Warum Havertz beim DFB-Team noch immer seinen Platz sucht
WM 2022
Warum Havertz beim DFB-Team noch immer seinen Platz sucht
| Lesedauer: 3 Minuten
Kai Schiller und Sebastian Weßling
Der Katar-Report
Der Katar-Report
Funke-Reporter Kai Schiller berichtet über die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, die sich auf das Spiel gegen Spanien vorbereitet.
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Al-Ruwais.Kai Havertz ist einer der talentiertesten Fußballer seiner Generation. Die Nationalmannschaft profitiert von seiner Flexibilität aber noch nicht.
Es geht Schlag auf Schlag. Von links kommt der Ball geflogen, auf Höhe des Halses, unangenehm zu verarbeiten. Doch Kai Havertz beugt sich vor und titscht die Kugel mit der Stirn genau auf Christian Günters Fuß. Und sofort geht der Blick zur anderen Seite, ein weiterer Ball kommt geflogen und wird mit der Innenseite des linken Fußes präzise zu Thilo Kehrer gestreichelt.
Ein kurzer Moment nur im Training der deutschen Nationalmannschaft, zwei Tage vor dem Spiel gegen Spanien (Sonntag, 20 Uhr MEZ/ZDF). Aber einer, der zeigt: Kai Havertz kann alles, was ein Offensivspieler braucht, und noch ein bisschen mehr. Kaum ein deutscher Spieler ist mit derartigem Talent gesegnet, dazu kann er als Spielmacher agieren, außen links wie rechts und auch als Mittelstürmer – wie bei der 1:2-Niederlage gegen Japan. Und dazu kann der Profi des FC Chelsea auch auf Englisch Journalistenfragen flüssig beantworten, selbst in aktuell schwieriger Lage und in einem Vokabular, das ein Englischlehrer „elaborated“ nennen würde.
Havertz ist eben ein gescheiter Kopf, aber selbst ihm dürfte es schwerfallen, die Extreme umfassend zu begreifen, in denen er sich aktuell bewegt: Seit Jahren gilt der 23-Jährige als einer der begabtesten Spieler des Landes, als die Zukunft des deutschen Fußballs. In der Gegenwart aber tun sich die Bundestrainer auch schon ziemlich lange schwer damit, den richtigen Platz für ihn zu finden. „Die Positionsfrage nervt mich mittlerweile echt“, sagt er dazu. „Jeder weiß, dass ich flexibel einsetzbar bin.“ Allerdings: Gegen Japan, als er im Sturmzentrum stand, lief das Spiel weitestgehend an ihm vorbei. „Natürlich ist man auf der Zehn besser ins Spiel integriert“, meint Havertz. „Aber ich spiele gerne vorne drin, das macht Spaß – ich weiß aber auch, dass man als Stürmer die Verpflichtung hat, Tore zu schießen, und das habe ich gegen Japan nicht.“
Kai muss endlich aus der Kiste kommen, das ist die allgemeine Wahrnehmung, und so sind die Fragen der deutschen Journalisten am Freitag recht kritisch. „Ich kann verstehen, dass jetzt Negativität aufkommt bei Fans und Presse“, entgegnet Havertz. „Ich weiß, dass immer viel geschossen wird und nicht jeder voll hinter uns steht – aber das macht mir nullkommanull Sorge.“ Wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sein können, demonstriert kurz darauf ein englischer Journalist, der fragt, ob Havertz bester Torschütze des Turniers werden wolle.
Das ist dann auch Havertz fast schon zu positiv: „Darüber zu sprechen, ist ein bisschen zu viel – wir haben gerade ganz andere Probleme“, sagt er. Es bleiben eben ziemliche Extreme, zwischen denen sich der 23-Jährige auch in Katar bewegt.
Kein DFB-Protest vor Spanien: "Jetzt geht es um Fußball"
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Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft plant vor dem wichtigen Spiel gegen Spanien offenbar keine weiteren Protestaktionen gegen das One-Love-Verbot durch die FIFA. „Wir haben unsere Position klargemacht in den letzten Tagen. Es ist hart für mich darüber wieder zu sprechen, aber unser Fokus ist zu 100 Prozent auf dem Fußball“, sagte Offensivspieler Kai Havertz am Freitag im DFB-Medienzentrum in Al-Shamal. „Wir haben gesagt, was wir denken, und jetzt geht es um Fußball“, fügte der Chelsea-Profi an.
Durch die Niederlage gegen Japan steht das Team von Bundestrainer Hansi Flick am Sonntag (20.00 Uhr/ZDF und Magenta TV) gegen den Angstgegner Spanien unter großem Druck. Bei einer weiteren Niederlage droht dem vierfachen Weltmeister das Ausscheiden in der Gruppenphase. (dpa)
Alles oder nichts heißt es am Sonntag für die Nationalmannschaft bei der Fußball-WM 2022 in Katar. Der DFB-Elf droht im „Endspiel“ gegen Spanien die nächste historische WM-Pleite. Hansi Flick steht vor seiner größten Herausforderung als Trainer. Bei einer Niederlage wäre das Aus wohl beschlossene Sache. Denn vor dem Deutschland-Spiel (20 Uhr) geht Japan gegen Costa Rica als klarer Favorit ins Rennen.
Die Spanier gehen mit viel Rückenwind in das Duell gegen Deutschland. Im ersten Spiel gab es einen 7:0-Kantersieg gegen Costa Rica. Für Deutschland ist Spanien in den letzten Jahren zu einem Angstgegner geworden. Der letzte Pflichtspielsieg gegen die "rote Furie“ gelang vor 34 (!) Jahren, das demütigende 0:6 im November 2020 hätte Joachim Löw beinahe den Job gekostet. Nun muss wohl ein Sieg her. In einer Datenanalyse unseres Kooperationspartners Createfootball erklären wir, wie der DFB-Gegner Fußball spielt und wie Deutschland als Sieger vom Platz gehen kann.
Wie spielt Deutschland-Gegner Spanien Fußball?
System: Seit Jahren setzt Spanien auf ein eingespieltes System im 4-3-3 mit meist inversen Flügelspielern, die Platz für die Außenverteidiger schaffen, die im Ballbesitz hoch stehen. Vorne agiert eine „falsche“ Neun mit Asensio oder Wandspieler Morata im Sturmzentrum, die Raum für einrückende Flügelspieler schafft und häufig den Ball mit dem Rücken zum Tor klatschen lässt.
Im Ballbesitz: Es wird meist auf eine 2-3-5 Formation gesetzt, auf ballbesitzorientierten Fußball und schnelles Kurzpassspiel. Dank hoher Passqualität der Spieler werden lange und geduldige Passstafetten angewendet, wenn nötig auch viel „quer“. Die Pässe sind selten lang und direkt ins letzte Drittel – meist über mehrere Stationen. Der Angriffsaufbau erfolgt über das zentrale Mittelfeld. Die dort agierenden Spieler lassen sich fallen, um den Ball zu bekommen, spielen dann den Außenverteidiger an, der den Ball mit Raumgewinn nach vorne trägt, um dann den eingerückten Flügelspieler zu bedienen.
Ohne Ballbesitz: Enges Offensivpressing ist das Markenzeichen der Spanier, es dauert meist nur vier bis sechs Sekunden, bis der Ball (zurück-)gewonnen wird. Das Gegenpressing ist elementar, die Gegenspieler sollen zu Fehlpässen ins Zentrum gezwungen werden, da das Zentrum durch drei zentrale Mittelfeldspieler meist dicht ist.
Umschaltsituationen: Offensiv stehen die Flügelspieler nahe der Außenlinie, um das Spiel möglichst breit zu machen. Es gibt kaum defensive Umschaltsituationen, das Gegenpressing ist sehr riskant mit drei bis vier Spielern, die den ballführenden Gegenspieler attackieren.
Wo liegen die Stärken der spanischen Nationalmannschaft?
Hohe Dominanz im Spiel, es kommt nicht selten vor, dass Spanien auch gegen starke Gegner über 60% Ballbesitz hat.
Extrem aggressives Pressing, sie versuchen nach Ballverlusten möglichst schnell wieder in eigenen Ballbesitz zu kommen.
Zudem viele Balleroberungen im gegnerischen Drittel, da die Mannschaft sehr hoch steht und versucht, den Gegner in der eigenen Hälfte zu „erdrücken“.
Können ihre Offensivspieler meist ohne Qualitätsverlust rotieren lassen.
Wie kann Deutschland Spanien schlagen? Die Schlüssel zum Erfolg
Mit einem 5-2-3 System - über progressive Pässe an der Außenlinie die Flügelstürmer in die Tiefe schicken → Spaniens Außenverteidiger Jordi Alba (sehr offensiv) und Cesar Azpilicueta (Tempodefizit) können so vor Probleme gestellt werden.
Tempodefizit der spanischen Hintermannschaft ausnutzen – Spanien steht sehr hoch, auch bei eigenen Ballverlusten, Kimmich ist bekannt für gute lange Bälle hinter die gegnerische Abwehrreihe, nach Balleroberung müssen sich Gnabry, Sané (wenn fit) und Musiala hier in Umschaltsituationen schnell durch vertikale Läufe anbieten.
Zentrum dichthalten und Spanien auf die Außen drängen, Flanken und 1vs1-Duelle gehören nicht zu den Stärken der spanischen Nationalmannschaft, Kimmich und Goretzka (der die deutlich zweikampfstärkere und in der Arbeit gegen den Ball effektivere Option zu Gündogan ist) müssen die Räume zwischen eigener Mittelfeld- und Abwehrlinie deutlich enger halten als gegen Japan.
Ballsichere Verteidiger – Schlotterbeck leistete sich gegen Japan acht (!) Ballverluste, so viele wie Rüdiger und Süle zusammen, auch Raum wirkte nicht sehr stabil, Ginter und Günter wären hier ballsichere Optionen, die auch unter hohem Druck des Gegners die Situation spielerisch lösen können.