Paris. Zwei Talente überzeugen gegen Frankreich mit einem kühnen Auftritt. Für Löws Liebling bedeutet dies das Ende der Unverzichtbarkeit.

Leroy Sané trug eine Tüte an der Hand, als er am Dienstagabend aus dem Stade de France in Paris verschwand. Er nahm nicht den vorgesehenen, etwas weiteren Weg vorbei an den im Erdgeschoss wartenden Menschen, sondern drückte sich wie der Kollege Serge Gnabry zügigen Schrittes zwischen einer Wand und einer tragenden Säule vorbei Richtung Ausgang.

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Die beiden Nationalspieler hatten eine Lücke gefunden und sie zielstrebig für sich ausgenutzt. Im Grunde war das wie zuvor schon auf dem Platz, auf dem die deutsche Fußball-Nationalmannschaft die Nations-League-Partie gegen Weltmeister Frankreich zwar mit 1:2 verlor und weiterhin dem Abstieg geweiht scheint, die aber Hoffnung machte auf eine wieder etwas aufregendere Zukunft.

Das Symbol dieses Aufschwungs an jenem Abend: Sané (22) und Gnabry (23). Zwei Talente, die in wichtigen Länderspielen noch nie in der Startelf standen und deswegen nun umso mehr als Gesichter des Umbruchs taugen.

Geschwindigkeit für Konter

„Die Frage war: Wer kann uns mit Geschwindigkeit im Konter helfen“, gab Bundestrainer Joachim Löw seine Überlegungen vor der Partie wieder und begründete seine Entscheidung gern. Denn mutig war sie ja schon. Sané, der frühere Schalker, der seit Sommer 2016 für Manchester City spielt, hatte es auch aus Gründen der Berufsauffassung nicht in den Kader der WM in Russland geschafft. Gnabry, Profi des FC Bayern München, war für diese Oktober-Länderspiele gar nicht erst vorgesehen. Absagen der Prominenz ließen Löw glauben, dass es gut sei, ihn nachzunominieren.

„Serge hat im Training einen sehr guten Eindruck gemacht“, lobte der Bundestrainer. „Und Leroy hatte jetzt auch mal seine Chance verdient. In dieser Woche war er – wie schon im September – sehr konzentriert im Training. Er hat bei uns wirklich Fortschritte gemacht.“ Fortschritte. Wirklich. Löw und Sané – zwei, die Hindernisse zwischen sich vorfanden, finden nun doch zusammen. Die Mannschaft habe „vor allem mutig nach vorn gespielt“ und „ihr Herz in die Hand genommen“, befand Löw.

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Zusammen mit Timo Werner bildeten Sané und Gnabry ein sprintentes Trio, das so mancher Leichtathletik-Abteilung eine Freude wäre. Eines, das auch mit Ball Spaß machte. Zuschauern. Und Mitspielern. Zum Beispiel jemandem, dessen Expertise in Sachen Ästhetik durchaus gehört werden sollte, weil er seit Jahren im edelsten Fußball-Klub der Welt (Real Madrid) als Passgeber Regie führt. „Natürlich habe ich gerne Optionen. Und die hatte ich heute. Deswegen fühlte es sich auf dem Platz wie eine Niederlage an, die mit am meisten Spaß gemacht hat“, sagte Kroos.

Allerdings – und auch das merkte der Torschütze Kroos angemessen zerknirscht an – mit dem nicht unbeträchtlichen Makel, dass die Effizienz zu wünschen übrig gelassen hatte, dass die bisweilen sehenswerten Konter nicht kühl genug zum Abschluss gebracht wurden, dass also mal wieder deutlich weniger Tore geschossen worden waren als möglich. Immerhin: Der Elfmeter, der das deutsche Tor möglich machte, entsprang einer entschlossenen Aktion von Gnabry und Sané.

An Müller führt ein Weg vorbei

Dass die Vorführung der Jugend nicht ohne Tadel geriet, hätte ein Plädoyer für die Erfahrung sein können. Für Thomas Müller (29) zum Beispiel, der unter Löw stets Teil einer unverzichtbaren Achse war und nun Opfer der Rochade wurde, weil das, was ihn einst auszeichnete, kaum mehr zu besichtigen ist.

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Es ist Zeit: Der unberechenbare, lange Zeit phänomenale Vagabund wird alsbald abgelöst von ein paar Draufgängern, die auch das Duell mit drei Franzosen nicht scheuen (wie Sané einmal). Anmaßend war das. Erfrischend anmaßend.

„Das muss man jetzt sehen“, sagte Löw, als er auf die Zukunft einer seiner Lieblingsspieler der vergangenen Jahre angesprochen wurde: „Thomas Müller hat seine Qualitäten zuletzt bei uns vielleicht nicht so gezeigt. Aber er ist ein Antreiber, der im Training andere mitzieht und vorangeht. Er ist einer, der viel spricht mit jungen Spielern. Von daher ist Thomas nach wie vor wichtig.“

Eine tragende Säule, an der vorbei es aber sehr wohl einen Weg gibt.