Wolfsburg. Musik nimmt Menschen die Angst, sagt Dr. Josef Reichelt. Der Anästhesist am Klinikum Wolfsburg gibt im Video eine Kostprobe seines Gesangs.

Kühl, steril, leise – so ist der erste Eindruck beim Betreten eines Operationssaals. Doch wenn Narkosearzt Dr. Josef Maria Reichelt seinen Arbeitsplatz im Klinikum Wolfsburg betritt, ändert sich das. Dann strömt menschliche Wärme durch den Raum – und manchmal wird es auch laut. Denn der gebürtige Wolfsburger hat nicht nur stets einen lockeren Spruch oder ein Gedicht parat. Er singt seine Patientinnen und Patienten auch gerne mal in den Schlaf.

Angst ist ein schlechter Ratgeber, meint der Oberarzt am Klinikum Wolfsburg.

„Die meisten Menschen haben vor einer Operation keine Angst vor dem Messer des Chirurgen. Sie fürchten, dass sie aus der Narkose nicht mehr aufwachen“, sagt Dr. Reichelt. Doch Angst sei ein schlechter Ratgeber. „Dann schläft man schlecht ein.“ Deshalb versucht der 62-jährige Oberarzt, die Anspannung bei den Patienten vor einer Narkose zu lockern. „Langsam und mit einem Lächeln in den Schlaf zu gleiten, ist doch das Schönste.“

Dr. Reichelt hat immer einen lockeren Spruch parat

An manchen Tagen kommt Dr. Reichelt in den OP-Saal und begrüßt den Patienten mit einem fröhlichen „Bonjour! Parlez vous français?“ Einem zögerlichen Kopfschütteln oder leisen Nein des verdutzten Patienten entgegnet Dr. Reichelt: „Prima. Ich nämlich auch nicht.“ Und schon sei das erste Eis gebrochen. „Anders als früher lerne ich die meisten Patienten vor einer Operation nicht mehr kennen“, erläutert der Anästhesist. „Ich sehe sie das erste Mal im OP-Saal und fünf Minuten später schlafen sie.“ Es bleibe also nur wenig Zeit, Vertrauen zwischen Arzt und Patient aufzubauen.

Patienten im Klinikum fordern den Arzt auf, ein Lied zu singen

Als leidenschaftlicher Hobby-Sänger nutzt Dr. Reichelt gerne die Musik, um für ein bisschen Lockerheit zu sorgen. „Ich sage zu meinen Patienten gerne: ,So, jetzt singe ich Sie in den Schlaf. Wenn mir das nicht gelingt, dann bekommen Sie von mir eine Vollnarkose. Ach wissen Sie was, Sie sind mir sympathisch, Sie bekommen gleich eine Vollnarkose, dann erspare ich Ihnen meinen Gesang.“ Nicht wenige Patienten würden kurz stutzen, dann aber fordern: „Na, singen Sie doch mal, Herr Doktor!"

Heinz Rühmann und Leonard Cohen stehen auf der Hitliste

In diesen Fällen lässt sich Dr. Reichelt nicht zweimal bitten. Seine Top-3-Hits im OP-Saal sind: das berühmte „La Le Lu“, das Schauspieler Heinz Rühmann im Film „Wenn der Vater mit dem Sohne“ sang. Das Wiegenlied „Schlaf, Kindlein, schlaf“. Und eine deutsche Version von Leonard Cohens Welthit „Hallelujah“ aus dem Jahr 1984. „Die Strophen habe ich aber etwas umgedichtet“, erzählt Dr. Reichelt schmunzelnd. In den Genuss dieses Liedes kam auch die Sülfelderin Erika Naucke vor einer Operation im Klinikum Wolfsburg. „Es war wunderschön. Ich habe das Lied noch fast bis zum Ende gehört und bin dann glücklich eingeschlummert“, erinnert sich die 82-Jährige.

Dr. Reichelt gesteht: „Ich war ein fauler Hund.“

Auch dem Autor dieses Artikels gab Dr. Reichelt während des Interviews eine Kostprobe seines gesanglichen Könnens. Musik habe in seiner Familie – aufgewachsen ist er mit vier Geschwistern – stets eine Rolle gespielt. „Bei Familienfeiern wurde immer gerne und viel gesungen“, erzählt Dr. Reichelt. Er habe auch Akkordeon gespielt, irgendwann aber aufgehört. „Ich war ein fauler Hund.“ Zwei seiner vier Kinder teilen die Leidenschaft des Vaters zur Musik. Als Dr. Reichelt und seine FrauManuela im August 2021 ihre Silberhochzeit in der St.-Bernward-Kirche feierten, spielte Tochter Julia Querflöte und Sohn Josef Klavier, während der Vater der Mutter ein Liebeslied sang. Ein ganz besonderer Moment, bei dem so mancher Familienangehörige eine Träne verdrückte.

Von Marianne Rosenberg bis DJ Ötzi – Dr. Reichelt liebt Schlager

Im Kollegium des Klinikums Wolfsburg ist Dr. Reichelts musikalische Leidenschaft natürlich schon lange kein Geheimnis mehr. „Ich habe ja eine Inventarnummer hinterm Ohr stehen“, sagt er lachend. Seit 33 Jahren arbeitet Dr. Reichelt am Klinikum. Und so hat er schon mancher Chefärztin, manchem Oberarzt und mancher Sekretärin zum Abschied ein selbst gedichtetes Lied gewidmet.

Bleibt noch die Frage zu klären, welche Musik der Hobby-Sänger denn privat gerne hört? „Schlager!“, kommt die prompte Antwort. Von Marianne Rosenberg über Roland Kaiser bis hin zu DJ Ötzi – „Hauptsache, es ist deutsche Musik und man kann dazu tanzen“, sagt Dr. Reichelt und lacht.

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