Osterode. Zum Ende des Monats gehen im Jugendgästehaus in Osterode die Lichter aus - sehr zur Trauer vieler Bürger. Wir erzählen die Geschichte hinter dem Gebäudekomplex im Herzen der Stadt.

Das Ende des Jugendgästehaus in Osterode zum Saisonende im November steht kurz bevor. Wie die Stadt Osterode im Sommer mitteilte, muss der Betrieb geschlossen werden. Der Grund: teure Sanierungen, die unter anderem im Zuge einer neuen Beherbergungsstättenverordnung für einen Weiterbetrieb nötig geworden wären.

Das Aus des Jugendgästehauses hatte bei Bürgerinnen und Bürgern für Bestürzung gesorgt und auch im Netz viele Reaktionen hervorgerufen. Das Ende des betriebs nimmt der Osteroder Stadtarchivar Ekkehard Eder zum Anlass, noch einmal einen Blick auf die lebhafte Geschichte des Gebäudes an der Scheerenberger Straße zu werfen.

Nachfrage für Übernachtungsmöglichkeiten ab den 40er Jahren

Um der Nachfrage nach preiswerten Übernachtungsmöglichkeiten für junge Leute gerecht zu werden, richtete der Osteroder Magistrat bereits im Sommer 1925 eine Jugendherberge im Dachgeschoss der Bürgerknabenschule (heute: Grundschule am Jacobitor) ein. Diese recht schlichte Einrichtung verfügte lediglich über zwei Schlafräume und einen heizbaren Tagesraum. Ende der 1930er Jahre gab es Planungen, in Osterode eine neue Jugendherberge im Bereich des Jahnplatzes zu errichten, jedoch konnte man dieses Neubauprojekt nach Beginn des Zweiten Weltkrieges nicht weiterverfolgen.

Schon Ende der 1940er Jahre gab es wieder eine gewisse Nachfrage nach Übernachtungsmöglichkeiten in einer Jugendherberge. Kurzfristig hatte man im Lager Bergstraße, der ehemaligen Kaserne, eine provisorische Jugendherberge eingerichtet, die jedoch den Anforderungen nicht genügen konnte. Angesichts dieser Situation entschlossen sich der Landkreis Osterode und die Stadt Osterode, trotz schwieriger Rahmenbedingungen – wie etwa die herrschende Wohnraumnot und die Integration der Vertriebenen – gemeinsam ein Haus der Jugend zu errichten und zu betreiben, das als Jugendherberge und als Zentrum der Jugendarbeit dienen sollte. Die Stadt stellte das Grundstück Ecke Scheerenberger Straße/Waldstraße kostenfrei zur Verfügung, während der Kreis die Federführung beim Bau und der Einrichtung des Hauses der Jugend übernahm. Die Kosten wurden zwischen den beiden Trägern aufgeteilt.

Haus der Jugend wird gebaut

Um einen geeigneten Entwurf für den geplanten Gebäudekomplex zu erhalten, wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich insgesamt neun Architekten beteiligten. Ein Preisgericht entschied sich für den Entwurf des Osteroder Architekten Gerhard Gehrcke. Aus Kostengründen teilte man das Projekt in zwei Bauabschnitte ein. Zunächst errichtete man nur den westlichen Trakt und einen kleinen nördlichen Anbau. In diesem Gebäude brachte man die Räume für die Jugendarbeit, die Jugendherberge mit ihren Wirtschaftsräumen, einen kleinen Saal und die Heimleiterwohnung unter. Die Bauarbeiten schritten rasch voran, so dass am 21. Juni 1952 das Haus der Jugend mit einem großen Festakt eingeweiht wurde.

Schon wenige Jahre später wurde auch der zweite Bauabschnitt, der die Verlängerung des nördlichen Anbaus brachte, vollendet werden.

Zweckverband Haus der Jugend

Seit 1951 lag lediglich eine Vereinbarung vor, die die Zusammenarbeit von Landkreis und Stadt als Träger des Hauses der Jugend begründete. Um die Trägerschaft auf eine rechtlich klarere Grundlage zu stellen, strebte man die Bildung eines Zweckverbandes Haus der Jugend an, wobei lediglich Landkreis und Stadt Mitglieder werden sollten. Zum 1. Juni 1956 trat die Zweckverbandssatzung des Hauses der Jugend in Kraft, zum Verbandsleiter wurde der Oberkreisdirektor bestimmt, ihm zur Seite standen ein Verbandsausschuss und ein Hausverwaltungsausschuss.

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Diese Organisationsstruktur brachte manche Schwierigkeiten mit sich, da neben den Gremien des Zweckverbandes auch noch der Kreistag und der Stadtrat jeweils mit ihren Ausschüssen bei vielen Entscheidungen konsultiert werden mussten. Selbst bei Sachthemen, bei denen Einvernehmen herrschte, hatte dies zur Folge, dass erst ein zeitraubendes Beschluss- und Genehmigungsverfahren in Gang gesetzt werden musste. Wenn es gar über ein Thema kontroverse Ansichten gab und Meinungen erst zu einem Kompromiss zusammen geführt werden sollten, konnte sich das Beschlussverfahren unerträglich in die Länge ziehen.

Jugendarbeit: Tanzabende, Konzerte und Filmvorführungen

Trotz dieser Unzulänglichkeiten, die die Arbeit im Zweckverband mit sich brachte, blieb das Haus der Jugend eineinhalb Jahrzehnte in dieser Form organisiert, da sich die Angebote der Einrichtung einerseits an die Jugend des gesamten Kreisgebiets, andererseits auch an die Jugendlichen in der Stadt Osterode richteten. Auch sah sich keines der Verbandsmitglieder zunächst in der Lage, die finanziellen Lasten des Hauses alleine zu tragen.

Blick vom Söseufer auf das Haus der Jugend um 1965.
Blick vom Söseufer auf das Haus der Jugend um 1965. © Stadtarchiv Osterode am Harz | Stadtarchiv Osterode am Harz

Das Haus der Jugend diente sowohl der Verbandsjugendarbeit als auch der offenen Jugendarbeit. Den Jugendorganisationen stellte man im Haus der Jugend Räume und gegebenenfalls auch technische Ausrüstungen für ihre Aktivitäten zur Verfügung. Daneben nutzte man für die offene Jugendarbeit, das heißt für die Arbeit mit jungen Menschen, die in keinem Verein oder Verband organisiert waren, auch einige Räume. Um der offenen Jugendarbeit eine griffige Bezeichnung zu geben, initiierte man 1958 das sogenannte „Heim der offenen Tür“. Ferner veranstaltete der Kreisjugendring und der Ortsjugendring Osterode im Haus der Jugend Tanzabende, Konzerte, Filmvorführungen und auch Theateraufführungen.

„Frischer Wind“ in der Kreisstadt Osterode

In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre begann in vielen Bereichen der Gesellschaft ein „frischer Wind zu wehen“. Auch in der Kreisstadt suchten junge Leute neue Wege und strebten eine möglichst unabhängige und freie Gestaltung der Jugendtreffs mit einer weitgehenden Selbstverwaltung durch die Jugendlichen an. Man wollte weg von der traditionellen Betreuung und forderte ein selbstverwaltetes Jugendzentrum, das außerhalb des Hauses der Jugend entstehen sollte. Die jungen Leute wollten ein Jugendcafé in der Schildwache 4 (Stadtmauerturm Nygard) einrichten, doch gab es immer wieder Verzögerungen. Schließlich scheiterte das Projekt.

Erst im September 1976 erfüllte sich für die Osteroder Jugendlichen der Traum von einem selbstverwalteten Jugendtreff. In der Schachtrupp-Villa richtete die Stadt ein Jugendzentrum ein, das von einem Förderverein getragen wurde. Der Schwerpunkt der offenen Jugendarbeit in Osterode verlagerte sich daraufhin mehr und mehr vom Haus der Jugend in das Jugendzentrum Kaffeemühle.

1952 wird die Jugendherberge in Betrieb genommen

Die Jugendherberge im Haus der Jugend verfügte bei der Inbetriebnahme im Sommer 1952 zunächst über 108 Gästebetten. Ferner bestand zusätzlich die Möglichkeit, bis zu 100 Schlafstellen in zwei großen Sälen anzubieten. Vier Aufenthaltsräume und ein Speisesaal standen den Herbergsgästen zur Verfügung. Ein kleiner Saal, der etwa 100 Personen fasste, ermöglichte auch die Durchführung von Tagungen und Lehrgängen im Haus der Jugend. In dem 1956 fertiggestellten nördlichen Anbau gab es auch einen großen Saal, der etwa 230 Sitzplätze bot. Durch verschiedene Ausbaumaßnahmen konnte die Bettenzahl im Haus der Jugend bis Ende der 1950er Jahre auf 148 gesteigert werden, ferner standen bei Bedarf 25 Behelfsbetten (Klappliegen mit Matratzen) zur Verfügung.

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Die Jugendherberge war ganzjährig geöffnet und durch geschickte Werbung gelang es, auch außerhalb der üblichen Reisezeiten für eine gute Auslastung zu sorgen. So besuchten etwa über Jahre hinweg immer wieder Schulklassen das Haus der Jugend. Treue Gäste blieben über Jahrzehnte hinweg bis zuletzt Gruppen aus den Partnerstädten Armentières und Ostróda.

Auflösung des Zweckverbands

Der Reformeifer Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre machte auch vor den Verwaltungen nicht halt. So ging man auch daran, den Zweckverband Haus der Jugend aufzulösen, da die Organisationsstruktur dieses Zweckverbandes umständlich und somit teuer war. Zwischen den Verbandsmitgliedern Stadt und Landkreis Osterode herrschte Einigkeit im Hinblick auf die geplante Auflösung des Zweckverbandes, jedoch zogen sich die Verhandlungen über einzelne Fragen noch jahrelang hin. Zwar hatte der Landkreis nach den entsprechenden Beschlüssen des Kreistags und des Stadtrats zum 1. Januar 1970 die alleinige Trägerschaft des Hauses der Jugend übernommen, jedoch konnte erst Ende 1973 eine entsprechende Vereinbarung über die Auflösung des Zweckverbands unterzeichnet werden.

1956 wurde der nördliche Anbau des Hauses der Jugend verlängert. Die Zufahrt zum Gebäude erfolgte bis 1960 von der Waldstraße aus.
1956 wurde der nördliche Anbau des Hauses der Jugend verlängert. Die Zufahrt zum Gebäude erfolgte bis 1960 von der Waldstraße aus. © Stadtarchiv Osterode am Harz | Stadtarchiv Osterode am Harz

Durch umfangreiche Baumaßnahmen, die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinzogen, vergrößerte der Landkreis das Haus der Jugend erheblich. 1977 wurden ein Eingangshallenvorbau und ein separates Heimleiterwohnhaus errichtet. 1980 bis 1982 schuf man nach Entwürfen des Osteroder Architekten Gottfried Kurzer an der Ostseite des Gebäudekomplexes einen neuen Anbau. Auch die Jugendherberge wurde, nachdem der Landkreis die alleinige Verantwortung für die Einrichtung übernommen hatte, schrittweise ausgebaut und modernisiert. Die Einrichtung bot Anfang der 1990er Jahre 162 Betten in 32 Schlafräumen und erhielt die Bezeichnung Jugendgästehaus, wobei sich die Angebote nicht nur an junge Menschen, sondern auch an Familien und andere Gruppen richteten, für die spezielle Zimmer vorgehalten wurden.

Haus in städtischer Trägerschaft

Die jugendpflegerischen Angebote im Haus der Jugend wurden überwiegend von den Einwohnern der Stadt Osterode wahrgenommen. Aufgrund des Bedarfs an einem weiteren offenen Jugendtreff neben dem Jugendzentrum Schachtrupp-Villa, bestand seitens der Stadtjugendpflege der Wunsch, einige Räume im Haus der Jugend dauerhaft zu nutzen. Um Unzulänglichkeiten zu vermeiden, die aus einer überwiegend städtischen Nutzung eines Objekts in Kreisträgerschaft hätten entstehen können, kam der Gedanke auf, das Haus insgesamt in die Trägerschaft der Stadt zu übertragen. Relativ rasch wurde zwischen Kreis und Stadt in dieser Frage Einvernehmen erzielt. Zum 1. August 1997 ging das Haus der Jugend einschließlich der Jugendherberge in die Trägerschaft der Stadt Osterode über. Der Kreismusikschule, die im östlichen Trakt des Gebäudes ihr Domizil gefunden hatte, wurde auf die Dauer von zehn Jahren eine mietfreie Weiternutzung der Räumlichkeiten zugestanden.

Das Jugendgästehaus erfüllte mit seinem Angebot – zuletzt 125 Betten sowie gut ausgestattete Räume und Säle für Veranstaltungen – über sieben Jahrzehnte wichtige Funktionen für den Tourismus und das (jugend-)kulturelle Leben der Stadt. So nahmen viele Osteroder die Nachricht von der Schließung des Jugendgästehauses zum Ende der Saison im November 2023 mit Bestürzung auf. Hohe Sanierungskosten und ein nicht kostendeckender Betrieb wurden als Gründe für diese Entscheidung angeführt. Die Einrichtungen der Stadtjugendpflege verbleiben zunächst weiter im Haus der Jugend. Welche Nutzung der große Gebäudekomplex an der Söse erhalten wird, ist derweil noch nicht abzusehen.

Der EIngang des Jugendgästehauses in Osterode. Ende Oktober wird der Betrieb dort eingestellt.
Der EIngang des Jugendgästehauses in Osterode. Ende Oktober wird der Betrieb dort eingestellt. © FMN | Kevin Kulke

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