Altkreis Osterode. 2024 wird die Mehrwertsteuer auf Speisen erhöht. Zusätzlich steigen die Preise nochmal an, auch im Harz. Viele Gastronomen fürchten um ihre Existenz.

  • Die Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie wird nicht verlängert, das hat die Ampel-Koalition beschlossen.
  • Ab Januar 2024 wird die Mehrwertsteuer wieder von 7 auf 19 Prozent erhöht.
  • Viele Gastronomen im Harz sehen ihre Existenz gefährdet, die ersten Lokale schließen bereits.

Das Leben wird teurer. Die Mehrwertsteuer in der Gastronomie wird zum 1. Januar 2024 wieder von 7 auf 19 Prozent steigen, wie in Vor-Corona-Zeiten. Hinzu kommen Erhöhungen der Lkw-Maut, der Energiesteuer, der CO₂-Steuer und des Mindestlohns. Ein Schlag ins Gesicht der Gastronomen. Und denen sind die Hände gebunden. Der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Niedersachsens , Florian Hary, kämpft für den verminderten Mehrwertsteuersatz, den die Regierung 2020 während der Corona-Pandemie eingeführt und durch die kriegsbedingte Energiekrise 2022 verlängert hat. Doch die Ampel-Koalition hat entschieden.

Die Bundesregierung hat entschieden, dass in der Gastronomie wieder eine Umsatzsteuer von 19 statt 7 Prozent gilt. Der Dehoga in Niedersachsen sieht eine Chance, dass die Rückkehr zum normalen Mehrwertsteuersatz auf Restaurant-Essen doch noch abgewendet werden könnte.
Die Bundesregierung hat entschieden, dass in der Gastronomie wieder eine Umsatzsteuer von 19 statt 7 Prozent gilt. Der Dehoga in Niedersachsen sieht eine Chance, dass die Rückkehr zum normalen Mehrwertsteuersatz auf Restaurant-Essen doch noch abgewendet werden könnte. © DPA Images | Sina Schuldt

Jens Lutz, Vorsitzender des Dehoga Kreisverbandes Harz, war 2019 der Antragsteller für die Mehrwertsteuersenkung. Was viele nicht wissen: Mit der Pandemie hatte das noch nichts zu tun, sondern mit der Gleichbehandlung von Speisen. Die wurden damals mit 19-prozentiger Mehrwertsteuer im Restaurant serviert, während auf Essensabholung sowie -lieferung bloß die 7-prozentige Mehrwertsteuer fiel. Der Antrag wurde durchgesetzt und im Rahmen der Corona-Hilfen im Juli 2020 eingeführt und bis Ende 2023 befristet.

In der Zeit kamen hohe Inflation und explodierende Energiepreise hinzu, um nur manche der Krisen aufzuzählen. Nun die Nachricht der Mehrwertsteuer-Erhöhung. „Das ist fatal für die Gastronomen und für den Harz ganz besonders“, sagt Lutz, „wir haben hier in der Hochsaison eh schon zu wenig Gastronomieangebot für die ganzen Urlauber.“ Der Dehoga rechnet damit, dass etwa 1000 Betriebe in Niedersachsen als Folge schließen werden. Manche im Harz tun das jetzt schon, wie das Restaurant Schoko in Goslar. Lutz befürchtet einen volkswirtschaftlichen Schaden, gibt sich aber zuversichtlich, dass die Entscheidung noch gekippt werden kann. Trotzdem stellt die bisherige Aussicht die Gastronomen im Harz vor viele Herausforderungen.

Osterode: Ratswaage setzt auf mehr Aushilfen und weniger Festangestellte

Die Gaststätte Ratswaage in Osterode am Harz.
Die Gaststätte Ratswaage in Osterode am Harz. © Privat | Christian Würzbach

In Städten wie Osterode wächst der Leerstand, die Menschen beklagen eine Ladenschließung nach der nächsten. Erhöhte Kosten in der Gastronomie werden der Situation nicht entgegenwirken, sie womöglich noch verschlimmern. So sieht das auch Anja Bergter, Inhaberin des Gasthauses Ratswaage in Osterode: „Wir kämpfen, aber wir werden bei all den steigenden Kosten die Preise erhöhen müssen.“ Als Folge rechne sie daher mit einem Ausbleiben der Gäste.

Sobald sich die Preise für Speisen im Restaurant erhöhen, wird sich das Ausgehverhalten der Menschen verändern, davon ist Bergter überzeugt. Für ihre Branche bedeutet das: „Personalstrukturen werden sich ändern müssen und Betriebe werden im Laufe des Jahres schließen.“ Sie selbst hat in ihrem Lokal in Osterode bereits personelle Umstrukturierungen vorgenommen. Der einzige Festangestellte ist ihr Lebensgefährte, sonst arbeiten in der Ratswaage bloß Aushilfskräfte, erklärt sie.

Als Konsequenz der Mehrwertsteuer-Erhöhung im kommenden Jahr werde sie ihre Öffnungszeiten mehr an Reservierungen größerer Gruppen anpassen und somit auch an bislang freien Tagen bewirten. Ein Lieferservice, bei dem weiterhin die 7-prozentige Mehrwertsteuer gelten würde, kommt für sie aber nicht infrage. Dafür würden nur zusätzliche Kosten anfallen, wie für einen verlässlichen Fahrer. Selbstabholung bietet sie in der Ratswaage schon an, doch für Bergter steht fest: „Ein schönes Schnitzel schmeckt auf dem Teller serviert einfach besser.“

Englischer Hof in Herzberg: Preiserhöhungen schaden dem Tourismus im Harz

Das Vier-Sterne-Hotel und Restaurant Englischer Hof in Herzberg.
Das Vier-Sterne-Hotel und Restaurant Englischer Hof in Herzberg. © HK | Paul Beier

Nicht nur auf die Gastronomiebranche wird sich die Entscheidung der Bundesregierung auswirken, sondern auch auf den Tourismus – und nicht zuletzt von dem lebt der Harz. Dirk Wasmund ist Inhaber des Hotels Englischer Hof in Herzberg und des zugehörigen Restaurants Ben. Er beklagt vor allem, dass Kanzler Olaf Scholz sein Versprechen gebrochen hat. Bei der Verlängerung der Mehrwertsteuerminderung im Jahr 2021 versicherte der damalige Kanzlerkandidat, dass diese nicht mehr abgeschafft werden würde. „Die Worte habe ich noch immer im Ohr. Daraufhin haben wir viel investiert, unter anderem in eine Photovoltaikanlage. Das wäre anders gelaufen, wenn wir gewusst hätten, was jetzt auf uns zukommt“, so Wasmund.

Die Kosten im Harz haben sich in den letzten Jahren nach oben entwickelt, sagt er weiter. Dem Tourismus tue das nicht gut. Auch er stellt sich bereits auf erneute Preiserhöhungen in seinem Restaurant ein. „Zwei bis drei Euro pro Gericht werden wir hochgehen müssen.“ Das würde für ein Cordon-Bleu-Schnitzel im Restaurant Ben satte 23 Euro bedeuten, für das Lammragout 25 Euro. „Wir können es nicht ändern, aber das sind nicht die glücklichsten Zeiten für uns Gastronomen.“

Das sind nicht die glücklichsten Zeiten für uns Gastronomen.
Dirk Wasmund, Hotels und Restaurant Englischer Hof in Herzberg

Bad Lauterberg: Olympia-Restaurant sieht Existenz gefährdet

Der Familie Pritsini in Bad Lauterberg gehört das griechische Restaurant Olympia. Sie sehen ihre Existenz gefährdet. „Es wird drastische Einbußen geben“, sagen sie. Familien mit Kindern, die sonst zweimal im Monat zum Essen kommen, würden sich bei 19-prozentiger Mehrwertsteuer auf Speisen bei aktuellen Preisen maximal alle drei Monate den Restaurantbesuch leisten können. Strom- und Energiepreise hätten sich in den letzten Jahren dazu fast verdoppelt. Hohe Preise, weniger Umsatz und weniger Angestellte – darauf stellt sich die Familie Pritsini im kommenden Jahr ein.

Bad Sachsa: Harzer Schnitzelhaus vertraut auf Stammkunden und Touristen

So wird‘s serviert im Harzer Schnitzelhaus & Waffelbäckerei in Bad Sachsa.
So wird‘s serviert im Harzer Schnitzelhaus & Waffelbäckerei in Bad Sachsa. © Privat | Privat

Bei Jens Rüdiger Faupel, Inhaber des Harzer Schnitzelhauses und Waffelbäckerei in Bad Sachsa, sieht es anders aus. Auch er spürt den Kostendruck und geht davon aus, dass Gastronomen bei all den Steuererhöhungen anders einkaufen werden müssen, besorgt um sein Restaurant ist er jedoch nicht. „Wir sind dem gewachsen“, sagt Faupel, „wir haben viele Stammgäste und den großen Vorteil, dass nach Bad Sachsa regelmäßig Urlaubsgäste kommen, die uns besuchen.“ Sein Team besteht aus 22 Mitarbeitern, für die die Entscheidung der Ampel-Koalition keine Konsequenzen haben wird, versichert der Inhaber.

Wir sind dem gewachsen. Wir haben viele Stammgäste und den großen Vorteil, dass nach Bad Sachsa regelmäßig Urlaubsgäste kommen, die uns besuchen.
Jens Rüdiger Faupel, Harzer Schnitzelhaus & Waffelbäckerei in Bad Sachsa

Als Mitglied und Sprecher des Dehoga-Ortsverbandes Bad Sachsa setzt er sich dennoch aktiv für die Erhaltung der 7-Prozent-Mehrwertsteuer in der Gastronomie ein. Im Harzer Schnitzelhaus sammele er Unterschriften für eine Petition gegen die Steuer-Erhöhung. Besonders treffend formuliert es laut Faupel der Sternekoch Alexander Herrmann. Er verweist auf einen Facebook-Post des deutschen Gastronoms, in dem es heißt: „Mit diesem Schritt wird seitens der Politik förmlich dabei zugeschaut, wie eine durchaus systemrelevante Branche in Teilen zerbricht.“

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