflicht: „Wenn ich mich an den Schreibtisch setze, ist das für mich eine Qual.“ Um bei dem Papierkram keine Fehler zu machen, hat er einen Teil davon schon an die Landwirtschaftskammer vergeben.

Wir haben die Spitze erreicht.
Anastasia Schulz aus Neuhof - Landwirtin über die Auflagen für Landwirte

Landwirtin aus Neuhof: Diesel als Antrieb ist in der Landwirtschaft noch alternativlos

Landwirte erhalten Fördergelder und Subventionen nicht einfach so. Sie müssen sie jedes Jahr aufs Neue beantragen. Die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel ist zum Beispiel eine Steuerrückerstattung, erklärt Landwirtin Schulz aus Neuhof. Das heißt, die Landwirte kaufen den Kraftstoff zum Normalpreis ein und bekommen erst Geld zurück, wenn sie einen Antrag korrekt gestellt und diesen fristgerecht eingereicht haben. Sie dient dazu, die Wettbewerbsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland gegenüber Betrieben in anderen EU-Staaten zu erhalten.

Die ursprünglichen Pläne der Bundesregierung - also keine Steuerbegünstigung für Agrardiesel mehr, dafür aber Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Maschinen wie zum Beispiel Mähdrescher, die nur während der Ernte genutzt werden und dann auch fast nur auf den Feldern fahren - würden Schulz zufolge zu einer Mehrbelastung von 15.000 Euro bei mittleren Betrieben führen. Kenner rechnete bisher mit 10.000 bis 20.000 Euro zusätzliche Ausgaben für einen 400-Hektar-Betrieb. Nach dem Zurückrudern der Ampel bleiben trotzdem noch mindestens 10.000 bis 12.000 Euro an Mehrbelastungen, schätzt er. „Das entspricht zuzüglich anderer gestiegener Kosten bald dem Gehalt eines Mitarbeiters“, macht er deutlich.

Nur haben landwirtschaftliche Betriebe kaum noch Möglichkeiten, zu sparen. „Wir haben die Spitze erreicht“, sagt Schulz. Die Betriebe hätten in der Vergangenheit maschinell aufgerüstet, um Mitarbeiter einzusparen und Erträge zu steigern. Noch ist der technische Fortschritt aber nicht so weit, dass man auf E-Traktoren umsteigen kann. Es gebe also keine Antriebsalternative zum Diesel.

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