BGE rechnet mit der Stilllegung von Asse II frühestens 2060

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Das Betriebsgelände des Salzbergwerks Asse II in Remlingen muss im Rahmen des Rückholungsprozess um einige Bauten erweitert werden. 

Das Betriebsgelände des Salzbergwerks Asse II in Remlingen muss im Rahmen des Rückholungsprozess um einige Bauten erweitert werden. 

Foto: Karl-Ernst Hueske

Wolfenbüttel.  Asse II: In einem Livestream informierte die Bundesgesellschaft für Endlagerung über die geplanten Arbeiten im Jahr 2021.

Etwa 130 Meter entfernt vom Bohrloch Remlingen 15 könnte der für die Rückholung des schwach- und mittelradioaktiven Abfalls aus dem maroden Salzbergwerk Asse II benötigte Schacht 5 abgeteuft werden. Das erfuhren die etwa 120 Teilnehmer des Livestreams „Betrifft: Asse“, den die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) am Donnerstagabend angeboten hatte. Neben einem Rückblick auf die Arbeiten im Jahr 2020 gab es auch einen Ausblick auf die in diesem Jahr geplanten Arbeiten. Und so ganz nebenbei erfuhren die Livestream-Teilnehmer, dass künftig über dem Schacht 5 ein 80 Meter hoher Abwetter-Turm stehen wird, aus dem die teilweise belastete Luft aus dem Bergwerk ausgeleitet wird.

Weitere Themen der Veranstaltung waren unter anderem die derzeit laufenden Bohrungen, das Notfallkonzept, die Abfallbehandlung und das Zwischenlager, die 3D-Seismik sowie das umfangreiche Genehmigungsverfahren. Der technische Geschäftsführer der BGE, Dr. Thomas Lautsch, wies zudem auf das große Investitionsprogramm von über 3 Milliarden Euro bis zum Start der Rückholung im Jahr 2033 hin. Von diesem Investitionsprogramm werde die Region unter anderem auch durch hochwertige Arbeitsplätze profitieren. Mit der Stilllegung des Bergwerks und somit dem Abschluss der Rückholung des Atommülls rechnet die BGE in den 60er-Jahren dieses Jahrhunderts.

Rückholungsplanung: Auf einige Einzelheiten der im April 2020 vorgelegten Rückholungsplanung ging Jens Köhler als Leiter der Asse ein. So sei inzwischen die Ausschreibung der Entwicklung der Bergetechnik von der BGE veröffentlicht worden. Mit der Auftragsvergabe sei im zweiten Quartal 2021 zu rechnen, so Köhler. Eine weitere Auftragsvergabe soll im vierten Quartal 2021 erfolgen. Bis dahin soll eine Entscheidung gefällt sein zwischen zwei Bergetechnik-Konzepten, wie der Atommüll aus den Kammern herausgeholt werden soll. Zur Wahl stehen ein Teilflächenbau mit Ausbauelementen sowie ein Schildvortrieb mit Teilflächenabbau, wie er zum Beispiel im Tunnelbau zur Anwendung kommt.

Erkundung des Gebirges: Zwei Tiefenbohrungen zur Erkundung des Untergrunds des Bergwerks beziehungsweise zum Aufbau des Gesteins würden 2021 als Bohrung Remlingen 10 (derzeit schon begonnen und bis 320 Meter schon gekommen) sowie Remlingen 11 vorgenommen. Außerdem seien von der bestehenden Bohrung 15 zur Erkundung des Untergrunds des geplanten neuen Schachtes 5 zwei abgelenkte Erkundungsbohrungen geplant, die laut Köhler demnächst beginnen werden. Auch Untertage würden einige Bohrungen vorgenommen. Und die im vergangenen Jahr durchgeführte 3D-Seismik wird auch weitere wichtige Erkenntnisse zur Gebirgsstruktur bringen. Die Auswertung der dabei gewonnenen Daten sei im Zeitplan, erklärte Köhler.

Zwischenlager: Die BGE machte noch einmal deutlich, dass sie für die Abfallbehandlung und das notwendige Zwischenlager einen „Standort unmittelbar nördlich der Schachtanlage Asse II bevorzugt“. Dieser Standort ist umstritten, deshalb hatte es vor einer Woche in der Kreisverwaltung ein Spitzengespräch gegeben, an dem Vertreter des Landes- und Bundesumweltministeriums sowie der BGE und aus regionaler Sicht Landrätin Christiana Steinbrügge und die Samtgemeindebürgermeister Dirk Neumann (Elm-Asse) und Marco Kelb (Sickte) teilgenommen hatten.

Kelb und Neumann zeigten sich nach diesem Gespräch erleichtert. In einer gestern veröffentlichen gemeinsamen Presseerklärung berichteten die beiden Samtgemeindebürgermeister noch: „In dem Gespräch am 12. Februar konnte erreicht werden, dass der stattgefundene Prozess der Standortuntersuchung nochmals geöffnet und neu beleuchtet wird. Das Wichtige hieran ist, dass dieses unter Einbeziehung aller neuen Erkenntnisse und unter Mitarbeit unabhängiger Experten, also einer neutralen Begutachtung stattfinden wird.“ Neumann betonte zudem: „Das Ergebnis der Untersuchung und die dann folgenden Schritte sind offen. Mit dieser gemeinsamen Feststellung sind alle Beteiligten aus dem Gespräch herausgegangen.“ Beide Samtgemeindebürgermeister unterstreichen in ihrer Presseerklärung noch einmal, dass es die Menschen in dieser Region verdient haben, einen für sie plausiblen und nachvollziehbaren Standortevergleich zu erhalten.

BGE-Chef Stefan Studt beschrieb das Ergebnis des Gesprächs wie folgt: „Es wird untersucht, ob die Annahme der BGE für den Zwischenlagerstandort richtig ist und ob sie weiter verfolgt werden kann.“ Er sprach von einer juristischen Betrachtung, die nun anstehe: „Eine dritte Instanz soll die Entscheidung betrachten.“ Und er betonte: „Für die Genehmigung der Rückholung ist ein Zwischenlager erforderlich.“ Studt sprach auch die Hoffnung aus, dass die Asse-II-Begleitgruppe, die zwischenzeitlich ihre Arbeit wegen der Auseinandersetzung um den Zwischenlagerstandort eingestellt hat, sich wieder an einem kritischen Begleitprozess zur Rückholung beteiligt.

Genehmigungsverfahren: Die ersten Anträge seien bereits auf einer Antragskonferenz im Dezember 2020 diskutiert worden. Nun gehe es um die Anträge für die Genehmigung zum Bau des Schachtes 5 und seine unterirdische Anbindung an das Bestandsbergwerk. Auch eine Änderung der Frischluftzufuhr sei mit dem neuen Schacht 5 verbunden. Über den bestehenden Schacht 2 würde künftig die Frischluft eingezogen und über den noch zu bauenden Schacht 5 wieder ausgestoßen, wobei dafür ein 80 Meter hoher Turm mit Messtechnik errichtet werden soll, berichtete Dirk Laske, Abteilungsleiter Rückholung bei der BGE.

Notfallplanung: Eine Anlage zur Anlieferung und Lagerung einer Magnesium-Chlorid-Lösung als Gegenflutungslösung mit drei Spuren in einer Be- und Entladehalle sei auf dem Gelände des Asse-Bergwerks vorgesehen. Diese Lösung soll ins Bergwerk eingebracht werden, wenn der Lösungszutritt (derzeit durchschnittlich 12 Kubikmeter je Tag) wegen eines Anstiegs nicht mehr beherrschbar wäre. Weitere Kavernen müssten dafür jedoch gebaut werden, um weitere Lösung bunkern zu können, erklärte Achim Trautman, bei der BGE Abteilungsleiter für die Notfallplanung. Trautmann sprach von benötigten 400.000 bis 1,1 Millionen Kubikmetern Lösung, wenn man das gesamte Bergwerk fluten müsste.

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